2. Ausstellungen

Zum Verzeichnis der Ausstellungen 1868 bis 2010

Wie den Statuten von 1861 zu entnehmen ist, war das Ausstellungswesen nur eines der insgesamt acht(!) großen Ziele der Genossenschaft, die damals zum Bau des Künstlerhauses geführt haben.1 Die Ausstellungen wurden in ihrer Bedeutung noch nicht so hoch geschätzt, wie später etwa von den Secessionisten um 1900. Heute, über hundert Jahre später, interessieren vor allem die Besucherzahlen, ohne die Publikumsqualität oder die kommerzielle Seite der Ausstellungen zu berücksichtigen.

Das Künstlerhaus von 1861 hatte Wesentlicheres zu erfüllen: es sollte ein Treffpunkt der Künstler sowie der Kunstliebhaber untereinander werden, eine Vermittlerstätte zwischen dem Schöpfer und dem Abnehmer. Ausstellungen dienten zur Präsentation der Kunstwerke einem breiten Publikum gegenüber, zum gegenseitigen zwanglosen Informationsaustausch und erst etwas später auch als Basis für Mitgliederaufnahmen und Kunstpreisverleihungen. Ganz deutlich geht diese soziale Vermittlerfunktion des Künstlerhauses aus einer 1870 erschienenen Beschreibung des Künstlerhausbaues hervor: Das Künstlerhaus wurde darin als ein Clubhaus dargestellt, als ein “Gebäude von sehr hübscher Grundrißanlage für Geselligkeitszwecke in den unteren und Ausstellungszwecke in den oberen Parthien”.2 Das halbe Künstlerhaus blieb den Ausstellungen entzogen!

Natürlich waren neben diesen “Geselligkeitszwecken” auch die Ausstellungen wichtig. Sie informierten die Öffentlichkeit und die Kollegen über den letzten Stand der Kunstentwicklung, die gerade herrschenden Stilrichtungen und Strömungen sowie über die letzte Produktion jedes einzelnen Künstlers ohne jeden moralischen Kaufzwang, der im privaten Atelier doch oft fühlbar war. Ausstellungen gaben Anreiz zu Künstlerwettbewerben, zu Vergleichen unter den Künstlern und den gerade aktuellen Themen. So waren es von Anfang an Überblicksausstellungen, die man im Künstlerhaus veranstaltete; retrospektive Kollektionen als Präsentation einzelner Künstler standen weit im Hintergrund.

Das hatte auch eine Ursache: interessanterweise gab es Künstler, die von einer öffentlichen Präsentation ihrer Werke im Rahmen einer eigenen Kollektion überhaupt nichts hielten. Weniger aus angeborener Bescheidenheit, als vielmehr aus Angst vor einer eventuellen Blamage, einer vernichtenden Kritik, die manchem Künstler, der bisher von direkten Aufträgen sehr gut lebte, nur schaden hätte können. Peinlich wäre solch ein Imageverlust besonders für Akademieprofessoren gegenüber ihren Studenten.

Viele der gut verdienenden Künstler waren außerdem vertragsmäßig an die sie vertretenden Kunsthändler gebunden, die ihnen fast die gesamte Produktion stets sofort abkauften. Sie selbst besaßen dann zum Ausstellen kaum etwas Repräsentatives mehr, von einer ganzen Kollektion ganz zu schweigen. So stellten für sie, auch im Künstlerhaus, die Kunsthändler aus, die oft ihre Werke sogar auf Wanderschaft schickten, bis sie verkauft waren. Dieser rege Umlauf ist trotz der damals noch mangelhaften Verkehrsverbindungen in den Einlaufbüchern der Kunstwerke sehr gut dokumentiert.

Einige auswärtige Kunstvereine haben versucht diese Vermittlerrolle und die Macht der Kunsthändler durch diverse Beschränkungen herabzusetzen, etwa dass sie in ihren Jahresausstellungen ausschließlich nur die direkt von den Künstlern eingesandten Werke ausstellten. Den gewünschten Erfolg brachten diese Maßnahmen nicht; im Gegenteil. Der Ausschluss der Kunsthändler von den Vereinsausstellungen führte dadurch zum Ausschluss der durch sie vertretenen Künstler. So wurden diese Beschränkungen nach und nach gelockert und schließlich wieder ganz aufgehoben.

In der Monatsversammlung am 4. März 1865, also noch Jahre vor der Fertigstellung des Künstlerhauses, diskutierte man die Übernahme der großen Staatsausstellungen, die bisher jedes dritte Jahr in der „Akademie der bildenden Künste bei St. Anna“ stattfanden und jeweils drei Monate offen blieben. Sie sollten künftig auf Risiko der Genossenschaft im neuen Künstlerhaus veranstaltet werden. Der Staat hatte in diesen staatlichen Akademieausstellungen jeweils um etwa 20 000 fl. eingekauft. Wie unwichtig diese Ausstellungen damals aber allgemein betrachtet wurden, zeigt neben der langen Periode der Staatsausstellungen von drei Jahren(!) auch die Tatsache, dass man sich im Künstlerhaus mit einem tiefergehenden, konkret verbindlichen Ausstellungsprogramm zum ersten Mal erst im Herbst 1868, also nach der Eröffnung der “III. allgemeinen deutschen Kunstausstellung” zu beschäftigen begann.

Erst im Oktober 1868(!) wurden die ersten Ausstellungs-Richtlinien für das Haus ausgearbeitet und in der Hauptversammlung am 7. November 1868 angenommen; verbindlich oder ausgereift waren sie jedoch noch lange nicht. Alle im Künstlerhaus gezeigten Ausstellungen sollten in Eigenregie veranstaltet werden; in der Regel jedes Frühjahr eine große Überblicksausstellung. Außerdem wollte man einen Saal ständig – „permanent“ – offen halten, um “solche Kunstwerke zur öffentlichen Anschauung zu bringen, welche nur zeitweilig zur Verfügung stehen”. Das hatte einen Grund; für uns heute unvorstellbar waren viele Kunstwerke damals auf Wanderschaft, sie zirkulierten von Kunstverein zu Kunstverein, von einem Ausstellungsort zum nächsten – und das trotz der oft noch nicht vorhandenen Eisenbahnverbindungen! Natürlich wollte man die ausgestellten Kunstwerke auch verkaufen, sie waren eine Ware.

In Wien sollte sich nun ein eigenes Komitee mit dem ab 1850 bestehenden “Österreichischen Kunstverein”3 und dem um zwanzig Jahre älteren “Verein zur Beförderung der bildenden Künste” ins Einvernehmen setzen, um alle künftigen Ausstellungen aufeinander abzustimmen und auch weitere Fragen, wie die Beteiligung dieser Vereine an den Jahresausstellungen sowie eines gemeinsamen Eintrittes für das Publikum durch Kombikarten zu lösen. Organisiert werden sollten alle Hausausstellungen durch ein ehrenamtlich wirkendes Ausstellungskomitee; für rein routinemäßig handwerkliche Arbeiten sollte dem Komitee ein bezahlter Hausinspektor zur Seite stehen. Die ersten periodischen Ausstellungen fanden nur im ersten Stock des Künstlerhauses statt.

Zur Finanzierung der Ausstellungen wurde die Gründung eines eigenen Ausstellungsfonds als notwendig erachtet. Die vorerst als ausreichend angesehenen 6000 fl. wurden am 4. Dezember 1868 dem Baufond entnommen. In diesen Wochen und Monaten nach der Eröffnung des Künstlerhauses Kristallisierten sich jene Ideen und Maßnahmen heraus, die dann zur Gewohnheit wurden und die sich über Jahrzehnte hinweg bewährten.

Als Eintritt in die Ausstellungen wurden zuerst 20 Kreuzer vorgeschlagen, doch dann setzte man diesen Betrag etwas höher an. An Sonn- und Feiertagen ab 14.00 Uhr wurde dieser Eintritt auf die Hälfte reduziert, um auch der ärmeren Bevölkerung den Besuch des Künstlerhauses zu ermöglichen. Ständige 50 % Ermäßigungen bekamen Studierende und das Militär; Akademiestudenten genossen freien Eintritt. Arbeiter- und Bildungsvereinen wurde der Gruppeneintritt an Sonn- und Feiertagen ebenfalls zur Gänze erlassen. Diese Praxis blieb nach der Entstehung der Secession und des Hagenbundes nur im Künstlerhaus bestehen; in keinem anderen Ausstellungshaus Wiens gab es solche Begünstigungen der sozial schwächeren Klassen.4

Am Eröffnungstag des neuen Künstlerhauses 1868 betrug der Eintritt stattliche fünf Gulden, die höchste Summe, die jemals im Künstlerhaus als Ausstellungseintritt verlangt und auch bezahlt wurde, heute wären das etwa 55 Euro!5 Der normale Eintritt in die „III. allgemeine deutsche Kunstausstellung“ betrug dann 50 Kreuzer, der Katalog kostete 30 Kr. Bei 50 Kreuzern Eintritt blieb man später bei allen, stets im Frühjahr veranstalteten Jahresausstellungen. Der Eintritt in die „Permanenten“, ständigen, Ausstellungen kostete in der Regel 30 Kreuzer, nur in Sonderfällen wurde er auf 50 Kr. erhöht. Erhöhungen gab es auch abends bei künstlicher Beleuchtung. Der erste Tag der Internationalen Ausstellung 1882 kostete einen Gulden.

Die Mitglieder hatten natürlich freien Eintritt in alle Ausstellungen; fremde Aussteller nur in jene, in den ihre Werke gezeigt wurden. Alle Mitglieder und Aussteller bekamen den Katalog gratis. In der Jubiläumsausstellung “50 Jahre der Genossenschaft” (1911) wurde das Künstlerhaus dem Publikum drei Tage lang bei freiem Eintritt offen gehalten.

Umgekehrt hatten Genossenschaftsmitglieder freien Eintritt in den Galerien hervorragender Kunsthändler wie Miethke oder Pisko, ebenso bei vielen privaten Kunstsammlern, die ihre Sammlungen dem Publikum offenhielten. Zum Dank wurde auch von diesen Männern im Künstlerhaus kein Eintritt verlangt, insofern sie ohnehin nicht bereits Mitglieder oder Teilnehmer der Genossenschaft waren.6

1913 begannen Verhandlungen und Absprachen auch mit anderen, inzwischen entstandenen neuen Künstlervereinigungen, Galerien und Museen. So hatten ab März 1913 die Genossenschaftsmitglieder gegen das Vorweisen der Mitgliedskarte den freien Eintritt in das Kunsthistorische Museum, im Österreichischen Museum für Kunst und Gewerbe und in der Österreichischen Staatsgalerie; ab 1918 auch in die Secession, in die Ausstellungen des Hagenbundes und des Wirtschaftsverbandes der bildenden Künstler. Umgekehrt hatten auch Mitglieder dieser Vereinigungen freien Eintritt im Künstlerhaus.

Schon im Dezember 1868 dachte man zur Steigerung des Publikumsinteresses an die Veranstaltung von Themenausstellungen. Im Gespräch standen eine Plastikausstellung und eine Kollektion des Malers Anton Hansch, der sich “bereit erklärt hatte, auszustellen” – es handelte sich also keineswegs um eine Initiative Hansch’s.

Noch vor Weihnachten 1868 wurde die erste Verkaufsprovision bestimmt: 2,5 % bei Verkäufen der Mitglieder, 5 % bei Verkäufen fremder Aussteller. Bei der vorangehenden „III. allgemeinen deutschen Ausstellung“ wurde noch keine Provision verrechnet und alle eingenommenen Honorare für verkaufte Werke den Künstlern zur Gänze übergeben.

Trotz dieser Gedanken hatte man auch noch im Jänner 1869 keine präzisen Vorstellungen über die Ausstellungszukunft des Hauses. Unsicher war man sich vor allem bei fremden Interessenten, Mietern, die im Haus ausstellen könnten. Als diesbezüglich am 26. Jänner 1869 eine Anfrage der Organisatoren der “1. Arbeiter-Industrie-Ausstellung”, die im September 1869 stattfinden sollte, an den Leitenden Ausschuss der Genossenschaft kam, wusste man sie nicht gleich zu beantworten. Relativ einig war man sich nur beim Beschluss, jedes Frühjahr eine große Jahresausstellung zu veranstalten, in der die jeweilige Produktion der vergangenen 12 Monate gezeigt werden sollte. Später konnten dazu auch in den Jahresausstellungen Werke hinzukommen, die älter und bereits im Besitz eines Kunsthändlers bzw. Sammlers waren, der sie nun wieder verkaufen wollte.

Für die Jahresausstellung 1869 hatte der Ausschuss Bedenken, ob sich genug Künstler melden würden; es handelte sich ja um die zweite große Ausstellung innerhalb eines halben Jahres. Würde man genug gute Werke haben? Wird das Publikum nicht übersättigt? Im Winter 1868-1869 wurde deshalb der Maler Josef M. Aigner nach München, Karlsruhe, Düsseldorf, Dresden und Berlin entsandt, um direkt an Ort und Stelle für die Jahresausstellung zu werben. In Paris wirkte der österreichische Konsulardirektor Freiherr von Schwarz im gleichen Sinn; weitere Freunde in Antwerpen.

Die Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Die “I. große internationale Kunst-Ausstellung im Künstlerhause in Wien” im Frühjahr 1869 bestand schließlich aus 602 Werken, gerade richtig, um die vorhandenen Säle vollständig füllen zu können.

Um das Wiener Publikum über die Künstlerhausausstellungen besser zu informieren, ersuchte man am 30. März 1869 beim Wiener Magistrat um Bewilligung zur Aufstellung von ständigen Ankündigungstafeln am Ring und bei der Elisabethbrücke. Die Tafeln wurden anstandslos bewilligt; ursprünglich aus Holz, ersetzte man sie im August 1870 durch witterungsbeständige gusseiserne Ständer. An die Gemeinde wurden für sie 5 fl. Platzmiete bezahlt.7

Schon die III. allgemeine deutsche Kunstausstellung im Herbst 1868 wurde durch eigene Plakate, damals als Maueranschläge bezeichnet, dem Publikum angekündigt. Aus Kostengründen handelte es sich um reine Textplakate. Erst im Dezember 1868 sprach man von ständigen bildlichen “Musteraffichierungen”. In der Genossenschaft wurden die Plakate als reine Zweckdrucksorten betrachtet und man fand es nicht einmal nötig, sie für das Archiv aufzuheben. So weiß man von ihrer Existenz nur indirekt aus dem Kassabuch bzw. aus diversen Rechnungen sowie zufälligen Fotoaufnahmen des Hauses. Die Maueranschläge der III. allgemeinen deutschen Kunstausstellung kosteten 378 fl.; doch weder die Auflage, noch der Name des Druckers ist überliefert.

Am 2. April 1869 wurde beschlossen, allen Künstlern, die nicht Funktionäre der Ausstellungskommission waren, während des Hängens den Zutritt in die Ausstellungssäle zu verwehren. Das war eine weise Entscheidung, die allerdings später in Vergessenheit geriet und dadurch immer wieder viel Ärger unter allen Beteiligten verursachte.

Die Ausstellungsgestaltung wurde zu einem der konfliktreichsten Punkte des Genossenschaftslebens. Die Menge der angemeldeten Werke führte bald zu einer immensen Ausnützung der Wandflächen, die uns heute als völlig unmöglich erscheint. Trotz besten Willens der Ausstellungsverantwortlichen war es bald nicht möglich, alle eingesandten Werke unterzubringen, obwohl sie schon in mehreren Reihen übereinander gehängt wurden. Das durch diese Art der Hängung entstandene Problem der besseren und schlechteren Plätze war nicht zu lösen und führte unter den Ausstellern ständig zu Missstimmungen, zu Konkurrenzneid und oft auch zu scharfen Konflikten. Die eingesandten Kunstwerke sollten nicht nur den Kollegen und dem Publikum gezeigt, sie sollten vor allem verkauft werden.

Die schon bald nach der Hauseröffnung entstandene Masse der zur Ausstellung angemeldeten Kunstwerke konnte nur eine Jury durchsieben; man hatte nicht zu wenig, man hatte im Gegenteil bald viel zu viel ausstellungswürdige Kunstwerke. Die Strenge der Jurys richtete sich nach Maßgabe des vorhandenen Raumes und nach der Anzahl der angelangten Anmeldungen. Eine Abweisung hatte also wenig oder nur bedingt mit künstlerischer Qualität des abgelehnten Werkes zu tun. Das verstanden nur die wenigsten der betroffenen Künstler. Sehr oft waren es auch nach unseren heutigen Kriterien sogar ganz ausgezeichnete Werke, die man nur aus Platzmangel ablehnen musste. Um den Stachel der Ablehnung doch etwas zu mindern, kam es deshalb bald vor, dass man die zur Jahresausstellung von der Jury abgelehnten Werke anschließend in die im Sommer folgende und sich bis in den Herbst ziehende Permanente Ausstellung einreihte.

Für Juryentscheidungen von besonderer Bedeutung war außerdem, ob das betreffende Kunstwerk als verkäuflich oder unverkäuflich bezeichnet wurde. Unverkäufliche Werke dienten nach Maßgabe des vorhandenen Raumes nur zur Präsentation des künstlerischen Schaffens, zur Leistungsschau ihrer Schöpfer, nicht zu ihrer sozialen Absicherung. So hatten bei der Jury stets die für den Markt bestimmten, verkäuflichen Arbeiten Vorrang; ebenso dann auch der Künstler selbst vor einem Kunsthändler.

Jede Ablehnung bedeutete große Enttäuschung. Manche Künstler fühlten sich sogar in ihrer persönlichen Ehre betroffen, waren beleidigt und sahen als die einzige Konsequenz der Absage ihres Werkes ihren – mindestens laut deklamierten – Austritt aus der Genossenschaft an. Austritte, die im ersten Affekt gemeldet und vom Ausschuss einige Male auch angenommen wurden, waren allerdings stets Fehlentscheidungen, die die betroffenen Künstler kurz darauf selbst wieder bereut haben. Die erste Beschwerde wegen einer Ablehnung ist bereits unter dem Datum 16. April 1869 notiert; der Betroffene war der Maler Heinrich Schubert.

Die Ausstellungskommission, anfangs sagte man Ausstellungskomitee, hatte keine leichte oder beneidenswerte Aufgabe. Sie musste schon Monate vor der geplanten Ausstellung mit ihren Vorbereitungen beginnen; allgemeine und persönliche Einladungen verschicken, Anfragen und Briefe beantworten, den Bedarf berechnen. Zuerst wurden von den Künstlern nur schriftliche Anmeldungen verlangt, die Werke selbst sollten erst wenige Wochen oder sogar nur Tage vor Ausstellungsbeginn an das Künstlerhaus geschickt werden. Die Anmeldungen dienten als Arbeitsunterlagen der Jury und zur Vorbereitung des Katalogs, der am Tag der Eröffnung bereits gedruckt vorliegen musste.

Waren die Bilder zum Großteil bereits angelangt und die Einteilung fertig, konnte es vorkommen, dass ein Telegramm das Ausbleiben eines oder mehrerer wichtiger Werke ankündigte. Nun hieß es rasch die Ausstellung umhängen, den Katalog korrigieren, die Werke umnummerieren. Die Kataloge wurden anfangs vom Ausstellungskomitee selbst geschrieben, bald jedoch dem Sekretär Karl B. Walz überlassen.

Nicht selten wurde die Ausstellung durch das Temperament eines einzigen unzufriedenen Künstlers gefährdet, der mit der Art der Präsentation seiner Werke nicht einverstanden war. Es gab Künstler, die eigenmächtig ihre Werke entfernten, andere protestierten lautstark. Ein namentlich nicht mehr bekannter Bildhauer hängte in seiner Wut und zum Zeichen seines Protestes gegen die schlechte “Platzierung” seines Werkes einmal sogar die schweren zum Ausstellungssaal führenden Türen aus – möglicherweise handelte es sich um Arthur Strasser. Eine ähnliche Geschichte ist auch von Hans Ca.non überliefert.

Obwohl nach dem Beschluss vom 2. April 1869 außer der Ausstellungskommission niemand Zutritt zu den Sälen während der Vorbereitungsarbeit hatte, kamen doch, außer den besorgten Künstlern manche neugierige Kunstsammler, die man nur schwer hinauskomplimentieren konnte. Die Nervosität vor den Jahresausstellungen war durchaus mit dem Premierenfieber an großen Theatern vergleichbar. Sie steigerte sich, nachdem die Jahresausstellungen an Bedeutung gewannen: nicht nur, dass bei ihnen die meisten Käufe getätigt wurden, es waren praktisch nur die Jahresausstellungen, die vom Kaiser persönlich eröffnet und bei denen die meisten Kunstpreise vergeben wurden.8

In den ersten Jahren bemühte man sich, was die Auswahl der Werke betraf, um Internationalität der Einsendungen; kam aber wegen dem durch die rasch steigende Anmeldungsanzahl hervorgerufenen Platzmangel und auch wegen der von der Genossenschaft getragenen Transportkosten, nach einigen Jahren davon ab. So wurden die Jahresausstellungen nach und nach immer mehr dem lokalen Wiener Schaffen des vergangenen Jahres vorbehalten; große internationale Ausstellungen fanden dann alle vier Jahre statt. Sie informierten über das künstlerische Schaffen des Auslandes und die dortigen Strömungen, waren aber auch Verkaufsausstellungen. Die auswärtigen Einsendungen wurden meist schon von dortigen Kommissionen zusammengestellt, in Wien hatte man auf sie wenig Einfluss. Oft vermisst man heute in den Ausstellungskatalogen den einen oder anderen berühmten Namen. Auf der anderen Seite bringen die Kataloge viele Namen damaliger Größen, die später in Vergessenheit gerieten.

Um möglichst vielen Anmeldungen gerecht zu werden, hat man ab 1874 – also noch im ursprünglichen Künstlerhaus, vor seiner Erweiterung – einige Male die Jahresausstellungen in zwei Teilen nacheinander gezeigt. Etwa Mitte Mai wurden die Bilder ausgewechselt; demzufolge gab es auch zwei Kataloge einer einzigen Ausstellung. Dieser heute eher ungewöhnliche Gedanke der Teilung wurde damals allgemein nicht so empfunden; so gab es auch etwa Eisenbahnzüge, die in zwei Garnituren mit einigen Minuten Zeitabstand geführt wurden, statt den zweiten Zug mit einer neuen Nummer und einem neuen Namen zu versehen.

Die Tages-Öffnungszeiten des Hauses lagen meist zwischen 9.00 und 16.00 Uhr; nur wenige Ausstellungen wurden bis 19.00 Uhr offen gehalten. Man musste sich damals noch nach dem Tageslicht orientieren, weshalb mit Einbruch der Dunkelheit die Ausstellung geschlossen wurde.

Relativ früh begann man deshalb mit Abendausstellungen bei künstlichen Gas- und elektrischem Bogenlicht zu experimentieren, doch nach anfänglicher Begeisterung ließ man davon aus Kostengründen wieder ab. Die Eintritte hatten die damals noch exorbitant hohen Kosten dieser Beleuchtung kaum hereingebracht und auch die Gesamtwirkung der beleuchteten Objekte ließ oft zu wünschen übrig. Erst nach der Erfindung der Glühbirne konnte halbwegs brauchbare Beleuchtung eingeführt werden.

Während der Wintersaison 1868-1869 befand sich die Haus-Warmluftheizung noch nicht in Betrieb, die Säle waren ungeheizt und man blieb im Mantel. Trotzdem entstand schon damals, Mitte Dezember 1868, die ständige “Permanente” Ausstellung und es kam auch zu den ersten Kunstauktionen. Trotz aller pessimistischen Erwartungen erfreute sich die Permanente Ausstellung beim Publikum wachsender Beliebtheit, so dass man schon im März 1869 aus ihrem Ertrag zur Entlastung des Baufonds die ersten Kredite zurückzahlen konnte.

War die Permanente Ausstellung somit unbestritten, so waren es merkwürdigerweise die – meist von fremden Kunsthändlern – durchgeführten Auktionen überhaupt nicht. Es gab Mitglieder, die Versteigerungen als mit der Würde des Künstlerhauses unvereinbar hielten; Kunst durfte man nach ihren Vorstellungen nicht lizitieren. Schließlich behielt aber der Ausschuss recht, die durchgeführten Auktionen brachten eine Belebung des Wiener Kunstlebens.

Als der Kunsthändler P. Kaeser, Bognergasse 2, am 12. Dezember 1868 die Sammlung des Baumeisters Adolph Jos. Bösch versteigerte, meist handelte es sich um französische Zeitgenossen, erschien dazu ein aufwendiger Katalog mit Größenangaben “in franz. Metres und Centres ohne die Rahmen”. In eigenen Künstlerhauskatalogen wurden die Größen leider meist verschwiegen; sie interessierten damals kaum jemanden. Aber Kaeser war Kunsthändler, der seine Bilder auch anzupreisen wusste: “Landschaft mit kleinen reizenden Figürchen”, “von sehr feiner Stimmung”, “von brillanter Farbe”, mit „bewegter Luft von vortrefflicher Wirkung”, “von frappanter Wirklichkeit”.

Nach Möglichkeit sah man allgemein aber von Versteigerungen zeitgenössischer Kunst lebender Künstler ab: das Risiko eines peinlichen Misserfolgs lag hoch, die Möglichkeit einer künstlichen Einflussnahme auf Preissteigerungen durch die betroffenen Künstler selbst ebenso.

Außerdem gab es diesbezüglich auch noch weitere Diskussionen, vor allem, wenn die angebotene Qualität nicht den allgemeinen hochgesteckten Kunstvorstellungen der Mitglieder entsprach. So verlangte man schon in der Monatsversammlung vom 4. Februar 1871 auch für Auktionen die Einführung von Jurys, welche die Qualität der zur Versteigerungen anlangenden Objekte überprüfen sollten. Das Künstlerhaus sollte nicht zu einem “Tandelmarkt” werden.

Die Permanente Ausstellung blieb durch viele Jahrzehnte die wichtigste Ergänzung des periodischen Ausstellungsbetriebs. Anfangs wurden die verkauften Kunstwerke sofort abgenommen und durch neue ersetzt, was eine ständige Veränderung zufolge hatte. Um 1870 wurde ein zweiwöchiger Turnus üblich; ab nun blieben auch die verkauften Werke noch im Haus bis zu der an jeden zweiten Samstag durchgeführten Umhängung in der Ausstellung. Zahlreiche, der damals um zehn Kreuzer verkauften Kataloge dokumentieren den raschen Wechsel der Werke und den großen kommerziellen Erfolg, der sogar den der Jahresausstellungen übertreffen konnte.

In der “Permanenten” wurden alle Kunstwerke zum Verkauf angeboten, die man verkaufen wollte: neben zeitgenössischer Kunst waren es auch alte Meister, oft auch ganze französische oder niederländische Sammlungen. Anbieten konnten auch Private, die ihre Sammlungen verändern wollten, also nicht nur Künstler allein. So konnten etwa Witwen ins Künstlerhaus zurücktragen, was ihre inzwischen verstorbenen Männer dort früher erworben hatten. Oft boten auch Kunsthändler ihre Ware an. In den Permanenten wurden außerdem auch die zu fremden Auktionen angemeldeten Kunstwerke gezeigt. In diesen Ausstellungen konnte man ebenfalls die damals noch häufig entstehenden Kolossalgemälde sehen, soweit es mit ihren Schöpfern nicht zu Sondervereinbarungen gekommen war. Die den Auktionen vorbehaltenen Werke konnten meist drei Tage vor der Versteigerung gratis besichtigt werden, vorher flossen die Ausstellungseintritte der Genossenschaftskassa zu.

Die damals besonders beliebten Kolossal- bzw. Monumentalgemälde – sie dienten zur dekorativen Ausstattung der gerade gebauten zahlreichen Ringstraßengebäude und Paläste – waren fast immer in einem eigenen Saal als Einzelstücke ausgestellt, nicht selten noch mit einem eigenen, separat eingehobenen Eintritt. Oft wurden solche Gemälde zu Sensationen ersten Ranges. Manche Künstler, wie etwa Hans Makart, widmeten anschließend die ganzen Eintrittsgelder der Genossenschaft, andere bestanden an genauester Abrechnung.

Qualitätsunterschiede zwischen den Jahres- und den Permanenten Ausstellungen gab es, zumindest zu Beginn, kaum. Die Werke der ständigen Ausstellungen nahmen allerdings nicht an Kunstpreisverleihungen teil und sie wurden nicht immer vom Kaiser gesehen; dafür übernahm man sie von den Einsendern auf unbestimmte Dauer und stellte sie fast ausschließlich ohne Jurierung aus. Erst nach 1875, im Zusammenhang mit der damals als Folge der sich verschlechterten wirtschaftlichen Lage rückläufigen Kunstankäufe, nahm das Interesse des kaufstarken Publikums an den Permanenten Ausstellungen etwas ab.

Die Preise der Kunstwerke waren relativ hoch, nicht selten entsprach der Wert eines Durchschnittsgemäldes dem Jahresgehalt eines Beamten. Die bildende Kunst wurde von der Allgemeinheit geschätzt und anerkannt, die meisten Künstler schufen nicht am Markt vorbei und nutzten auch die jeweiligen Modeströmungen aus. In der Regel gab sich das Ausstellungskomitee mit den Preisvorstellungen des Schöpfers zufrieden; oft wurden zwei Angaben verlangt, der Katalogpreis und der sogenannte Vertrauenspreis, d. h. der niedrigste Preis, zu dem man beim eventuellen Verkauf nachgeben konnte. Tatsächlich wurde bei den meisten Kunstverkäufen im Künstlerhaus gehandelt, schon allein deshalb weil es üblich war und beiden Seiten womöglich auch Spaß machte. Nur manche Aristokraten, der Kaiser oder die Kronprinzessin zahlten, wenn das Werk gut war, manchmal auch mehr als der Künstler verlangte; sie überzahlten es als Zeichen ihrer Anerkennung. Nur in wenigen Fällen griff das Ausstellungskomitee selbst ein und setzte den verlangten Preis, nach Rücksprache mit dem Künstler, selbst herab oder hinauf. Das Preisniveau der Permanenten Ausstellungen war etwas niedriger als das in den großen Jahresausstellungen. So konnte es vorkommen, dass dasselbe Bild einige Monate später offiziell günstiger zu haben war, wenn es nach der Jahresausstellung im Haus verblieb und im Sommer noch einmal gezeigt wurde. Beide Male lag aber der verlangte Verkaufspreis über der untersten von dem Künstler ursprünglich avisierten Grenze.

Das allgemeine Preisniveau der Kunstwerke von 1868 sank nach der Wirtschaftskrise 1873 und zog dann gegen die Jahrhundertwende wieder stark an. Die einseitig gefärbten Presseangriffe auf das Künstlerhaus nach der Bildung der Secession 1897 brachten Beunruhigung und Verunsicherung unter den Käufern, die an ihrem Geschmack und der Richtigkeit ihrer Ankäufe zu zweifeln begannen. Während des Ersten Weltkriegs stiegen die Preise wieder stark an, was nicht nur durch die damals eingesetzte starke Inflation erklärbar ist. Die Kunst wurde zum ersten Mal in der Geschichte von der kauffreudigen Mittelschicht auch als Wertanlage betrachtet.

Während der wirtschaftlichen Krise der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts sanken dafür die Preise auf einen noch nie da gewesenen Tiefstpunkt und die Werke zeitgenössischer Künstler blieben trotz dieser Preisminderung weitgehend unverkäuflich. Nach dem Anschluss an das deutsche Reich 1938 zogen die Preise, ähnlich wie während des Ersten Weltkriegs wieder stark an, nach 1945 fielen sie neuerlich ins bodenlose. Sie erholten sich erst mit dem steigenden Lebensstandard, ja Wohlstand nach 1970. In den Jahren nach 1980 wurde für zeitgenössische Künstler die zunehmende Einkaufspolitik der öffentlichen Hand besonders wichtig. Die Subventionspolitik wurde sogar zur allerwichtigsten Triebfeder; manche zeitgenössischen Kunstwerke, die von der Allgemeinheit nicht als solche angesehen werden, wären auf dem Privatmarkt unverkäuflich. So entstanden auch Künstler, die ohne Stipendien, Kunstpreise und oft politisch motivierter öffentlicher Aufträge nicht überlebt hätten.

1880 entschloss man sich im Künstlerhaus die erste große retrospektive Themen-Ausstellung zu veranstalten: es war dies die “Historische Porträtsausstellung” mit Werken aus dem Zeitraum von 1680 bis 1840. Sie blieb für längere Zeit die einzige; man sah im Wesentlichen im Künstlerhaus immer noch das Vermittlungshaus der zeitgenössischen bildenden Kunst an. Um diese Zeit wurde auch die Permanente Ausstellung seltener und nach 1890 für mehrere Jahre gar nicht mehr veranstaltet. Einen plausiblen Grund dafür gab es nicht. Erst um 1900 sprach man wieder von einer neuen ständigen Verkaufsgalerie im Künstlerhaus und auch von der Einführung eigener Kunstauktionen zeitgenössischer Kunst. Gezielt sollte auch der Export ins Ausland gefördert werden, vor allem in die USA.9 Einige solche Kunstauktionen mit Werken der Mitglieder veranstaltete ab 1902 C. J. Wawra, doch war man mit den Ergebnissen nicht zufrieden und ließ von ihnen bald wieder ab. Ein ständiger “Verkaufsraum” wurde 1921 eingerichtet.

Die Einsendungen kamen ab 1869 in der Regel auf Kosten der Einsender, egal ob Künstler, seltener Kunsthändler oder Besitzer der Werke. Oft gab es aber Sondervereinbarungen. So übernahm bei besonders wichtigen Werken die Genossenschaft die gesamten Transportkosten. Mit den damals noch vielen einzelnen privaten Eisenbahnverwaltungen gab es Ermäßigungsverträge von etwa 50 %.

Die Transporte waren risikoreicher als heute; sowohl auf der Straße, als auch auf der Bahn gab es oft nur offene Wägen, die bei Regen nur durch Planen(!) verdeckt wurden. Im Großen und Ganzen hielten sich jedoch auf diese Weise entstandene Schäden in Grenzen; schon wegen der schweren goldenen Holzrahmen waren die Kunstwerke stets einzeln in soliden Bretterkisten verpackt. Die meisten Beschädigungen entstanden somit erst während des Aus- und Einpackens. Die Verpackungskisten wurden über die Ausstellungsdauer im Souterrain des Künstlerhauses gelagert. Nachdem die meisten Käufer sie aber nicht haben wollten, nahm ihr Bestand nach und nach zu und es wird im Laufe der Jahre immer wieder von mehreren Entsorgungsaktionen berichtet. Für kleinere Werke gab es bereits damals wiederverwertbare Sammelkisten, Vorgänger der heutigen Container. Für die Transporte sollten in der Regel nicht die eigenen Hausdiener eingesetzt werden; jeder Künstler sollte sich um seine Werke selbst kümmern – das war allerdings ein nur selten erfüllter Wunschgedanke.10 Schon von der Eröffnungs-Ausstellung 1868 blieb im Künstlerhaus nicht nur viel Verpackungsmaterial übrig, sondern sogar auch viele Kunstwerke selbst, an denen die Künstler nach der geschlossenen Ausstellung das Interesse verloren haben.

Interessanterweise war von Anfang an in den Ausstellungen auch die Fotografie vertreten. Nicht immer als ein eigenes Ausstellungsobjekt, öfters als Reproduktion auswärtiger Meisterwerke, die man auf diese Weise dem Publikum zur Kenntnis bringen wollte. Mehrere Fotografen machten solche Aufnahmen in Eigenregie und vertrieben diese auch im Künstlerhaus, die Genossenschaft war am Verkauf mit 5 % beteiligt. Wie in der Monatsversammlung am 3. Februar 1872 berichtet wurde, schlug der russische Hofmaler Siczi der Genossenschaft zur raschen gegenseitigen Information sogar einen regelmäßigen Fotoaustausch vor. Nur anscheinend der Kosten wegen ging man auf diesen ohne Zweifel interessanten Vorschlag nicht ein. Einen wahren Boom solcher Aufnahmen im Visitenkartenformat gab es 1873 anlässlich der Weltausstellung.

Besonders beliebt waren großformatige Fotoreproduktionen der Monumentalgemälde wie etwa von Wereschagin oder Munkacsy. 1882 führte der Vertrieb von Fotografien im Künstlerhaus zu Protesten der Kunsthändler H. O. Miethke und A. Artaria, die darin eine Art unlauteren Wettbewerb sahen. Die Beschwerde blieb ohne Erfolg, da die Fotografien diesmal auch von einem Kunsthändler vertrieben wurden – von C. J. Wawra, der dazu sogar eine eigene Konzession besaß. Wie dann bekannt wurde, hatte der in Paris lebende Kunsthändler Charles Sedelmeyer damals allen Wiener Kunsthändlern den Vertrieb von Fotografien der in seinem Besitz befindlichen und nun im Künstlerhaus ausgestellten Kunstwerke angeboten; nur Wawra ging darauf ein.11 Erst dessen Erfolge hatten den Neid seiner Kollegen geweckt und zur Klagen geführt.

1883 verlangte die Genossenschaft für den Vertrieb von Photographien in ihren Räumen 10 % Provision.12 Interieursaufnahmen des Künstlerhauses für Dokumentationszwecke wurden dagegen kaum gemacht; die ersten solchen erhaltenen Interieur-Aufnahmen stammen von der Weltausstellung 1873, von Künstlerhaus-Räumen erst von der Jubiläumsausstellung 1888.13 Jeder Photograph musste für solche Aufnahmen beim Leitenden Ausschuss um Genehmigung ansuchen.14

Die Ausstellungsarchitektur blieb durch Jahrzehnte fast gleich, ohne besondere Einbauten und aufwendige Spielereien. Die Wände waren meist in dunklen Farben tapeziert, der beste Hintergrund für goldene Rahmen und hellere Gemälde, die an unterhalb des Plafonds eingemauerten Stangen hingen. Nägel oder Haken wurden in die Wände bzw. durch die Tapeten damals keine bzw. nur in den seltensten Fällen getrieben. Die Künstler und „Hängekomitees“ hatten dem Haus gegenüber eine moralische Verantwortung, die Wände sollten wegen kurzfristiger Ausstellungsobjekte nicht beschädigt werden.

Für die Jahresausstellung 1870 wurden zum ersten Mal die Oberlichten durch Baldachinblenden abgeschirmt, wodurch die Saalmitte dunkler und das Tageslicht an den Wänden konzentriert wurde; 1875 errichtete man den ersten richtigen schwebenden Plafond. Türen und sonstige Öffnungen wurden ab der Makartzeit mit schweren Orientteppichen drapiert; Pflanzen, Sessel und Sitzbänke aller Art und Formen ergänzten die Einrichtung.15

Im Jänner 1873 versah man die zum Schutz der Wände unten befindlichen schwarzen Holzsockel mit Pompejanischen Linien. Diese der Mauer vorstehenden Sockel waren wichtig, da an ihnen die zum Hängen vorbereitenden Gemälde problemlos angelehnt werden konnten, ohne dabei weder die Mauer noch die Vergoldung der Rahmen zu beschädigen. Über die Farbe der Stofftapeten war man sich dagegen überhaupt nicht einig und änderte sie oft, meist rot, braun und grün.

Je nach Ausstellung wurden auch die ursprünglich in den Galerien befindlichen offenen Seitenfenster verhängt, oder sogar vollständig durch Platten verdeckt. Für die Abendausstellungen wurden beim elektrischen Licht besondere Blenden angeschafft, das starke Bogenlicht durfte keine Spiegelungen an den Gemälden erzeugen. Nach dem Ende der Ausstellung wurden diese Blenden wieder entfernt.

Neben den eigenen im Künstlerhaus veranstalteten Ausstellungen hatte die Genossenschaft alljährlich auch einige fremde, auswärtige Ausstellungen korporativ beschickt. Schon im Albrecht Dürer Saal auf der Laimgrube wurden für solche Beschickungen Kunstwerke gesammelt. Meist handelte es sich um Ausstellungen deutscher Lokalvereine und Ausstellungen in den Provinzstädten der Monarchie. Mit Ungarn hatte man damit nicht viel Glück; nach einigen Ausstellungen ließ man von weiteren Einsendungen mangels Interesse, hauptsächlich aber mangels Verlässlichkeit der Veranstalter ab. Nach 1872 wurde auch nach Deutschland korporativ nichts mehr geschickt, da die einstigen Umlaufausstellungen unter den einzelnen Vereinen aus der Mode kamen; nicht ganz unschuldig daran dürfte auch die politische Entwicklung gewesen sein. Das Bismarck’sche Berlin des II. Reiches von 1871 begann Wien als Kunstmetropole zu verdrängen. In der Folge waren es dann hauptsächlich die Künstler selbst und die Kunsthändler, die einzelne Kunstwerke ins Ausland schickten.

Als Hauptziel aller Ausstellungen galt der Verkauf. Nur in die österreichischen Provinzstädte wurden Kunstwerke auch als eine Art Bildungsauftrag geschickt. Die Genossenschaft bemühte sich redlich auch den Bewohnern kleinerer Orte die österreichische zeitgenössische Kunst regelmäßig zu zeigen, obwohl man von vornherein wusste, dass hier kein allzu großer finanzieller Gewinn zu machen war. 1869 wurden auf solchen auswärtigen Ausstellungen dennoch zwanzig Werke um 2909 fl. verkauft, 1870 sogar 23 Bilder um 3210 fl.16

1872 kam es zu einem unerfreulichen Konflikt mit dem Kunsthändler Georg Plach, Wieden, Hauptstraße Nr. 60. Im Jänner dieses Jahres ließ Plach durch einen der Genossenschaft fremden Maler mehrere im Künstlerhaus ausgestellte und zur Auktion Gsell angemeldeten Gemälde kopieren: Teutwart Schmitson “Pferde auf der Puszta” und “Pflügende Ochsen” sowie C. Troyon “Ein Weib, Hühner fütternd”, dieses Bild sogar zweimal.17 Das Kopieren alter Meister war damals nichts Ungewöhnliches, jenes von Zeitgenossen aber schon. Der im Künstlerhaus arbeitende Kopist durfte das Missfallen sowohl der Besucher, als auch des Ausschusses erweckt haben, denn Plach wurde am 15. Jänner 1872 das Kopieren in den Künstlerhaussälen untersagt. Plach fügte sich, der Kopist verschwand.

Im Herbst 1872 brachte Plach selbst eine Kollektion von etwa 600 Bildern zur Auktion. Darunter befanden sich auch einige Gemälde der wenige Jahre davor verstorbenen Künstler Carl Rahl und Teutwart Schmitson, deren Echtheit sofort, sogar von mehreren Mitgliedern gleichzeitig, angezweifelt wurde. Das Schaffen beider Künstler hatte man in der Genossenschaft noch in bester Erinnerung. Die Beschuldigungen so schwerwiegend, dass man eine eigene Untersuchungskommission einsetzte. Jedes Werk wurde untersucht und Zeugen befragt.

Die offensichtlichen Fälschungen erwiesen sich so dilettantisch, dass man allgemein die Mitschuld bzw. das Mitwissen Plachs annahm. So war ein angebliches Bild von Carl Rahl, bezeichnet mit “Die Musen”, eindeutig eine Kopie nach Eduard Bitterlich; der Zeuge August Eisenmenger war selbst im Atelier Bitterlichs anwesend, als dieser an der Vorlage gearbeitet hatte. Die Fälschung war in Öl gemalt, das Original in Tempera; es wurde sogar seinerzeit am Titelblatt der Zeitschrift für bildende Kunst von Lützow abgedruckt.

Ein anderes angebliches Gemälde Rahls, “männlicher Studienkopf”, entpuppte sich als eine Arbeit des Akademieschülers Pireck aus der Meisterklasse von Prof. Karl Wurzinger. Nach Plachs Darstellung malte Rahl diesen Kopf im Wettbewerb mit Louis-Gustave Richard (+ 24.1.1873 in Paris). Plach selbst wollte während des interessanten Wettkampfes im Atelier anwesend gewesen sein. Gegen diese Aussage protestierte August Eisenmenger. Nach seiner Erinnerung stand in Rahls Atelier damals ein ganz anderes Modell. Plach blieb trotzdem bei seiner Behauptung, dass er bei dem bereits 15 Jahre zurückliegenden Wettkampf anwesend war; beim Bild könnte es sich allerdings auch um ein anderes gehandelt haben. Jedenfalls hielt er den “bezeichneten Studienkopf für ein sehr schönes Bild, welches auch dem Meister Rahl nicht zur Unehre gereichen würde…”.

Das Bild von T. Schmitson “Heimkehrende Viehherde” blieb beim Ableben des Malers unvollendet und vom Maler Rudolf Huber als solches auch gesehen, obwohl es jetzt vollkommen fertig präsentiert wurde.

Plach wurde vor allem sein Verhalten zu Last gelegt, da er auf Hinweise und Zweifel der Genossenschaftsmitglieder nicht reagiert hatte und stur bis zuletzt Werke als echt bezeichnete, die eindeutig als Fälschungen erkannt wurden. Am 6. Dezember 1872 trat Plach als außerordentliches Mitglied aus der Genossenschaft aus, nachdem der Ausschuss der nächsten Hauptversammlung den Antrag für seinen Ausschluss vorlegen wollte.18

Als im Frühjahr 1885 der Münchner Kunsthändler und Verleger P. Kaeser zusammen mit Plach im Künstlerhaus eine Nachlassauktion des Stadtbaumeisters Adolf J. Bösch veranstalten wollte, wurde dies vom Ausschuss nur unter der Bedingung genehmigt, dass die Auktion Kaeser allein durchführen würde. Kurz darauf, am 26. September 1885, starb Plach 66jährig durch Herzversagen.

Aus dem Jahr 1872 sind die ersten Sparmaßnahmen bei den Ausstellungen der Genossenschaft dokumentiert: die Säle der Jahresausstellung blieben zum ersten Mal ohne Pflanzendekorationen und man verzichtete auch auf das sonst übliche Bankett am Eröffnungstag.19

Die Weltausstellung 1873 brachte trotz vieler Verkäufe ein Defizit von 1500 fl., das nach vielen mühsamen Verhandlungen vom Handelsministerium zur Hälfte übernommen wurde.20

Mit Ende des Jahres 1879 wurde die Provision für verkaufte Kunstwerke von bisher 2,5 % auf 5 % (bei Nichtmitgliedern von 5 auf 7,5 %) hinaufgesetzt. Diese Erhöhung ergab sich aus der neu eingeführten Beteiligung des Sekretärs Walz, dem von nun an die Abwicklung aller Geschäfte oblag.21 In der Hauptversammlung vom 29. November 1905 wurde die Provision auf 6 % bei Mitgliedern, und 15 % bei Nichtmitglieder-Ausländern erhöht; der Satz der Nichtmitglieder-Inländer wurde mit 10 % beziffert. Obwohl man nach dem Zusammenbruch der Monarchie öfters über ein weiteres Hinaufsetzen der Abgabe sprach, führte man am 22. Jänner 1922 nur eine neue Gebühr für die bei den Jahresausstellungen als unverkäuflich bezeichneten Kunstwerke – hauptsächlich Porträts – ein: bei Mitgliedern 8 %, bei Gästen 15 % des Versicherungswertes. Die als unverkäuflich bezeichneten Werke waren meist bereits nicht mehr im Besitz des Künstlers und nahmen den verkäuflichen Arbeiten nur den Platz weg; so empfand man diese Gebühr als gerecht. Sie blieb bis zum 6. Jänner 1943 in Gebrauch und wurde dann abgeschafft.

Am 19. Februar 1926 erhöhte man die allgemeine Verkaufsprovision auf 17 % bei Mitgliedern und 25 % bei Fremden erhöht. Für die in der ständigen Ausstellung verkauften Werke, die praktisch nur mit Werken der Mitglieder bestückt wurden, sollte die Provision einheitlich 20 % betragen; doch nachdem es zu Verrechnungsproblemen und Protesten der Mitglieder kam, ermäßigte die Hauptversammlung vom 23. November 1926 diesen Satz auch auf 17 %. In der Hauptversammlung am 30. März 1927 wurde die Verkaufsabgabe auf 15 % bei Mitgliedern und 20 % bei Gästen weiter ermäßigt. In diesen Jahren der zunehmenden wirtschaftlichen Not zählte jedes Prozent. In vielen diesbezüglichen Debatten schlug man sogar eine Staffelung der Provision nach Objekt und Thema vor, ebenso ob es sich um einen spontanen Ankauf oder um eine Auftragsarbeit handelte. Außerdem fühlten sich die Bildhauer benachteiligt, da ihre Materialkosten wesentlich höher lagen, als jene der Maler.

Am 22. Mai 1930 wurde die Provision neuerlich, auf 12 und 15 %, gesenkt. Gleichzeitig hatte der Leitende Ausschuss zum ersten Mal in die freie Preisbildung eingegriffen: die Preise der in der Ständigen Ausstellung angebotenen Werke sollten stets mindestens um 25 % tiefer liegen, als in den Jahresausstellungen. Die Verkaufsabgabe der Bildhauerarbeiten wurde wegen der hohen Materialkosten zum ersten Mal in der Hauptversammlung vom 29. Mai 1940 begünstigt: ihre Provision sank auf 6-8 % bei Mitgliedern und 8-10 % bei Nichtmitgliedern. Die Malerprovision blieb unverändert bei 12 bzw. 15 %.

Bis zu dieser Zeit gehörten von der Provision 2 % dem jeweiligen Sekretariatsbeamten, der den Verkauf abgeschlossen hatte. Diese Provision wurde zur besseren Betreuung der Kunden 1870 eingeführt und blieb bis 1945 in Gebrauch. Durch Personalwechsel und auch durch abnehmende Verkäufe bedingt, vergaß man auf diese 2 % nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei der Neuregelung der Verkaufsabgabe am 8. Juli 1954 wurden die 2 % für die Angestellten nicht erwähnt; die Provisionshöhe lag für Mitglieder bei 10 % (Maler) und 8 % (Bildhauer), für Fremde 15 % (Maler) und 10 % (Bildhauer). Für alle in den Frühjahrsausstellungen als unverkäuflich bezeichneten Werke musste von nun an wieder eine Abgabe in gleicher Höhe geleistet werden. Die Hauptversammlung vom 3. Dezember 1970 erhöhte die Verkaufsprovision der Maler auf 15 % bzw. 20 %, die der Bildhauer blieb gleich. Nach der Einführung der Mehrwertsteuer – 8 % für Kunstwerke – zahlten die Mitglieder für im Künstlerhaus vermittelte Verkäufe: Maler 15 %, Bildhauer 10 %; fremde Maler 20 %, fremde Bildhauer 15 % vom Bruttoverkaufspreis (inkl. der MwSt.). Obwohl diese Bestimmung nie aufgehoben oder verändert wurde – sie gilt also bis heute – hat sie in der Gegenwart kaum mehr eine Bedeutung: das Künstlerhaus vermittelt keine Verkäufe und sollte einmal ein Künstler in einer der doch zahlreichen Kollektionen etwas direkt verkauft haben, so schweigt er – auch aus Unkenntnis eines Provisionszwangs – darüber.22

Im Frühjahr 1877 wurde man in zunehmendem Maße mit einem unerwarteten Problem konfrontiert: mit der Belästigung der Ausstellungsbesucher durch Bettler vor dem Künstlerhaus. Dass die Ausstellungen von sogenannten besseren Leuten besucht wurden, hatte sich in der Wiener Unterwelt herumgesprochen. Die Folge war eine Belagerung des Künstlerhauses während der Ausstellungen; oft saßen Bettler sogar direkt auf den Eingangsstufen und sie konnten nur schwer zur Verlegung ihrer “Arbeitsplätze” bewegt werden. Die Belästigung änderte sich je nach der Jahreszeit und der Wetterlage, Einfluss hatten auch die Besucherzahlen des Künstlerhauses.23 Daneben versuchten auch Obstverkäufer vom nahen Naschmarkt ihr Glück. Irgendwie wurde man aber doch Herr der Lage, da in den folgenden Jahren diesbezüglich keine Klagen mehr geführt werden.

Das ungebetene Publikum tauchte erst wieder zu einer ganz anderen Zeit viel später, gegen Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg, auf. Der Platz vor dem Künstlerhaus mit dem Resselpark wurde durch die allgemeine Not zum beliebten Schwarzmarkt. Die Lebensmittel waren rationiert, was viele hier tätigen Schleichhändler entstehen ließ. Polizeirazzien standen an der Tagesordnung. Als sich dann die Wirtschaftslage besserte und der Schwarzmarkt verschwand, kamen um 1960 die jugendlichen “Pilzköpfe”, meist Schüler der benachbarten Handelsakademie, aber immer noch im weißen Hemd, mit Sakko und Krawatte, die sich gerne in den Gartenanlagen des Künstlerhauses tummelten. Zeitweise gab es mit diesen Schülern kleine Differenzen; die Jugendlichen gehörten aber andererseits auch zu willkommenen Stamm-Tageskunden der Gastronomie im Souterrain, die sich an ihnen orientierte.

Nach der Inbetriebnahme der U-Bahn tauchten um 1980 erste Drogensüchtige auf und nach 1989 Straßenmusiker und Bettler, die das Leben der Anrainer erschwerten.

Im März 1878 wurde im Künstlerhaus das Monumentalgemälde Hans Makarts “Einzug Karl V. in Antwerpen im Jahre 1520″ ausgestellt. Die Präsentation wurde ebenfalls zu einer der damals doch noch häufigen Kunstsensationen; innerhalb weniger Wochen sahen das Gemälde 23 000 Besucher. Nur einer der damaligen Kunstkritiker konnte sich giftige Worte nicht ersparen, die allerdings solch einem Giganten, wie es Makart war, nichts anhaben konnten.24 Interessanter, jedoch im Grunde überflüssig war der damals ausgebrochene Streit unter den Gelehrten, ob die Jungfrauen, die den einziehenden Kaiser begleitet hatten, ganz, gar nicht oder nur teilweise bekleidet gewesen waren. Zitiert wurde damals der Zeuge Albrecht Dürer und man suchte auch nach anderen Zeitgenossen. Dass Makart seine Jungfrauen nur mit durchsichtigen Schleiern versah, die ihre Formen kaum verdeckten, wurde ihm von manchen Moralaposteln übelgenommen. Doch das tat nur dem Bild gut, sein Ruhm stieg.25 Rückblickend ist es für uns heute fast unverständlich, über welche Probleme und Kunstfragen man damals auch die heftigsten Diskussionen hatte führen können. Zur gleichen Zeit dieses Makartskandals gab es etwa in Hamburg Debatten über ein künftiges Lessing-Denkmal. Eine der wichtigsten Streitfragen war, ob man den großen Lessing überhaupt sitzend darstellen darf.

Anlässlich der internationalen Ausstellung 1882, für die man das Künstlerhaus um neue Säle bedeutend erweiterte, wurde zum ersten Mal ein illustrierter Katalog herausgegeben. Bei der Eröffnung am 1. April 1882 war er allerdings nicht fertig, eine noch nie vorgekommene Begebenheit. Als Trostpflaster diente ein kleiner Sonderkatalog der französischen Abteilung. Die Illustrationen für den großen Hauptkatalog wurden nach Vorlagen in den verschiedensten Techniken gemacht und in mehreren Größen, das brauchte seine Zeit. Als Einsendeschluss der Vorlagen galt der 20. März, doch die zur Ausstellungseröffnung verbliebenen zehn Tage erwiesen sich für die Herstellung dann doch als zu kurz. Die Hauptschuld am verspäteten Erscheinen trugen die einzelnen Landeskommissionen, welche die Druckvorlagen zu spät abgeliefert hatten.

Den Katalog 1882 gab es schließlich in drei Ausführungen: eine illustrierte Ausgabe mit Titelbild von Hans Makart, eine nicht illustrierte Ausgabe in zwei Auflagen mit Titelbild von Hugo Ströhl sowie den bereits erwähnten kleineren Katalog der Französischen Abteilung in französisch. Das Titelbild von Hans Makart befand sich vergrößert auch am Plakat; soweit bekannt, dem ersten grafisch gestalteten Plakat zu einer Ausstellung des Künstlerhauses überhaupt! Gedruckt wurde damals in einer Auflage von 3000 Stück.

Die einzelnen fremden Abteilungen der internationalen Ausstellung arrangierten die Landeskommissionen selbst. Die Belgier waren bis zur Eröffnung nicht fertig, da ein Monumentalgemälde von Louis Gallait nicht rechtzeitig eintraf. Es kam erst zwei Tage nach der Eröffnung spätabends am Westbahnhof an; am folgenden Tag sollte der Kronprinz Erzherzog Rudolf und die aus Belgien stammende Kronprinzessin die Ausstellung besuchen!

Die Belgier, vier Kommissäre und drei belgische Arbeiter, denen etwa zehn Wiener Arbeiter zur Seite standen, entschlossen sich das Gemälde noch in der Nacht aufzustellen. Beim Hochziehen des schweren Bildes brach jedoch ein Mauerhaken, das Gemälde fiel herunter und wurde an zwei Stellen bedeutend beschädigt. In der Früh wurde der Maler Josef Brunner um Hilfe gebeten, der dann die beschädigten Stellen so gut es ging, provisorisch, aber doch mit gutem Erfolg rasch reparierte. Da die Belgier sich an ein neuerliches Hängen nicht mehr wagten, wurde das Gemälde unter der Leitung des Architekten Andreas Streit untersucht, der Rahmen und die Wand verstärkt und innerhalb einer Stunde, immerhin noch rechtzeitig vor dem hohen Besuch, aufgehängt.

Die Angelegenheit hatte aber noch ein Nachspiel. Am 19. Mai 1883 berichtete der damalige Botschafter in Brüssel, Bohuslaw Graf Chotek dem Wiener Bürgermeister Eduard Uhl, dass die Belgier Angst vor Wiener Ausstellungen hätten, nachdem in Wien das berühmte Gemälde “Die Pest von Tournai 1092″ von Louis Gallait durch Wiener Ausstellungsmacher beschädigt worden war. Die belgischen Anschuldigungen der Genossenschaft arteten sogar in eine Art Hysterie aus, und man kündigte an, künftig nach Wien nur noch Fotografien der in Brüssel zurückbehaltenen Originale senden zu wollen. Diese Berichte wurden ungeprüft auch von einigen Wiener Journalen abgedruckt. Das Gemälde war wirklich ein Prunkstück, 920 cm breit und 626 cm hoch, Eigentum des königlich belgischen Staatsmuseums. Doch die Schuld an den Beschädigungen der Wiener Genossenschaft zuschieben zu wollen, das war ungerecht, waren es doch die Belgier selbst, die versucht hatten es aufzuhängen.26

Im Dezember 1882 wurden im Künstlerhaus wertvolle niederländische Tapeten und Gobelins aus dem Besitz des Kaiserhauses ausgestellt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Genossenschaft wurden vorsichtshalber zu ihrer Bewachung zwei Polizisten angefordert, die im Künstlerhaus auch die ganze Nacht verbrachten.27 Den Reinertrag dieser Ausstellung übermittelte man den Opfern einer katastrophalen Überschwemmung in Tirol und in Kärnten. Die Gobelinausstellung erwies sich vor allem für Fachleute als eine Sensation; auf Kosten der französischen Regierung reiste zu ihr sogar der Direktor der Pariser Gobelinfabrik Alfred Darcel an.

Im Winter 1883-1884 wurde ein Wettbewerb für ein ständiges Künstlerhausplakat ausgeschrieben; Anfang Februar 1884 wurde einen gemeinsamen Entwurf von Julius Schmid und Leopold Theyer angenommen. Pro Jahr verbrauchte man damals an die zwei tausend Plakate. Im Oktober 1884 wurde Conrad Grefe mit dem mehrfarbigen Druck von 5000 Plakaten ohne Schrift betraut; Liefertermin war Ende Februar 1885. Diese Bild-Plakate verwendete man anschließend durch mehrere Jahre, jeweils mit aktuellen Ankündigungen. Es sind zwei Bildversionen bekannt: die ursprüngliche mit der allegorischen Renaissancegestalt und Künstlerhaus rechts unten, sowie mit einem zusätzlichen Fries mit Wien-Wappen rechts oben.

Anlässlich der Jahresausstellung 1884 kam es zum ersten öffentlichen Auftreten der späteren Secessionisten: Rudolf von Ottenfeld und Arthur Strasser legten unter der Statue “Ergebenheit” des Prager Bildhauers Josef Myslbek einen Lorbeerkranz. Im Interesse anderer Aussteller konnte der Ausschuss so eine Demonstration nicht dulden; es handelte sich außerdem um keine offiziell zuerkannte Auszeichnung. In der Sitzung vom 7. April 1884 wurde beschlossen den Kranz ohne viel Aufsehen abzunehmen und ihn Ottenfeld und Strasser zurückzugeben. Keiner von ihnen war damals Mitglied der Genossenschaft: Strasser wurde es 1886, Ottenfeld 1887; Myslbek, der in Prag arbeitete, war es nie. Die Statue wurde zwei Jahre später noch einmal im Künstlerhaus ausgestellt, diesmal in einer Marmorausführung.

Anfang November 1885 kam es anlässlich einer Kollektion des russischen Malers Wereschagin zu Protesten der katholischen Kirche gegen zwei der ausgestellten Gemälde. Wereschagin war schon 1881 mit einer Kollektion aus dem russisch-türkischen Krieg im Künstlerhaus vertreten, die ein besonderes Echo hatte; unter dem zahlreichen Publikum befand sich damals auch der junge Alfred Hermann Fried, der von dem Gesehenen so tief beeindruckt, ja erschüttert war, dass er sich mit Friedensfragen zu beschäftigen begann und 1911 den Friedensnobelpreis erhielt. 1885 gab es jedoch einen Skandal mit Konsequenzen. Wereschagin präsentierte unter seinen Orientbildern auch zwei historisierende Werke aus dem Heiligen Land: “Die heilige Familie”, Kat. Nr. 77, und “Die Auferstehung Christi”, Kat. Nr. 82. Nach Ansicht des Fürsterzbischofs Kardinal Cölestin Josef Ganglbauer handelte es sich bei diesen beiden Gemälden um wahre Gotteslästerungen, gegen die man vorzugehen hatte.

Das eine Bild stellte Jesus als den erstgeborenen Sohn einer mit Kindern reich gesegneten orientalischen Familie dar; das Gemälde die “Auferstehung” zeigte Christus als einen vom Scheintod erwachten, aus einer Öffnung der Grabeshöhle nach einer ungestörten Fluchtmöglichkeit hervorspähenden Mann. Wereschagin spielte hier in seiner Darstellung an alte jüdische Überlieferungen an, wonach Jesus Christus nach der Auferstehung nach Galiläa gegangen war, dort später verstorben und in Safed bestattet wurde.

Das Bild “Die heilige Familie” basierte auf mehreren Zitaten aus Lucas, Matthäus, Marcus, Paulus und Johannes, wonach Jesus tatsächlich noch mehrere Geschwister hatte; ja es sollte sogar bis in die Neuzeit in Palästina Familien gegeben haben, die ihren Ursprung von diesen Geschwistern tradierten. Am Gemälde dargestellt war der im Hofraum eines Hauses mit Hilfe eines Gesellen an einer Hobelbank arbeitende Josef, bereits alt und weißhaarig. Zwei halbwüchsige Jungen und ein Mädchen treiben sich herum. Auf den Stufen einer Treppe sitzt Jesus als Jüngling, vertieft in das Lesen einer Schriftrolle. Im Hintergrund sitzt auf einer Matte die Mutter Maria, ein weiteres Kind säugend.

Hätte Wereschagin im Katalog als Bildtitel “Interieur eines Hauses in Nazareth” gesetzt, wäre es Niemandem eingefallen, sich über dieses Bild aufzuregen. Kardinal Ganglbauer verfiel nun aber auf den unglücklichen Gedanken, seinen Protest gegen die Darstellung der Jesusfamilie durch das Diözesanblatt und durch weitere der Kirche nahestehenden Zeitungen zu veröffentlichen. Eine Tat, die wie in ähnlichen Fällen fast natürlich ganz andere Wirkung hatte, als sich das der Empörte vorstellte. Die Genossenschaft und Wereschagin bekamen eine hervorragende kostenlose Werbung und die angeprangerten Gemälde wurden umso aufmerksamer betrachtet, wie Korrespondenten zahlreicher Tageszeitungen bissig zu berichten wussten, auch von Scharen geistlicher Herren.

Protestiert haben auch deutschnationale Kreise, allen voran der Bürgermeister des damals noch selbständigen Ottakrings, dem der angeblich jüdische Gesichtsausdruck Christi nicht gefiel. Der Bürgermeister Zagórski warb dabei gleichzeitig umso mehr um eine in Ottakring projektierte Rudolfskirche. Man veranstaltete Sühnandachten, feierte Sühnungsmessen, opferte gemeinsame Sühnungskommunionen, nur um dem göttlichen Heiland und seiner jungfräulichen Mutter die erlittene Schmach abzubitten.

Noch vor dem Ausstellungsende wurden von einem Bilderstürmer vier Gemälde beschädigt: “Höhle von Endor”, “Kuppel der Grabeskirche” sowie die beiden heftig umstrittenen “Auferstehung Christi” und “Heilige Familie”. Ein Unbekannter spritzte eine ätzende Flüssigkeit gegen die Bilder; allerdings zum Glück ohne viel Schaden anzurichten. Die meisten Flüssigkeitsspuren fanden sich an den Rahmen und an der neben den Gemälden befindlichen Draperie.

Einige Tage davor versuchte schon ein Mann die im Künstlerhaus befindlichen Besucher zur gemeinsamen Vernichtung der Bilder aufzuhetzen, was ihm, da er selbst nicht zur Tat schritt, nicht gelingen wollte. Außer den Aufsehern befand sich in der Ausstellung auch der Sekretär Walz; seine Worte beruhigten die Stimmung. Die Ausstellung ging anschließend nach Budapest, dort wurden jedoch jene, die Wiener Katholiken so aufregenden Gemälde nicht ausgestellt.28

Wereschagin wurde vertraglich zugesichert, dass während seiner Ausstellung im Künstlerhaus keine weitere Ausstellung stattfinden durfte, obwohl man für sie noch Räume gehabt hätte. So wurde auch ein Ausstellungsprojekt zunächst verschoben und schließlich fallen gelassen, das ursprünglich interessant zu werden versprach; im Juni 1885 schlug der Ausschuss unter August Schaeffer die Veranstaltung einer Ausstellung der Schlösser und Landsitze Österreichs vor, also einer Landschafts- und Architekturausstellung der oberen Kreise.

Dafür kam es 1886 zu einer Ausstellung, die einen neuen, frischen und jugendlichen Zug in die sonst eher schweren Gemäldeausstellungen brachte: die erste Präsentation der kurz davor gegründeten Aquarellisten-Vereinigung der Genossenschaft. Die Aquarelle – sie wurden in dieser Menge geschlossen im Künstlerhaus noch nie gezeigt – stießen von Beginn an auf Bewunderung, ja Begeisterung des Publikums. Bisher hatte man Aquarelle und Zeichnungen in KünstlerKreisen kaum als “fertige” Kunstwerke angesehen; die meisten dienten ja wirklich nur als Skizzen und Studien für erst später anzufertigende Gemälde. Es gab außerdem nur wenige Künstler, die sich ohne Vorbehalt ausschließlich dem Aquarell widmeten, wie etwa die Dynastien Ender, Alt oder Kriehuber.

Die internationale und gleichzeitige Jubiläums-Ausstellung 1888 hätte wegen einer ungenügend abgesicherten Planung beinahe mit einer ebenfalls internationalen Ausstellung in München zeitlich kollidiert. Erst durch späte Verhandlungen mit der Münchner Künstlergenossenschaft konnte man die Termine doch noch koordinieren und eine Überschneidung vermeiden. Das weniger um des Publikums willen, sondern hauptsächlich um der Künstler selbst. Allgemein war man immer bestrebt, zu den bedeutenden Ausstellungen stets nur das Beste einzuschicken. Werke, die im Wiener Künstlerhaus nicht verkauft wurden, mussten noch Chance haben, rechtzeitig nach München zu kommen. Die Verhandlungen gelangen; sowohl die Wiener, als auch ihre Münchner Kollegen waren mit dem Zeitplan schließlich zufrieden. Die Zeit wurde allerdings knapp; nur wenige Stunden blieben Eugen Felix zum Abfertigen des Transports vom Künstlerhaus.29

Die Werbung dieser Zeit wurde großgeschrieben: Plakate der Internationalen Ausstellung 1888 hingen schon vor ihrer Eröffnung in 50 Städten der Monarchie, ja sogar in den Schlafwaggons der Internationalen Schlafwagen-Gesellschaft. Da kam unerwartet eine Hiobsbotschaft: die Franzosen beteiligen sich nicht. Ihre Absage hatte politische Hintergründe, sie war ein Racheakt für das durch die österreichisch-ungarische Regierung angekündigte Fernbleiben von der Pariser Weltausstellung 1889. Diese Entscheidung revidierten die Franzosen nicht, erfolglos blieb auch eine persönliche Intervention von Eugen Felix in Paris.

Doch der große Französische Saal von 1882 blieb nicht leer. Die Anmeldungen aus anderen Ländern waren so zahlreich, dass die fehlende Präsenz der Franzosen kaum ins Gewicht fiel. Ja im Gegenteil, wieder einmal wurde das Künstlerhaus zu klein. Als nämlich recht verspätet noch eine kollektive Anmeldung der belgischen Künstler kam, mit deren Teilnahme man eigentlich gar nicht rechnete, musste man sich, wie schon einige Male vorher, mit einem Holzzubau im rechten Vorgarten aushelfen30. Die Kosten für diesen Notzubau trugen die Belgier selbst. So wurde die internationale Jubiläums-Ausstellung 1888 trotz des französischen Boykotts zu einem glanzvollen Ereignis.31

Nach Ende der Jubiläumsausstellung wurde die neueröffnete Permanente Ausstellung ins Parterre, in die bisherigen Kasinolokalitäten verlegt. Man sah von der Einhebung eines Eintritts ab, die Ausstellung wurde frei zugänglich, hatte aber keinen Katalog mehr. Die Preise und Bildbeschreibungen wurden direkt am Kunstwerk befestigt bzw. bei Plastiken gleich in der Nähe32 – damals noch seltene Orientierungshilfe. Meist beschränkte man sich zu dieser Zeit nur auf Ausstellungsnummern.

Der tragische Tod des Kronprinzen Erzherzog Rudolf Ende Jänner 1889 in Mayerling führte zur Absage der traditionellen Gschnasfeste und auch die folgende Jahresausstellung wurde ohne jede Feierlichkeit eröffnet. Der Kaiser, der auch deswegen der Eröffnung ferngeblieben war, besuchte sie einige Tage später privat. Als im Oktober 1890 der Kaiser die im Prater befindliche Allgemeine Land- und forstwirtschaftliche Ausstellung besuchen sollte, wurde vor seinem Eintreffen durch die Ausstellungskommission ein Porträt des Kronprinzen entfernt und nach dem Besuch wieder aufgehängt. Die Genossenschaft fand solch eine Rücksichtnahme auf die Gefühle des Kaisers maßlos übertrieben.33

Anlässlich dieser Ausstellung gab es eine politische Neuheit: das Ausstellungskomitee hielt es “im Interesse der allgemeinen Sicherheit” für geboten, die Arbeit am ganzen Ausstellungsgelände am ersten Mai 1890 ruhen zu lassen.

Bisher wurden zu allen Ausstellungen nur Textplakate affichiert; die einzigen bildlichen Plakate waren das ständige von Julius Schmid/Leopold Theyer/Conrad Grefe vom Februar 1884, das man einige Male mit einem neuen Text versah34 und das Makart’sche von 1882. Im Dezember 1891 schlug Eduard Veith die Schaffung eines neuen Bild-Plakats vor; er war sogar für stets neue bildliche Plakate zu jeder großen Ausstellung. Durch diese Vielfalt sollte das Publikum auf das Künstlerhaus besser aufmerksam gemacht werden.35 Der Ausschuss war mit Veith einer Meinung, dass die Werbung dadurch tatsächlich verbessert werden könnte. Aus Zeitmangel sollte Veith gleich selbst für die Jahresausstellung entsprechende Entwürfe machen. Für spätere Ausstellungen hätte man immer noch Zeit, die allseits gewünschten Wettbewerbe auszuschreiben.

Ob Veith die Skizzen lieferte, ist nicht bekannt; jedenfalls wurde für die Jahresausstellung wieder nur ein Textplakat gedruckt. Das erste bildliche Plakat von Veith stammt erst von der III. internationalen Ausstellung, die ursprünglich für 1893 vorgesehen war und mit Rücksicht auf die im gleichen Jahr stattfindende Weltausstellung in Chicago auf 1894 verschoben wurde. Das Plakat stellt eine sitzende Muse mit Flügeln dar; kaum verändert wurde es auch am Katalogeinband verwendet. Vom Historismusstil des alten ständigen Plakats blieb nichts übrig, die schwere Renaissance wurde vom aufgehenden Jugendstil verdrängt.

Anlässlich dieser “III. internationalen Kunstausstellung” 1894 kam es zu Erscheinungen, die als Prolog der kommenden unheilvollen Ereignisse angesehen werden können. Frankreich sagte diesmal seine Beteiligung zu, doch plötzlich entstanden Probleme, wo man sie am allerwenigsten erwartet hätte: in Deutschland. Zwei Künstlerorganisationen, der “Verein bildender Künstler Münchens, Secession” und die “Freie Vereinigung Düsseldorfer Künstler” sagten ihre Teilnahme ab, nachdem sie wegen ihrer geplanten Beteiligung an der Wiener Ausstellung in Konflikt mit dem Hauptvorstand der “Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft” geraten waren.

In Wien bedeutete diese Absage vorerst einen Schock; man wollte ja das gesamte deutsche Kunstschaffen geschlossen präsentieren. Doch dann wurde eine eigene Ausstellung dieser Vereine nach der III. Internationalen vereinbart. So glätteten sich die aufgebrachten Wogen rasch wieder und man nahm im Künstlerhaus von den deutschen Spaltungen kaum mehr Notiz.

Trotzdem stand die III. Internationale unter keinem günstigen Stern; allgemeine Klagen über schlechte Platzierung und unvorteilhafte Raumzuteilungen ganzer Gruppen waren diesmal besonders zahlreich. Auch finanziell brachte die Ausstellung ein Defizit von elf tausend Gulden. Die Hauptursache aller Probleme lag in stagnierenden Besucherzahlen; gegenüber der Ausstellung von 1888 kam 1894 nur etwa die Hälfte des zahlenden Publikums. Am Genossenschaftsbudget konnten die diesmal höheren Verkäufe – sie stiegen von 168 000 auf 210 000 fl. – nichts ändern, denn die Verkaufsprovision im Künstlerhaus war nach wie vor äußerst gering.

Die Bekanntgabe des Defizits, das damals für die Genossenschaft keine besondere Katastrophe war, verursachte unter den Mitgliedern und in der Presse allerdings doch gewisse Aufregung. Sie war übertrieben und unnötig;36 man muss sie aber als ein Vorzeichen der kommenden Wiener Spannungen und Künstlerspaltungen sehen. Meinung prallte auf Meinung, zahlreiche Künstler meldeten sich selbst zu Wort, andere wurden von den Journalisten aufgesucht und befragt. All diese Wortmeldungen wurden ungeprüft von der Presse übernommen und verbreitet.

Die Ausstellung wurde vom Staat, wie üblich, nicht subventioniert, der Abgang wurde durch den Beitritt der “Frauen Wiens” als Stifter gedeckt. Für die Genossenschaft publizistisch unangenehm war allerdings, dass man gleichzeitig das 25jährige Bestandsjubiläum des Hauses beging. Das und der Umstand, dass die Genossenschaft von den “Frauen Wiens” eine kunstvoll gestickte Künstlerfahne im alten Stil des Historismus erhielt, gab der Presse noch Anlass zu manchem Spott.

Das allgemeine Kunstempfinden und die Anforderungen an die bildenden Künste haben sich in den neunziger Jahren stark verändert. 1893 wurden die zur Ausstellung angemeldeten Fotoreproduktionen der Gemälde von Arnold Böcklin abgelehnt;37 noch vor kurzem war die Präsentation von Fotografien durchaus üblich. Jetzt wurden Fotografien nur als Ergänzung der Ausstellung im didaktischen Sinn verstanden, so etwa bei der Wereschagin-Ausstellung 1897.

Unter dem Titel „Im Sommer“ war im Saal XXIV der III. internationalen Kunstausstellung das Bild der nackten Kirschenpflückerin von Josef Engelhart ausgestellt, das im Vorjahr durch die Ablehnung der Aquarellistenjury viel Aufsehen erweckte. Das Bild ging anschließend von Wien zu der Kunst-Ausstellung des „Vereins bildender Künstler Münchens Secession“ an der Prinzregentenstraße, wo es durch den die Moderne sammelnden Grafen Denes Andrassy angekauft wurde. Nach dessen Tod heiratete die Witwe den in Budapest lebenden Grafen Gyula Andrassy; die Kunstsammlung des Verstorbenen kam von München mit. 1909 wurde das Pastell schon unter dem heute bekannteren Namen „Kirschenpflückerin“ in der Engelhart-Ausstellung der Wiener Secession als Privatleihgabe ausgestellt und im Katalog auf S. 33 auch neuerlich abgebildet. Nach den neuesten Forschungen der Budapester Kunsthistorikerin Mag. Kata Bodor wurde das Bild 1919 durch umherziehende plündernde Banden im Schloss der Grafen Gyula Andrassy Tiszadob zusammen mit weiterem Inventar vernichtet.38

1894 wurde ein sogenannter Firnistag eingeführt, eine – ein bis zwei Tage vor der offiziellen Eröffnung stattfindende – Präsentation der Ausstellung für Journalisten und ausgewählte Gäste. Bisher wurden alle Ausstellungsräume des Künstlerhauses bis zu der offiziellen Eröffnung für jedermann nach Möglichkeit geheim gehalten.

Diese “Jour de vernissage”, die in Paris seit längerer Zeit üblich war, hatte mit den modernen Pressekonferenzen nichts gemeinsam. Es handelte sich um eine Vorbesichtigung durch für die Genossenschaft wichtige Persönlichkeiten. Dies waren neben Journalisten hauptsächlich Kunstsammler, deren bisher spontanen Besuche man dadurch zusammenfassen wollte. Gewünschte Fachinformationen erteilten die in der Ausstellung befindlichen Künstler. Der Firnistag wurde in der Folge zu einem Treffen der Fachleute, die darauffolgende Ausstellungseröffnung zu einem gesellschaftlichen Ereignis. Kataloge gab es üblicherweise erst bei der Eröffnung. Etwa ab 1898 wurde der Firnistag auch von der Pressebesichtigung getrennt, so dass man schon zwei Vorbesichtigungen hatte: für Käufer und für Journalisten.

Am Abend des offiziellen Eröffnungstages der Jahres-, Jubiläums- oder der Internationalen Ausstellungen wurde traditionell im Künstlerhaus oder in einem naheliegenden Ringstraßenhotel ein Festbankett veranstaltet. Prominente auswärtige Aussteller oder wichtige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wurden von der Genossenschaft eingeladen; sonstige Mitglieder mussten sich ihr Menü selbst zahlen. Das war nicht gerade billig, meist um 1,50 fl., manchmal aber sogar fünf oder zehn Gulden. Nur in einigen wenigen Jahren, wo man besonders sparen wollte, blieb dieses Bankett aus. 1899 erhielten die Pressereferenten zum ersten Mal in der Geschichte der Genossenschaft ein freies Buffet.39

Die Ausstellungsarchitektur wurde gegen die Jahrhundertwende freundlicher; die bisher überwiegend dunklen Stoffe und Tapeten wurden zum ersten Mal anlässlich der Ausstellung der Münchner Secession und der Düsseldorfer Vereinigung sowie der folgenden Aquarellistenausstellung 1895 mit weißem Stoff überzogen. Die Bilder hingen nur mehr in einer, maximal zwei Reihen übereinander. Schon im Jänner 1894 sprach man vom weißen Velum – worunter man eine helle, dünne Textildecke unter den Oberlichten verstand, die Streulicht durchließ.40

Die Aquarellistenausstellung 1898, gestaltet von Joseph Urban und Heinrich Lefler, protzte durch besonders aufwendige Jugendstilarchitektur: die Wände waren durch leichte, helle Holzrahmen mit hellgrauem Stoff unterteilt. Dieser Stil hielt sich dann über mehrere Jahre, wobei die Einbauten der Aquarellisten- und Hagenbundausstellungen von der Jahresausstellung oft übernommen wurden.41 Nach der Jahrhundertwende wurde man im Künstlerhaus mit Ausstellungseinbauten allerdings wieder sparsamer; sie kosteten viel Geld, das man sinnvoller ausgeben wollte. Trotzdem blieben die Ausstellungen auch später bereits hell und leicht, was auch vom Kaiser Franz Josef mit Wohlwollen konstatiert wurde.42

Bestärkt wurde man in dieser Auffassung durch die Erfahrungen und Kritik der Österreichischen Abteilung in der Pariser Weltausstellung 1900.43 Während die Franzosen ihre Kunstausstellung traditionell eingerichtet hatten, wirkten die Räume der Österreicher ausgesprochen secessionistisch kahl: sie stießen dadurch nicht nur bei der Pariser Bevölkerung auf wenig Verständnis. Die Räume wirkten ungewöhnlich leer und unfertig; die heftige Diskussion darüber führte in der Folge zum Austritt des Hagenbundes aus der Genossenschaft.44

1902 experimentierte man im belgischen und spanischen Saal, um bessere Lichtverhältnisse herauszufinden, wieder mit den Baldachinen; sie wurden versuchsweise auch asymmetrisch zu einer Seite geschoben.

1904 wurden die Wände wieder dunkler; anlässlich der Ausstellung eines großen Bildes konnte Albin Egger-Lienz selbst die Wandfarbe bestimmen, er wählte weiß.

1909 wurden die ersten Wände mit Jute bespannt, 1913 waren schon fast alle Parterreräume mit Jute überzogen.

Die von der Secession propagierte teurere Ausstellungsarchitektur als ein Gesamtkunstwerk zum Nachteil einzelner Künstler wurde im Künstlerhaus nur in ganz wenigen Fällen durchgezogen. Die überwiegende allgemeine Meinung der Mitglieder war, dass durch die aufwendige Ausstellungsarchitektur jedes einzelne Kunstwerk, sei es Bild oder Plastik, an eigener Wirkung verliert. Die betonte Architektur erreichte gerade das Gegenteil davon, was sie bezweckte; sie wurde zum – wenn auch temporären – Kunstwerk, während die Werke, die sie präsentieren sollte, zum Nachteil der Künstler in den Hintergrund gedrängt wurden.

In der Genossenschaft stand stets die Künstlerpräsentation im Vordergrund aller Bestrebungen; Verkäufe und Werbung für alle Künstler waren die wichtigsten Ziele. So gesehen hatten damals die der Secession nahe stehenden Kritiker durchaus recht, wenn sie vom Künstlerhaus als einer “Markthalle” sprachen. Eine “Markthalle” zu sein, also zu verkaufen, die Kunst unter das Volk zu bringen und gleichzeitig ihre Schöpfer zu ernähren, war eine der wichtigsten Hauptaufgaben der Genossenschaft.

Nach der Rückkehr des Sekretärs Klobasser aus Berlin im Dezember 1897 begann man im Künstlerhaus regelrecht zu “amtieren”. Ob Klobasser diesen preußischen Stil in Berlin kennenlernte und nach Wien brachte, ist ungewiss; Tatsache ist, das der Ausschuss von nun an kaum etwas dem Zufall überließ, vor allem die Eröffnungen wurden zu einem Staatsakt ersten Ranges. Man legte die Gehordnung des Kaisers am Plan vorher genau fest und machte sogar eine Generalprobe, d.h. man ging die empfohlene Strecke tatsächlich mit einer Uhr in der Hand durch.

Für die Weltausstellung 1904 in St. Louis wurden die Kunstwerke vor ihrem Verpacken im Künstlerhaus genau so aufgestellt, wie sie dann in Amerika montiert werden sollten.

Ab 1898 wurde es üblich, die an Sonn- und Feiertagen ohnehin schon ermäßigten Eintritte sozial schwächeren Gruppen voll zu erlassen. Anlässlich des 50jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers erhielten am 2. Dezember 1898 alle Schüler Wiens freien Eintritt.

1903 plante die Genossenschaft eine Ausstellung mit dem Titel “Die Kunst auf der Straße”. Es handelte sich nicht nur um Plakate, die schon 1897 im Künstlerhaus zu sehen waren, sondern um künstlerische Gestaltung aller Reklametafeln, Aushängeschilder und der Schaufenster. Die Ausstellung wurde mit viel Druck vorbereitet und um Mitarbeit wurden auch Privatfirmen ersucht. Doch das Projekt stieß bei den Kaufleuten selbst unerwartet auf solches Desinteresse, dass man die für Oktober und November 1903 geplante Ausstellung mangels Exponaten absagen musste.45 Die erwähnte Plakatausstellung vom 1.2.1897-21.2.1897 unter dem Titel „Placate. Die Kunst auf der Straße“ war eine große Sammlung zeitgenössischer internationaler Plakate, die im Deutschen Saal gezeigt wurde. Unter den etwa 300 ausgestellten Stücken befanden sich die bedeutendsten Namen französischer Kunst; einen gedruckten Katalog gab es leider nicht und so geriet diese Ausstellung bald in Vergessenheit, auch bei den Kunsthistorikern.

In der Jahresausstellung 1909 hatte John Q. Adams das Porträt “Prof. Wertheim” (Kat. Nr. 276) ausgestellt, in dem der prominente Arzt während einer Operation dargestellt zu sehen ist. Es war eine Eigenart des damals hochgeschätzten Salonmalers Adams, die Porträtierten in ihrer gewohnten Umgebung darzustellen, wodurch die Bildnisse viel an Lebendigkeit und Attraktivität gewannen. In diesem Fall wurde es Adams jedoch zum Verhängnis. Der Künstler malte realistisch, seine blutig klaffende Wunde wirkte auf das, solche Grausamkeiten bisher nicht gewohnte, Ausstellungspublikum brutal und unappetitlich. Die Presse nahm sich der Sache an und die Wiener Kunstwelt hatte wieder einmal eine Sensation. Die Ausstellungskommission empfahl Adams schließlich die auf dem Bild “dargestellte Wunde im ästhetischen Interesse zu verdecken”. Das war allerdings nicht in Adams Sinne; das Bild wurde aus der Ausstellung nicht entfernt und hing dort unverändert bis zum Schluss.46 Zu diesem Zeitpunkt ahnten die Kritiker noch nicht, welche Grässlichkeiten die Zukunft bringen wird.

Der Kriegsausbruch 1914 verhinderte zahlreiche Ausstellungsvorhaben, ja der gesamte Ausstellungsbetrieb musste stark eingeschränkt werden. Da im Parterre das Lazarett eingerichtet wurde, blieben für Präsentationszwecke nur drei Pavillons im ersten Stock, die linke Galerie und der Mittelsaal übrig. 1915 fand darin zum ersten Mal eine “Frühjahrs-Ausstellung” statt; wegen des beschränkten Raumes glaubte man den Titel “Jahres-Ausstellung” nicht verwenden zu dürfen. Verzichtet wurde außerdem auch auf die bis dahin prunkvollen Eröffnungen.

Da viele Künstler freischaffend, d. h. ohne einer festen Anstellung arbeiteten und vom Verkauf ihrer Werke leben mussten, kamen im Herbst 1914 A. H. Schram und Oswald Grill auf die Idee der Atelierausstellungen. Alle in Wien lebenden Künstler wurden angeschrieben, um, soweit sie es wollten, dem Publikum ihre Ateliers an bestimmten Tagen zu öffnen. Die Antworten wurden geordnet, Termine abgesprochen und ein Kalendarium in der Art eines Führers durch die Wiener Ateliers herausgegeben. Die ab dem 8. November 1914 durchgeführte Aktion stieß auf großes Interesse, das Publikum wanderte nun statt ins Künstlerhaus in die privaten Künstlerateliers. Die Aktion wurde später noch einige Male wiederholt; sie musste also trotz der Belästigung der Künstler und der Beeinträchtigung ihrer Arbeit, auch finanziell erfolgreich gewesen sein.

Die Nachfrage nach Kunst stieg während des Krieges und man erreichte bald Verkaufsergebnisse, die man vorher für unmöglich gehalten hätte. Viele der neuen Käufer waren ohne Zweifel sogenannte Kriegsgewinnler, aber auch andere wollten ihre finanziellen Mittel in der Kunst angelegt wissen. Die Versteigerung der Sammlung Ludwig Lobmeyr brachte 1917 über drei Millionen Kronen – ein Betrag, der in Wien als wahre Sensation besprochen wurde. Dieser Boom hielt bis zum Zerfall der Monarchie an; bis zum totalen Stillstand und Preissturz in der Folge der Wirtschaftskrise 1929.

Neben den Kriegsausstellungen blieben auch manche, bereits weitgehend durchorganisierte Ausstellungen, unverwirklicht. So kamen Anfang 1918 ins Künstlerhaus 16 Kisten mit 150 Werken des Türkischen Hauptquartiers mit Themen aus dem Balkan und Orient, von türkischen Künstlern geschaffen. Verhindert hatte diese Ausstellung diesmal nicht eine ungesicherte Finanzierung, die sonst häufigste Ursache der Absagen, sondern der Raummangel im Künstlerhaus. Die Ausstellung war so groß, dass man für sie den Deutschen Saal vorschlug, der aber durch das dort eingerichtete Lazarett belegt war. Seine Räumung, obwohl im Gespräch, blieb unmöglich. Die Ausstellung fand dann doch statt, aber nicht im Künstlerhaus, sondern im Festsaal der Universität.47

Eine ähnliche, vom k.u.k. Kriegspressequartier organisierte Ausstellung mit Bildern aus dem Balkan, geplant gewesen für den 15. bis 15. November 1918, unterblieb bereits aus politischen Motiven.48 Aus selben Beweggründen unterblieb auch eine in Odessa vorgesehene Ausstellung Wiener Künstler. Die südukrainische Hafenstadt Odessa befand sich zwar noch im Herbst 1918 in den Händen deutscher und österreichisch-ungarischer Truppen, doch ihr Rückzug war zu erwarten; Kunstwerke dorthin zu schicken, wäre leichtsinnig gewesen.

Abgesehen von diesen nicht mehr durchgeführten Projekten hatte das Ende der Monarchie im Ausstellungsprogramm vorerst kaum Auswirkungen. Die Jahresausstellung 1919 war ungewohnt progressiv; im ersten Stock befand sich eine Kollektion des “Bundes der geistig Tätigen”, einer neuen expressionistischen Künstlervereinigung. Werke von Leopold Krakauer, Grete Wolf, Anton Peschka, Ernst Wagner oder Grete Leitner standen im starken Kontrast zu den bisher im Künstlerhaus üblicherweise gezeigten naturalistischen Landschaften und Porträts. Das Publikum verstand diese Kunst allerdings nicht und lachte sie aus.49

Wie schon 1890, als zum ersten Mal der Maiaufmarsch der Arbeiterschaft – auf der Hauptallee im Prater – stattfand, blieb auch 1919 das Künstlerhaus am 1. Mai geschlossen. 1921 wurde das Künstlerhaus am ersten Mai wieder geöffnet, den Dienst versahen jedoch Mitglieder der Ausstellungskommission, während das Personal zur Gänze frei hatte. In den späteren Jahren entschloss man sich das Haus an diesem “Tag der Arbeit” lieber zugesperrt zu lassen.

Die Winterausstellung 1919 brachte neben einer Kollektion der “Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs” eine Beteiligung der Künstlergruppe “Die Unabhängigen”, aus der dann manche Künstler in die Genossenschaft wechselten. In den folgenden Jahren gab es im Künstlerhaus noch mehrere Gastauftritte der damals so zahlreich entstandenen, meist kurzlebigen Künstlervereinigungen.

Schlimmer, als die radikalen Künstler- und Kunstströmungen dieser Zeit zusammen mit ihrer rapid zurückgegangenen Verkaufsstatistik traf die Genossenschaft die Inflation. Sie zehrte am Vermögen, sie erschwerte die laufende Buchhaltung. Ab Oktober 1921 gab es in den Katalogen keine verbindlichen Preisangaben mehr, sondern separate, nur für den Erscheinungstag gültige Preislisten. 1921 wurden sie um zehn Kronen verkauft.

Im Oktober 1921 setzte Eduard Kasparides in seiner Ausstellungsanmeldung den Preis in amerikanischen Dollars an; da dies ungesetzlich war, musste er seine Angabe korrigieren. 1922 versuchten einige Künstler ihre Preise in Goldkronen, der “Goldparität”, anzugeben; auch dies ging nicht durch.

Während der Eintritt in die Herbstausstellung 1918 noch 1,50 Krone ausmachte, gab es 1922 Eintrittskarten um 1000 Kronen, im November 1922 in die Brangwynausstellung um 10 000 Kronen. Abgesehen von der Frühjahrsausstellung konnten nun alle gekauften Werke sofort mitgenommen werden.50

Mit dem 15. Jänner 1921 wurde der Deutsche Saal an die Galerie St. Lucas vermietet, die dort jährlich sechs Auktionen alter Kunst veranstalten wollte. Doch die Geschäfte liefen nicht mehr so günstig wie zu Kriegsende; es wird nur von einer Auktion berichtet, sonst gab es den Freiverkauf. Nach dem Auslaufen des einjährigen Mietvertrags wurde der Deutsche Saal vom Kunsthändler Heinrich Satori übernommen.

Doch im Gegensatz zu den Inhabern der Galerie St. Lucas, die es bis heute im Palais Pallavicini am Josefsplatz gibt, gestalteten sich die Beziehungen zu Herr Satori nicht ganz problemlos. Seine Geschäfte gingen noch schlechter, trotzdem beharrte er auf einer Mietverlängerung. Die Räumungsklage der Genossenschaft 1924 wurde in zwei Instanzen abgelehnt, im Wien der Nachkriegszeit gab es Mieterschutzgesetze, die dies auch bei säumigen Geschäftsleuten möglich machten.

Erst als Heinrich Satori am 21. Juni 1924 den Ausgleich anmelden musste, nützte dies die Genossenschaft zu einem neuen Vorstoß. Nachdem sie ihm eine Abstandzahlung angeboten und sogar ausbezahlt(!) hatte, räumte Satori bis zum 15. August 1924 den Saal. In der Folge wurde man im Ausschuss mit Vermietungen vorsichtiger.

Während der turbulenten zwanziger Jahre experimentierte man im Künstlerhaus wieder mit der Innenarchitektur und Farbgestaltungen, trotz des bescheidenen Budgetrahmens. Anlässlich der Jahresausstellung 1921 wurden der Belgische und der Schram-Saal51 im warmen Grauton gestrichen, für die Aquarellausstellung 1922 wurde eine gemalte Zierleiste im großen Mittelsaal im ersten Stockwerk bewilligt, im März 1923 wurde der Plastikersaal mit neuer Jute bespannt. Im November 1923 beseitigte man wieder die in den Ecken des Plastikersaals eingebaut gewesenen schrägen Wände; die im März 1923 eingebaute Velumdecke auch für die übrigen Säle angeschafft. 1925 kehrte man zu einer hellen (weißen?) Farbe zurück, im Mai 1925 wurden für die Ständige Ausstellung im Deutschen Saal zehn bewegliche Elemente mit Säulen und neues Velum bewilligt.

Im Jänner 1925 mehrten sich Stimmen, wonach das Velum viel Licht absorbiere. Obwohl Winter war, wo man ohnehin mit weniger Licht als im Sommer rechnen musste, wurde es abgenommen, mit elektrischen Staubsaugern gereinigt und als Kilowäsche der damals entstandenen Wäschereifirma Habsburg zum Waschen gegeben. Wilhelm Legler sprach sich für die Wiedereinführung des klassischen Baldachins aus.

Im April 1926 wurden alle Wände mit Jute bespannt, im November sprach man wieder von der Einführung verschiedener Wandfarben. Im April 1926 wurden als Konzession an den aufkommenden Fremdenverkehr zum ersten Mal in der Hausgeschichte in den Ausstellungssälen mehrsprachige Ankündigungs- und Erläuterungstafeln angebracht.

Ab 1913 wurden Plakatierungen in den städtischen Straßenbahnen üblich, ab 1922 gab es Plakate auch in den Hotels und im Frühjahr 1923 wurde wieder von einem ständigen Hausplakat im Künstlerhaus gesprochen. Siegreich aus einem zu diesem Zweck ausgerufenen Wettbewerb hervorgegangen war Hans Strohofer, dessen Entwurf für die 44. Jahresausstellung verwendet wurde. Zur ständigen Verwendung fand man jedoch keines der Entwürfe als geeignet.

Im Juni 1926 schlug Jehudo Epstein die Veranstaltung einer “Jüdischen Ausstellung” vor; Anlass war der im August in Wien tagende Zionistische Kongress. Der Vorschlag wurde eingehend besprochen; gegen eine Kollektion der in Palästina wirkenden Künstler hätte man nichts einzuwenden gehabt, – aber warum sollte man die Wiener jüdische Kunst separieren, die man ohnehin in jeder Jahresausstellung sehen konnte? In der am 30. Juni 1926 stattgefundenen Hauptversammlung wurde über die Ausstellung abgestimmt; die überwiegende Mehrheit war für die Ausstellung. Sie kam dann aber doch nicht, und zwar aus technischen Gründen; das jüdische Organisationskomitee schaffte die Zusammenstellung einer genügend großen Anzahl ausstellungswürdiger Kunstwerke nicht.

Ab 1927 fanden im Präsidentensaal im ersten Stock fallweise wieder Aktmalkurse statt, die man im Künstlerhaus schon seit Jahrzehnten nicht mehr hatte. Leiter der Kurse war Franz Windhager.

Wurden die Jahresausstellungen früher stets vom Kaiser oder in seiner Vertretung von einem Erzherzog eröffnet, so änderte sich dies nach 1918 grundlegend. Es gab kein feierliches Zeremoniell der Vorkriegszeit mehr, der höfische Charakter der Vernissagen ging verloren, das bunte, glänzende Bild prunkvoller Uniformen und Damentoiletten der Monarchie verblasste.

Die ersten NachKriegsausstellungen wurden nur durch einen Unterstaatssekretär eröffnet; 1920 waren zwar Dr. Karl Seitz und Dr. Karl Renner bei der Vernissage anwesend, aber nur als Zuschauer. 1921 und später wurden die Jahresausstellungen durch Präsident Dr. Michael Hainisch eröffnet, der selbst eine enge persönliche Beziehung zur bildenden Kunst hatte. Wie seinerzeit der Kaiser, kam auch er öfters noch nachträglich in die Ausstellungen als Privatmann, ohne Reporter, um sich die ausgestellten Werke allein in Ruhe anzusehen. Wie er blieben noch einige der alten VorKriegsminister und Sektionschefs der Genossenschaft aus persönlichem Interesse treu, obwohl die neuen Verhältnisse auch für sie keineswegs rosig waren. Die überwiegende Zahl der modernen Politiker benützte die Ausstellungseröffnungen dagegen nur zur öffentlichen Demonstration ihres – kaum vorhandenen – Kunstsinns, sie dienten ihnen zum Abrunden ihrer Imagewerbung. Kaum einer der neuen Politiker kaufte für eigenes Geld im Künstlerhaus privat ein, wie es bis 1918 allgemein üblich war.

In der Hauptversammlung am 12. Jänner 1922 wurde die Einführung einer “Porträtsteuer” von 8 % für Mitglieder und 15 % für Gäste beschlossen. Die Diskussion begann der Maler Stanislaus Lewandowski am 13. Juni 1918: Die auf Bestellung angefertigten Porträts nahmen in den Ausstellungen anderen, auf Verkäufe angewiesenen Künstlern den Platz weg. Andererseits konnte man die Porträtkunst nicht völlig aus den Ausstellungen ausschließen. Dem Vorschlag schloss sich der Landschaftsmaler und Aquarellist Johann Nepomuk Geller an, der die Gebühr als gerecht ansah.

Tatsächlich nahmen die Bildnisse in den Ausstellungen noch großen Raum ein, trotz der sich inzwischen im Alltag weit verbreiteten Fotografie; im Schnitt der letzten elf Jahre 13,3 %. Noch deutlicher sprachen die absoluten Zahlen: so waren im Jahr 1908 von 1439 ausgestellt gewesenen Werken 229 Porträts. 1909 waren 180 Bildnisse ausgestellt, 1910 155, 1911 168, 1912 158, 1913 203, 1914 115 von insgesamt 859 Werken.

Zwischen 1908 und 1918 waren im Künstlerhaus 11 004 Kunstwerke ausgestellt, davon waren 1462 Porträts. Die Einhebung der Porträtgebühr trat am 12. Jänner 1922 in Kraft; der Leitende Ausschuss wurde aber ermächtigt, in besonderen Fällen von der Entrichtung dieser “Steuer” abzusehen.

Im Juni 1923 kam es im Künstlerhaus wieder einmal zu einem “Skandal”. Es ging um eine Ausstellung der Entwürfe für das Denkmal der Auslandshilfe, um das sogenannte “Dankmal”. Wie die Pestsäule am Graben Zeugnis von einst überstandenem Leiden bis heute gibt, so sollte das neue Denkmal auch ferne Geschlechter an die Not der Nachkriegszeit und an die Hilfe, die Wien von allen Seiten damals gegeben wurde, erinnern. Die Presse sprach deshalb auch von einem “Elendsdenkmal”.

Da gerade die Bildhauer unter der NachKriegsnot von allen bildenden Künstlern am Meisten zu leiden hatten – Plastiken sind fast unverkäuflich geworden, die hohen Materialkosten aber blieben -, beschloss die Ständige Delegation der Künstlervereinigungen den vom Industriellen Camillo Castiglioni52 im Dezember 1922 zur Unterstützung der bildenden Kunst gestifteten Betrag von 50 Millionen Kronen zur Gänze für die Wettbewerbsausschreibung dieses “Dankmals” zu verwenden. Die ganzen 50 Millionen sollten also Bildhauer und Architekten für ihre eingesandten Entwürfe bekommen – wobei die tatsächliche Ausführung wegen nicht vorhandener finanzieller Deckung ungeklärt blieb. Trotzdem nahm die Öffentlichkeit allgemein an, dass das Denkmal unmittelbar nach dem Wettbewerb ausgeführt werden würde.

Die Jury, bestehend aus Peter Behrens, Franz Barwig, Edmund Hellmer, Viktor Stauffer und Siegfried Theiss hatte am 4. und 5. Juni 1923 aus 75 eingesandten Entwürfen die Arbeit des Architekten Ernst Lichtblau und des Bildhauers Karl Hagenauer mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Den zweiten Preis bekam Edwin Grienauer, den dritten Anton Wilhelm mit Waldemar Leers, den vierten Otto Hofner.

Der Entwurf Lichtblau-Hagenauer, ein durch einen Riesenpfeil senkrecht durchgebohrtes sarkophagähnliches Gebilde, am Pfeilschaft eine ausgezehrte Frauengestalt angelehnt, hätte damals an und für sich noch keine besondere Publikumsaufmerksamkeit erregt, hätten seine Autoren nicht gleich auch den Aufstellungsort vorgeschlagen. Die monumentale Wirkung des Denkmals sollte durch seine Einfügung in ein bereits bestehendes Bauwerk verstärkt werden: in die Fassade der Kapuziner Kirche am Neuen Markt. Lichtblau wählte diesen Standort, weil, wie er mit Hagenauer in einer beigefügten Legende aufführte, diese Kirche seit Jahrhunderten die Grabstätte der Habsburger Dynastie war, deren Politik eine der Hauptursachen des Weltkriegs war.

Mit diesem Standort und mit dessen politisch motivierten, unbelegbaren Begründung zeigten sich jedoch schon in den ersten Stunden nach der Ausstellungseröffnung die meisten Besucher nicht einverstanden. Lichtblau und Hagenauer haben trotz des Krieges und der schmerzenden NachKriegsnot die immer noch lebende Loyalität der Wiener ihrem Kaiserhaus gegenüber unterschätzt. Die Presse nahm sich der Sache an und sie begann sowohl den Entwurf, als auch die Entscheidung der Jury heftigst zu Kritisieren. Der Genossenschaft selbst wurde Undank dem Haus Habsburg gegenüber vorgeworfen, war es doch gerade Kaiser Franz Joseph, dem sie viel, ja das Künstlerhaus selbst, zu verdanken hatte.

Die Erregung stieg von Tag zu Tag; bald blieb es nicht nur bei mündlichen und schriftlichen Protesten. Ein Teilnehmer nahm die Präsentation zum Anlass aus der Genossenschaft auszutreten und das Gipsmodell des verpönten Denkmals selbst wurde schließlich – nachdem es am 18. Juni 1923 durch Davidsterne und Hakenkreuze gleichzeitig(!) bemalt worden war – von zwei Besuchern am 29. Juni 1923 in der Ausstellung zerstört.

Wie die Polizei feststellte, war es Architekt Otto Aufhauser, der inmitten einer erregten und gestikulierenden Menge dem Denkmal den ersten Stoß versetzt hatte. Das Denkmal kippte zur Wand, blieb dort aber angelehnt liegen, bis es ein Unbekannter mit beiden Händen nahm und gegen den Boden schleuderte. Unter Bravorufen und klatschendem Beifall der etwa 50 anwesenden Besucher zerfiel es in Trümmer.

Der Hausportier versperrte daraufhin kurzerhand alle Ausgangstüren und verständigte telefonisch die Polizei. Die herbeigerufene Wache nahm Architekt Aufhauser zur Einvernahme ins Bezirkskommissariat mit; der zweite Besucher, der dem Denkmal den Todesstoß gab, entkam im herrschenden Wirrwarr. Der Eskortierung Aufhausers schlossen sich viele der Besucher an, die einen Demonstrationszug bildeten; sie wurden anschließend ebenfalls einvernommen.

Den betroffenen Künstlern wurde von der Genossenschaft ein Schadenersatz angeboten und man bat sie um Wiederherstellung ihres Denkmalentwurfs. Die lehnte der Architekt Lichtblau durch seinen Anwalt Dr. Paul Klemperer, Wien IX., Freiheitsplatz 4, am 10. Juli 1923 allerdings ab: er war “infolge psychischer Erschütterungen nicht in der Lage, die gewünschte Arbeit durchzuführen”.

Abgesehen von der Negierung eines ausgestellten Kunstwerks durch das Publikum, ein öfters sich wiederholendes Vorkommnis, war dieser Vorfall allerdings noch durch eine Tatsache bedeutsam: es handelte sich um das erste Auftreten der Nationalsozialisten im Künstlerhaus. Wie der Portier aussagte, kamen etwa zehn Minuten vor der Tat einige Jugendliche53 ins Haus, die sich im Foyer nicht lange aufhielten – der Eintritt war frei – und gezielt in den Saal mit den Denkmalentwürfen gingen. Sie waren es dann, die die Stimmung unter den Besuchern hochschaukelten.

Der Presse gab der Vorfall Gelegenheit, sich wieder einmal mit der Theorie der Freiheit der Kunst auseinanderzusetzen; zum Wort meldeten sich auch Carl Moll und Anton Hanak. Die Karikaturisten ließen sich die Möglichkeit zu einigen Spitzen gegen die Genossenschaft nicht entgehen und die Zentralvereinigung der Architekten schloss die ehemaligen k.k. Bauräte Leopold Bauer und Anton Weber aus ihren Reihen aus. Die “Heldentaten gewisser Halbwüchsiger” fielen dagegen bald in Vergessenheit.54

Am 29. Mai 1925 wurden zwei im Rahmen einer Kollektion der “Kunstschau” ausgestellte Aquarelle von Franz Zülow mit Tintenstift Kreuzweise durchgestrichen. Da die Ausstellung äußerst schwach besucht war, konnte die Tat unbemerkt ausgeführt werden und der Täter unerkannt entkommen.

Diese Ausstellung der Kunstschau war durch ihr Arrangement interessant. Die Bilder wurden nicht wie üblich in einer horizontalen Reihe nebeneinander aufgehängt – die klassische Hängung orientiert sich an der unteren Rahmenkante, nicht etwa an der Bildmitte – sondern in unterschiedlichen Höhen: manche ganz unten, dicht über dem Boden, andere hoch oben. Felix A. Harta gab dies Gelegenheit zu einer Karikatur im Illustrierten Wiener Extrablatt vom 3. Mai 1925: Harta, der selbst der Kunstschau angehörte, hat in launiger Weise karikiert, wie die Ausstellungsbesucher entweder auf Stühle steigen oder in Versenkungen tauchen, auf Gerüsten herumgeführt werden oder die tiefsten Kniebeugen machen müssen, um zu den richtigen Kunstgenüssen zu kommen.55

Die Jahresausstellung 1926 begann mit einem Konflikt unter den Mitgliedern; die Ursache war der Bildhauer Gustinus Ambrosi. Ambrosi wirkte 1925 als Kommissär der österreichischen Abteilung der III. internationalen Kunstausstellung in Rom; ernannt wurde er damals, mit Umgehung der sonst für solche Dinge zuständigen Ständigen Delegation, direkt vom Ministerium. Ambrosi lud natürlich, wie jeder Kommissär, zur Teilnahme Künstler seiner persönlichen Wahl ein – doch diese waren, nach Ansicht der Delegation, nicht fähig allein Österreich zu repräsentieren. Die Folge war eine gegenseitige Hetzkampagne Wiener Künstler untereinander, die jedoch die Genossenschaft nicht weiter direkt betraf. Nun meldete aber Ambrosi für die Jahresausstellung 1926 fünf seiner Werke an; drei Büsten wurden von der Jury angenommen. Als von der Teilnahme Ambrosis die ihm feindlich gesinnten Künstler erfuhren, machten sie eine Affäre daraus und weigerten sich mit ihm gemeinsam auszustellen.

Die Jury hatte künstlerisch gegen Ambrosi nichts einzuwenden; nun wollten ihn aber seine eigenen Kollegen aus kleinlichen politischen Gründen und vielleicht auch aus Brotneid nicht. Dem Präsidenten Alexander D. Goltz sowie dem Leitenden Ausschuss blieb nichts anderes übrig, als im Interesse der Ausstellung Ambrosi um Rücknahme seiner Werke zu ersuchen. Am 27. April 1926 abends, zwei Tage vor der Eröffnung, wurde Ambrosi mitgeteilt, dass sein “bekanntes Verhalten gegen die Wiener Künstlerschaft” eine solche Missstimmung hervorgerufen hatte, dass ein großer Teil der Mitglieder sich weigerte, zugleich mit ihm auszustellen.56 Er möge daraus die Konsequenzen ziehen.

Ambrosi war damals noch nicht Mitglied der Genossenschaft, seine Position als Privatmann, dazu noch taubstumm, war schwierig. Er gab jedoch nach und holte seine Büsten ab. Die Ausstellung konnte, bis auf die verhinderte Beteiligung Ambrosis, wie geplant eröffnet werden. Im Katalog sind die Werke dieses Künstlers nicht angeführt. Sechs Jahre später, am 16. März 1932, wurde Ambrosi ordentliches Mitglied der Genossenschaft.

Zu Konflikten anderer Art führte unter den Mitgliedern nur wenige Monate später die “Weihnachtsschau, Kunst und Kunsthandwerk” 1926. Die Ausstellung als solche war beeindruckend, mit aufwendigen Einbauten, einem Sakralraum von Clemens Holzmeister und einer großen Übersicht des Kunstgewerbes aller Art. Zum Ausbruch der Differenzen kam es nach dem Ende der Ausstellung, als man die Bilanz machte: die Ausstellung brachte einen Defizit von 17 385 Schilling, damals eine hohe Summe.

Entstanden war dieser Abgang durch einen allzu lockeren Umgang der Architekten mit dem ihnen übertragenen Ausstellungsaufbau. Es gab kaum Kostenvoranschläge, dafür viele Änderungen während der Ausstellungseinrichtung und weitere, immer neue Wünsche, die die Baukosten explodieren ließen. Mehr gekostet hatte auch der Katalog, der von ihren Autoren selbst als bibliophiles Kunstwerk angesehen wurde. Wie in ähnlichen Fällen üblich, fühlte sich letzten Endes aber keiner schuldig – leidtragend blieb der für die Finanzgebarung verantwortliche Leitende Ausschuss der Genossenschaft.57

Eine bedeutende Bestandsaufnahme der zeitgenössischen Architektur und des modernen Städtebaus war die im September-Oktober 1926 anlässlich eines Kongresses gezeigte “Internationale Städtebau-Ausstellung Wien 1926.” Neben Österreich präsentierten 19 Staaten ihre Bauten und Visionen; unter Palästina war das damals erst entstehende Tel-Aviv vertreten, Gartenstädte zeigte das Cottage liebende England, arbeitssparende moderne Küchen die fließbandindustrielle USA.

1927 wurde die “Große Kunstausstellung” – so der Titel der damaligen Jahresausstellung, der Öffentlichkeit in einem neuen Medium präsentiert: dem “Radio-Bild”. Das war noch vor der Erfindung des Fernsehens eine interessante Neuigkeit: um auch den Radiohörern einen optischen Genuss zu bereiten, wurden vor den jeweiligen Sendungen, meist Vorträgen, entsprechende Bilder auf schmalen Streifen gedruckt, die man durch ein spezielles optisches Gerät, einen “Guckkasten”, anschauen konnte. Dazu gab es kurze Beschreibungen; die Bilder konnten während des – noch nicht aufgezeichneten – Livevortrags durch das Gerät geschoben und durch vergrößernde Linsen angeschaut werden.

Der Bericht über die Frühjahrsausstellung, vorgetragen von Alexander D. Goltz am 2. Mai 1927 hatte 22 Bilder. Zuerst gab es das Bildnis des Sprechers, dann zwei Fotos des Künstlerhauses und 19 Reproduktionen der in der besprochenen Ausstellung gezeigten Kunstwerke. So bekamen die Radiohörer einen ungefähren Eindruck von der Ausstellung, auch wenn sie weit weg von Wien entfernt waren.

Die Guckkästen waren umständlich und teuer; sie lebten sich nicht ein. Die 1928 und später gesendeten Radiovorträge wurden bereits wieder von einer altgewohnten illustrierten Zeitschrift begleitet, die die Bilder, meist Fotografien, in üblicher Größe brachte.

1928 meldete für die “Festausstellung”, die gleichzeitig zu den von der Gemeinde Wien veranstalteten Festwochen stattfand,58 Hans Temple aus einem unerfindlichen Grund sein bereits 13 Jahre altes Gemälde “Festmesse im Künstlerhaus 1915″ an. Das Bild wurde von der Ausstellungskommission als zur Ausstellung ungeeignet von vornherein abgelehnt, obwohl es sich bei Temple um einen bedeutenden Maler und bei diesem Werk um ein für die Hausgeschichte historisch wichtiges Gemälde handelte. Man fühlte sich deshalb ausnahmsweise auch zu einer schriftlichen Erklärung an Temple veranlasst; am 4. Juni 1928 wurde ihm ein eher kurioser Grund der Ablehnung genannt: man zweifelte nicht am künstlerischen Wert des Gemäldes, sondern war aus Rücksichten auf den “von der Öffentlichkeit erhofften Fremdenverkehr in diesem Sommer” zu der Ablehnung genötigt. Der Gegenstand des Bildes – eine Messe in dem während des Weltkriegs im Künstlerhaus befindlichen Lazarett – könnte auf früher feindliche Staatsbürger verstimmend wirken. Darunter verstand man vor allem die sonst kauffreudigen Amerikaner.59

Für den August 1928 planten Siegfried Theiss und Hans Jaksch eine internationale „Wochenendausstellung“, in der die damals sprunghaft entstehenden Wochenendhäuser präsentiert und in architektonisch qualitätsvolle Bahnen gelenkt werden sollten. Die Themen der geplanten Saaleinteilung sprechen für sich: Druck der Großstadt, Jugend und Schönheit, Die österreichische Landschaft, Wochenendpropaganda, Wochenendbedarf, Wochenendhäuser um Wien, aus dem Burgenland, Niederösterreich, den Alpenländern, aus dem Deutschen Reich, England, Amerika, Schweiz und Frankreich, Bassin mit Hausboot, Garten. Die Ausstellung wurde nicht durchgeführt; in der dafür eingeplant gewesenen Zeit wechselte man notgedrungen die sanierungsbedürftige Decke zwischen dem Stiftersaal und dem darüberliegenden Mittelsaal aus.

1929 wurde im Künstlerhaus das Lebenswerk von Max Liebermann präsentiert. Um diese Ausstellung möglichst repräsentativ gestalten zu können, startete man unter den Kunstfreunden eine “Geldbeschaffungsaktion”. Für einen Beitrag von 600 Schilling versprach man dem Spender das Gründerrecht zu verleihen, für 1800 S wurde er zum Stifter. Zu diesem Zweck verschickte man an ausgewählte Persönlichkeiten persönlich gehaltene Briefe. 22 von ihnen widmeten tatsächlich ansehnliche Beträge, Raoul Baron Kuffner aus Preßburg sogar 3000 Schilling, Altbundespräsident Dr. Michael Hainisch 1800 S. Das Bundesministerium für Unterricht subventionierte die gleichzeitig durchgeführte 50. Jubiläums-Jahresausstellung mit 3000 Schilling.

Interessant sind die einzelnen finanziellen Posten der Liebermann-Ausstellung bzw. ihre relativen Größen zueinander: Reiseauslagen zu den Leihgebern nach Deutschland betrugen 2130 Schilling, Transportspesen 4675,39 S, Versicherungen (Transporte und Ausstellung) 8711,05 S, Ausstattung der drei Säle 3119,22 S, Druckkosten des Liebermannkatalogs (Teil der JA) 4808 S. Besucht wurde die Ausstellung durch 20 021 zahlende Besucher. Der normale Eintrittspreis betrug 2 Schilling, daneben gab es noch ermäßigte Eintritte zu 1,40.-, 1.-, 0,70.- und 0,40 S (Schüler).

1930 wurden zwei Ausstellungen veranstaltet, die viel Interesse hervorriefen: zuerst war es die innerhalb der Jahresausstellung von der “Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst” im ersten Stock durchgeführte “Die Kunst in unserer Zeit”, dann die knapp folgende Präsentation “Buch und Raum der Gegenwart”. „Die Kunst in unserer Zeit” propagierte nicht so sehr die allgemein bekannten modernsten Kunstrichtungen, die man im Künstlerhaus ohnehin immer sehen konnte, sondern die moderne Kunst innerhalb des Alltags, wie etwa das Industriedesign. Die Autoren der Ausstellung, Prof. Dr. Hans Tietze und Dr. Ernst Buschbeck wurden von der Presse scharf angegriffen – nicht wegen der von ihnen ausgewählten Werke, sondern für ihre Ansichten, die sie im Katalog und in den von ihnen durchgeführten Führungen und Vorträgen vertraten. Es ging wieder einmal um die Theorie, um die “Überwindung des Ästhetischen in der Kunst”. Das verstanden viele nicht; warum sollte das Streben nach Schönheit, der alte seit der Antike geltende Grundsatz, plötzlich nicht als Kunst gelten? Man bezeichnete die Ansichten Tietzes und Buschbecks als “Bolschewismus in der Kunst”.

Die Festwochenausstellung “Buch und Raum der Gegenwart” lockte doppelt so viele Besucher an wie die “Kunst unserer Zeit”. 15 239 verkaufte Karten, das war für damalige Verhältnisse recht viel. Die Ausstellung war, obwohl ebenso modern, so doch ein Gegenstück der vorangehenden. Sie war eine der Tradition der Genossenschaft verpflichtende Exposition, in der das Streben nach Schönheit noch deutlich zu spüren war. Der Ausstellungstitel war etwas irreführend, es ging nicht nur um Buchgestaltungen, sondern vor allem um Interieurs, um den gesamten Innenraum; demzufolge auch um das Kunstgewerbe vom Tischler bis zum Goldschmied. Die Presse und die Illustrierten brachten eingehende Berichte, wie schon seit langem nicht und es gab sogar die ersten Farbabbildungen. Beide Ausstellungen folgten so knapp nacheinander, dass sie später dem Publikum in Erinnerung in eine verschmolzen.60

Die im Frühjahr 1932 veranstaltete “Internationale Karikaturen Ausstellung” begann schon vor ihrer Eröffnung mit einem “moralischen” Skandal. Karl Borschke zeichnete ein Plakat mit halbnacktem “Spießbürger”-paar, auf das von allen Seiten Pfeile zuflogen. Das Plakat wurde bewilligt und affichiert, als es zu einigen Unmutsäußerungen der Passanten kam. Wie die Polizeidirektion am 17. März 1932 der Genossenschaft mitteilte, müsste das Plakat in dieser Form beschlagnahmt werden. Der Ausschuss ließ daraufhin die Zeichnung Borschkes auf allen affichierten Plakaten durch weiße Streifen überkleben, so dass nur die Schrift sichtbar blieb. Die Originalzeichnung selbst (Plakatentwurf) blieb in der Ausstellung hängen. Eröffnet werden sollte die Karikaturenausstellung am 19. März 1932 um 11.00 Uhr durch den Bundespräsidenten Wilhelm Miklas. Um 9.15h traf im Sekretariat ein Brief des Kabinettsdirektors Löwenthal, wonach Miklas durch “unaufschiebbare Dispositionen” an der Eröffnung gehindert sei. Die Presse brachte sofort diese Absage mit dem beanstandeten Plakat in Zusammenhang; die Ausstellung und die Zensur einer Darstellung, die viel harmloser war, als manche Kinoplakate und Buchumschläge, wurden zum Tagesgespräch.61

Zu dieser Zeit hatte die Genossenschaft mit ernsten wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Obwohl die Eintritte wesentlich herabgesetzt wurden – 1925 zahlte man üblicherweise 1,50, 1936 0,50 Schilling Volleintritt – gingen die Besucherzahlen, trotz der unbestritten interessantesten Themenausstellungen rapide zurück und mit ihnen die Einnahmen. Mit diesem Besucherschwund hatten alle Ausstellungshäuser zu kämpfen.

Und noch etwas ist interessant: als ob man zu der Schillingswährung kein Vertrauen hätte, wurden immer noch alle Vermietungen dieser Zeit kompliziert über die Goldparität der FriedensKrone 1914 bzw. in Schweizer(!) Währung verrechnet. Man orientierte sich am täglichen Goldkurs, der von der Wiener Börsekammer verlautbart wurde. Diese Kronenverrechnung blieb letztlich bei allen Vermietungen in Wien bis zu Beginn der siebziger Jahre üblich.

1933 sah man im Rahmen der Jahresausstellung die Moderne italienische Kunst, 1934 gab es eine Ausstellung mit moderner tschechoslowakischer Kunst; beide Male mit Werken, die man in Wien sonst nie sah. Ihnen folgte die Österreichische Kriegsbilderausstellung 1914-1918 mit den Gedächtnisausstellungen Carl Hassmann und Carl Pippich. Noch einmal wurde der alten Monarchie gedacht, ihre letzten Tage passierten Revue. Neben Werken von Albin Egger-Lienz gab es auch zwei Porträts von Egon Schiele: Leutnant Heinrich Wagner und Leutnant Weippel.62 Das keineswegs erotische Schaffen Schieles beim Militär ist heute kaum bekannt.

Viele Schieles, Klimts, Kokoschkas sowie weitere moderne Künstler waren in der Herbstausstellung 1935 zu sehen; es handelte sich um zwei Kollektionen privater Sammler, Dr. Alfred Spitzer und Dr. Heinrich Rieger. Kunstwerke aus beiden Sammlungen kommen heute vereinzelt in Kunstauktionen und im Handel vor; sie erwecken viel allgemeines Interesse, nachdem Spitzer und Rieger Juden bzw. „jüdisch versippt“ waren und die Sammlungen nach 1938 unter tragischen Verhältnissen die Besitzer wechselten. Ende des Jahres 2002 gab es in Dorotheum die Beschlagnahme eines Schieles durch die Erben Riegers.63

1936 erreichten mehrere Künstlerhausmitglieder große olympische Erfolge. Schon der Gründer der olympischen Spiele der Neuzeit, Baron Pierre de Coubertin dachte 1894 daran, auf den Spielen neben den Muskeln auch den Geist herauszufordern. Die Olympischen Spiele sollten nicht einfache Weltmeisterschaften von ein paar Dutzend Sportarten sein, sondern ein alle vier Jahre wiederkehrendes Fest der Welt werden, ein Überblick der menschlichen Leistung sowohl des Körpers wie des Geistes. Zum ersten Mal wurde dieser Gedanke eines Kunst-Wettkampfs in Stockholm 1912 verwirklicht. 1928 brachte Edwin Grienauer für seine Plaketten für den Rudersport – er selbst war als Österreichmeister ein erfolgreicher Ruderer – eine Goldmedaille aus Amsterdam. In Los Angeles 1932 gab es anscheinend keine Medaillen für Genossenschaftsmitglieder bzw. keine Beteiligung ihrerseits.

Der künstlerische Wettbewerb 1936 im nahen Berlin wurde von der Seite Österreichs dagegen besonders sorgfältig vorbereitet und sowohl vom Olympischen Komitee als auch vom Bundesministerium für Unterricht finanziell großzügig unterstützt. Schon 1935 wurde im Künstlerhaus eine interne Ausstellung der zur Einsendung angemeldeten Werke veranstaltet; einige Werke wurden erst nach den darin gewonnenen Erfahrungen fertiggestellt bzw. noch verändert. 1936 wurden die endgültig ausgewählten Werke im Künstlerhaus vor ihrem Abtransport nach Berlin neuerlich, diesmal frei zugänglich, ausgestellt. Das Öffentlichkeitsinteresse blieb, wie damals schon üblich, allerdings gering; außer dem gewohnten Stammpublikum kamen kaum Sportfreunde, die man sich erhoffte und erwartete. Alle Kunstwerke hatten ja zum Hauptthema den Sport.

Als dann die Medaillen vergeben wurden, herrschte nicht nur im Künstlerhaus Jubelstimmung, sondern in ganz Österreich. Der Architekt Hermann Kutschera, selbst ein begeisterter Skiläufer, bekam eine goldene Medaille für den Entwurf eines Skistadions, der Maler Rudolf Hermann Eisenmenger eine silberne Medaille für sein Gemälde “Läufer vor dem Ziel”64 – die Goldmedaille für Malerei wurde nicht vergeben. Anerkennungen errangen Erwin Ilz, Hans Pfann, Franz Peydl, Josef Schilhab, Johann Rezac und Otto Hofner.

Die Genossenschaft ehrte die Olympioniken durch die Anfertigung einer Gedenktafel, die am 12. Dezember 1936 in einer Feier im Vestibül neben dem Ehrenmal für den 1914 gefallenen Bildhauer Hugo Kühnelt enthüllt wurde. Auf der Tafel fehlte der Name Grienauers, des Siegers von 1928; Grienauer war aber 1933 aus der Genossenschaft ausgetreten, nachdem er sich wegen der Zurückweisung zwei seiner Arbeiten geärgert hatte. Dem Präsidenten des Österreichischen Olympischen Komitees Dr. Theodor Schmidt wurde ein Fotoalbum der in Berlin gezeigten Kunstwerke überreicht.

Die Gedenktafel hing im Vestibül bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und wurde erst dann aus politischen Überlegungen entfernt.65 Zum letzten Mal gab es die Olympischen Kunstwettbewerbe in London 1948; dort haben von den Künstlerhausmitgliedern Oskar Thiede eine Silbermedaille für Plaketten mit Motiven vom Schwimmen, Ringen, Radfahren und Stabhochsprung sowie Edwin Grienauer eine Bronzemedaille, wieder für den Rudersport, errungen. An dem im Viktoria and Albert Museum veranstalteten Wettbewerb beteiligten sich aus Österreich 34 Künstler.

Eindeutig hatten die olympischen Kunstwettbewerbe ihren Höhepunkt 1936 erreicht. 1948 war man unter den Künstlern mit der gesamten Olympiade allgemein unzufrieden, die Hauptbeteiligten waren ja doch Sportler mit allgemein äußerst geringer Beziehung zur bildenden Kunst. In Helsinki 1952 kam es nur noch zu einer völlig unbefriedigenden Präsentation von Literatur und Musik. Die verstärkte nur die Tendenz in Zukunft auf geistige Wettkämpfe völlig zu verzichten. In Melbourne 1956 fand nur eine nationale Kunstausstellung statt. Neben dem problematischen, doch subjektiv zu beurteilenden künstlerischen Wettbewerb entstand bei den Olympiaden ein unlösbares Problem auch noch in der Abgrenzung der Amateure zu Professionalisten: die meisten Künstler lebten von ihrer künstlerischen Arbeit, man konnte sie also nicht als Amateure einstufen, sie waren Profis.

Im Künstlerhaus hat man sich mit der Frage der olympischen Wettbewerbe das letzte Mal im August 1956 beschäftigt. Anlass dazu gaben Schweizer Künstler, die sich um eine Renaissance der olympischen Kunstwettbewerbe bemühten. Zur Unterstützung dieser Idee wurde die internationale Ausstellung “Sport in der Kunst” in Luzern 1958 veranstaltet; das Künstlerhaus war allerdings nicht mehr dabei und auch aus der Wiedereinführung der künstlerischen Olympiade wurde schließlich nichts.

Die Ausstellungsarchitektur der dreißiger Jahre blieb im Großen und Ganzen freundlich hell, die Ausstellungswände waren meist im weiß-grauen Ton gestrichen, der Präsidentensaal (Ranftlzimmer) im ersten Stock war im unteren Teil bis zu den Präsidentenporträts mit Platten verkleidet. Alle Ausstellungsräume waren in etwa drei Meter Höhe als Plafond mit Velum überspannt. Mit dem darüberliegenden Staub hatte man jedoch ständig Probleme, das Velum musste – um genügend lichtdurchlässig zu bleiben – immer wieder abgesaugt und gereinigt werden.

Mancher der älteren Künstler erinnerte sich gerne der alten Baldachins, die den Saalmittelraum völlig im Dunkeln ließen und nur die Ausstellungswände im hellen Licht präsentierten. Trotz elektrischer Beleuchtung war man immer noch hauptsächlich an das Tageslicht angewiesen; die Zeit der kommenden elektrischen Raffinessen sollte noch Jahrzehnte auf sich warten. In seinem Wunsch nach Entfernung des Velums und der Wiederinstallierung des Baldachins zeigte sich der Maler Hans Larwin am radikalsten. Als seinem Ruf nach einem solchen nicht entsprochen wurde, nahm er einen Tag vor der Vorbesichtigung der Jubiläumsausstellung 1936 als Zeichen des Protests sein Gemälde von der Ausstellung einfach weg.

Die Tat wirkte, er setzte sich damit zumindest teilweise durch. Da man im Hinblick auf die bevorstehende Eröffnung unter Zeitdruck stand und kein Ersatz für das fehlende Bild vorhanden war – außerdem lag der Katalog bereits fertig gedruckt vor -, hatte die Ausstellungskommission dem in dieser demonstrativen Weise geäußerten Wunsch Larwins nach Entfernung des Velums Rechnung getragen und es aus diesem einen Saal (Mittelsaal III. im Parterre) entfernt. Larwin brachte sein Gemälde zurück und hängte es selbst wieder auf.

Das Vorgehen Larwins führte in der Folge zu heftigen Diskussionen in der Genossenschaft. Mit seinem Wunsch nach mehr Licht setzte er sich gegen die Meinungen anderer Kollegen nur durch einen undemokratischen Akt durch; daran konnte auch der Erfolg seiner Maßnahme nichts ändern. Der Ausstellungssaal III. blieb für die ganze Dauer der Jubiläumsausstellung ohne Velum; im Oktober 1936 beschloss die Ausstellungskommission, dass die beiden Mittelsäle Baldachine bekommen sollten.66

1936 fiel im Hinblick auf die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse eine andere wichtige Entscheidung: die große, seit dem Bezug des Künstlerhauses stets im Frühjahr durchgeführte Jahresausstellung wurde in den Herbst verlegt. Man machte schon seit Jahren in den Weihnachtsschauen wesentlich höhere Umsätze als sonst, Kunst wurde anscheinend auch als Weihnachtsgeschenk entdeckt. So sollten von nun an in die Weihnachtsschauen ebenfalls die großen Werke integriert werden. Die 57. Jahresausstellung wurde am 6. November 1937 eröffnet.67

Ihr Erfolg hielt sich jedoch in Grenzen; die Zeit der großen Kunstankäufe schien endgültig vorbei zu sein. Es kamen 4234 Besucher, die durch Eintrittsgelder und Verkaufsprovisionen zum Reingewinn der Ausstellung von 4096 S beitrugen; der Ausstellungsgewinn war allerdings mehr der Sparsamkeit der Ausstellungsleitung zu verdanken, als gesteigerten Verkäufen. Wie schlecht es wirtschaftlich gesehen den Künstlern und der Genossenschaft in dieser Zeit ging, zeigen die Ausstellungskataloge sehr deutlich. Von den noch Anfang der dreißiger Jahre üblichen Illustrationen gab es nach 1936 keine Spur mehr und auch die Textseiten schrumpften stark zusammen. Die Anzahl von Ausstellungen, zu denen es überhaupt keine Kataloge gab, nahm zu.

Waren bis zum Ende der Monarchie Führungen durch Künstler nur bei den Eröffnungen und für Prominente üblich, führte man in den zwanziger Jahren auch Künstlerführungen für normales Publikum ein. Sie fanden bei normalem Eintritt statt, meist am Samstag oder Sonntag. Je nach allgemeinem Interesse wurden solche Fachführungen zahlreicher oder seltener; angekündigt wurden sie stets knapp vorher in der Tagespresse. Die Journalisten wurden fast ausschließlich nur bei den Vorbesichtigungen, den sogenannten Firnistagen, durch Aussteller betreut.

Im Frühjahr 1937 kam es bei der Vorbereitung der Ausstellung “Schweizer Kunst der Gegenwart” durch Unachtsamkeit der Schweizer selbst zu einem für alle Beteiligten unangenehmen Missverständnis. Seit Anfang 1936 verhandelte man über eine Ferdinand Hodler Ausstellung. Diese historische Retrospektive sollte nach Wunsch der Schweizer durch eine Kollektion moderner, zeitgenössischer Schweizer Kunst ergänzt werden. Beide Seiten, die Genossenschaft und die Schweizer, dachten dabei ursprünglich an eine Ausstellung im gesamten Haus, ohne dies jedoch schriftlich festgelegt zu haben. Irgendwie hatte man aber bald in der Genossenschaft den Eindruck, dass den Schweizern das ganze Künstlerhaus zu groß sein wird.

Als sich deshalb kurzfristig die Gelegenheit bot, den ersten Stock dem Verband der Amateurfotografenvereine – die im Künstlerhaus schon einige Ausstellungen veranstaltet hatten – zu vermieten, beließ man für die Schweizer nur das Erdgeschoß reserviert (damals noch mit dem Deutschen und Französischen Saal). Zu Beginn der Gespräche mit der Schweiz 1936 bekam der Ausstellungskommissär Augusto Giacometti allgemeine Übersichtspläne des Künstlerhauses, auf die er sich – ohne Wien weiter über seine Planung zu informieren – während seiner Vorbereitungen stützte. So entwarf er eine Kollektion für das ganze Haus. Als nun die Schweizer Kollektion in Wien eintraf und im Künstlerhaus das Arrangement Giacomettis bekannt wurde, gab es eine böse Überraschung für beide Seiten. Den Vorschlag, die Schweizer Kollektion doch enger zu hängen, respektierte Giacometti nicht und wartete lieber mit einem Teil seiner Ausstellung das Ende der im ersten Stock hängenden Fotoausstellung ab.

Der erste Teil der “Schweizer Kunst der Gegenwart” wurde somit am 8. Mai 1937 durch Bundespräsident Wilhelm Miklas eröffnet; am 8. Juni 1937 ging die Fotoausstellung im ersten Stock zu Ende, am 12. Juni 1937 konnte der zweite Teil der schweizer Ausstellung durch den Bundesminister für Unterricht Dr. Hans Pernter eröffnet werden. Nachdem es der Genossenschaft möglich war, beide Ausstellungen bis zum 18. Juli zu verlängern – d. h. auch der zweite Teil hing fünf Wochen, waren die Schweizer schließlich zufriedengestellt. Plakate und Kataloge wurden in der Schweiz gedruckt.

Auf den Ausstellungsbetrieb des Künstlerhauses hatte die deutsche Besetzung Österreichs im März 1938 vorerst kaum sichtbare Auswirkungen. Zufällig gab es nach den großen Gschnasfesten, die stets das ganze Gebäude in Anspruch nahmen, noch keine Ausstellung. Auch die “Ständige” war ab dem 6. Jänner 1938 immer noch geschlossen, ihre Wiedereröffnung war erst nach Mitte März vorgesehen gewesen; sie wurde dann tatsächlich am 19. März eröffnet, wie üblich im Deutschen Saal.

Die “nationale Erhebung” begann für das Künstlerhaus mit der Einquartierung von 94 Mann der 8. motorisierten “Hundertschaft” – in Österreich war man bis dahin gewohnt von Kompanie zu sprechen – der Schutzpolizei der 3. Abteilung der II. motorisierten Gruppe. Diese 94 Männer wurden in den Ausstellungssälen des ersten Stockwerkes untergebracht und sie blieben dort vom 13. bis zum 18. März 1938, also fünf Nächte.

Vom 18. auf den 19. März 1938 übernachteten im Künstlerhaus noch 34 Mann, die übrigen waren inzwischen abgezogen. Die Männer benahmen sich äußerst korrekt, alle geliehenen Gegenstände, meist aus dem Restaurant und der Küche, wurden restlos unbeschädigt zurückgegeben; am Haus selbst entstanden keine Schäden.

Die Männer der Schutzpolizei und anscheinend auch der sie begleitenden SA (Sturmabteilung) wurden nach ihrer Ankunft am 13. März 1938 im Künstlerhaus mit Kaffee, Tee sowie Wurst und Brot bewirtet. An diesem Essen nahm auch das Hauspersonal teil, das man, nachdem die Einquartierung bekannt wurde, schnell mit einem PKW von den Wohnungen einsammelte und ins Künstlerhaus brachte.

Auf den Ersatz der durch die Bewirtung und die Transporte dem Haus entstandenen Kosten von 195,28 Schilling hatte der Leitende Ausschuss der Genossenschaft später verzichtet; er verrechnete aber den Stromverbrauch, die Beheizung und auch die aufgelaufenen Personalkosten von 491 Schilling, die von den deutschen Dienststellen korrekt bezahlt wurden.

Die Männer schliefen auf Stroh, das man vom Futtermitteldienst des Zentralviehmarktes St. Marx bekommen hatte. Am 19. März 1938 wurde es nach St. Marx wieder zurückgebracht. Vom Wiener Magistrat, Abteilung 44, Ebendorferstraße 1, lieh man sich Decken, die jedoch dann nicht benötigt wurden, sowie Handtücher und Blechwaschbecken (Lavoirs).

Die Offiziere und Wachtmeister der Schupo haben sich über den Empfang im Künstlerhaus und über die Unterbringung anerkennend ausgesprochen, was auch schriftlich von einem Major der Genossenschaft am 29. März 1938 bestätigt wurde.

Neben dieser Hundertschaft hatte sich im Künstlerhaus für drei Tage auch das nationalsozialistische Landeskulturamt mit ihrem Landeskulturleiter Hermann Stuppäck einquartiert und vom Künstlerhaus aus seine Tätigkeit in Österreich aufgenommen. In den nächsten Märztagen 1938 wurden an allen wichtigen öffentlichen Kunst- und Kulturinstitutionen kommissarische Leiter ernannt, welche die Weiterführung der Organisationen im nationalsozialistischen Sinn gewährleisten und ihre Vermögenswerte sichern sollten. Zum Generalbeauftragten des Kulturamtes für alle Zweige der bildenden Kunst wurde Leopold Blauensteiner bestätigt bzw. ernannt, er war ab November 1937 Präsident des Künstlerhauses und als solcher auch Vorsitzender der “Ständigen Delegation der bildenden Künstler”.

In seiner neuen Funktion zu amtieren begann Leopold Blauensteiner im Präsidentensaal (heute Ranftlzimmer) des Künstlerhauses und dem daneben befindlichen Stachezimmer Tür Nr. 92 am 14. März 1938. Er blieb in diesem Saal bis zum Oktober 1938,68 Die Miete inklusive einer Telefonpauschalvergütung und sonstiger Auslagen wurde vom Kulturamt der NSDAP getragen. Im Juli 1938 bezog die Reichskammer der bildenden Künste (RKK) einige Büros in der Reisnerstraße 40, wohin dann auch Blauensteiner übersiedelte.

Schon am 18. März 1938 brachten die Zeitungen die ersten Verfügungen Blauensteiners: alle Kunstausstellungen im gesamten Österreich waren von nun an – nach deutschem Vorbild – bei ihm anzumelden; Eigentum- und Besitzveränderungen von künstlerischem Gut in öffentlichen und privaten Anstalten, Klöstern und Stiften wurden ausnahmslos untersagt. Das im Privatbesitz befindliche Kunstgut durfte ebenfalls nicht veräußert werden, wenn es bereits unter Denkmalschutz gestellt worden war.

Einen Tag später wurde Baurat Marcel Kammerer zum “geschäftsführenden Stellvertreter des Generalbeauftragten für bildende Kunst” Leopold Blauensteiner ernannt; gleichzeitig erschien eine Bekanntmachung, wonach keine Ausstellung vor dem 11. April 1938, dem Tag der Volksabstimmung über die “Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich” eröffnet werden durfte.

Die Eröffnung der Frühjahrsausstellung, die ursprünglich für den 16. März 1938 vorgesehen war, hat sich durch den Einmarsch, die Einquartierung und diese Verordnung somit bis zum 13. April 1938 verzögert. Im ersten Stock des Künstlerhauses war die Schutzpolizei (Schupo), da konnte man nicht arbeiten; es wurde aber auch im Parterre mehrere Tage nicht gearbeitet, da man nicht so recht wusste, was man eigentlich machen sollte.

Am 22. März 1938 verfügte der Gauleiter Josef Bürckel die Kassa- und Vermögensfeststellungen der Künstlervereine; am 23. März 1938 suchte Blauensteiner beim Unterrichtsministerium um eine Subvention von 60 000 S zur Sanierung des Künstlerhauses an; am 26. März 1938 wurde das Künstlerhaus-Vermögen vom Kommerzialrat Rudolf Zyka überprüft und angemeldet.

Die Genossenschaft hatte zu diesem Zeitpunkt in der Kassa, auf den Konten und Sparbüchern 40 131,44 S sowie nicht ganze 200 000 Schilling in Fonds und Stiftungen und laut Bilanz vom 31. Oktober 1937 Verbindlichkeiten von 34 227 S. Als zum Betrieb notwendig wurden für die Zeit zwischen dem 1. April und 31. Oktober 1938 rund 56 000 S angesehen.

Aus politischen Gründen zuerst verschoben, dann endgültig abgesagt, wurde die für den 9. April 1938 vorgesehene Eröffnung der “Schwedischen Ausstellung”. Die Absage kam nicht vom Künstlerhaus oder der Reichskulturkammer, sondern vom schwedischen Organisationskomitee und der königlich schwedischen Botschaft selbst. Der Leitende Ausschuss der Genossenschaft, der Katalog befand sich bereits in Druck, war von dieser Absage vorerst nicht sonderlich begeistert. Doch bald hatte er eingesehen, dass man unter den neuen Verhältnissen weder den Katalog noch die Einladungen in der alten Form verschicken konnte. Die Eröffnung sollte Bundespräsident Wilhelm Miklas vornehmen, was nun hinfällig wurde und auch bei der Auswahl der zu zeigenden Werke war man sich nicht mehr ganz so sicher, ob alle im Einklang mit den Richtlinien der nationalsozialistischen Bewegung stehen würden.

Noch am 14. März 1938 dachte man in Stockholm an eine Modifizierung der Ausstellung; am 26. März 1938 kam dann doch die definitive Absage. Die Exponate selbst befanden sich zu dieser Zeit noch in Budapest. Die durch die Absage der Genossenschaft aufgelaufenen Kosten hatte die königlich schwedische Botschaft zum Großteil vergütet, als sie im Mai 1938 in zwei Raten tausend Schilling überwies. Die Druckfahnen des geplanten Katalogs haben sich im Ausstellungsakt erhalten.69

Die übliche hauseigene Frühjahrsausstellung sollte ursprünglich in zwei Abschnitten gezeigt werden. Neben dem normalen, allgemein üblichen Teil, zu dem jeder Künstler einsenden konnte, was er wollte, war ein zweiter Teil der künstlerischen Jugend bis zum 30. Lebensjahr in Vorbereitung, organisiert von Max Frey, Erich Miller-Hauenfels und Erich Wagner. Diese an und für sich interessante Idee, die künstlerische Jugend getrennt von älteren Kollegen gemeinsam zu präsentieren, fand jedoch unter den betroffenen Künstlern selbst nicht das wünschenswerte Echo. Das schon vor dem Anschluss eingelangte Material zeigte sich für eine eigene Ausstellung als unzureichend. So wurde diese Jugendausstellung nicht aus politischen Gründen abgesagt, sondern aus Mangel an guten Werken.

Eine weitere interessante Idee, die damals jedoch kaum Beachtung fand, wurde – wieder unabhängig von der politischen Entwicklung – in der Frühjahrsausstellung verwirklicht: jeder, der die Eintrittskarte einmal kaufte, konnte die Ausstellung wieder besuchen so oft er wollte; ja man hatte auch nichts dagegen, wenn der Käufer die Karte an Freunde oder Familienangehörige weitergab, was ohnehin nicht zu verhindern bzw. zu überprüfen gewesen wäre. Die Werbung bzw. die Besucherströme, die man sich von dieser Idee versprach, blieben jedoch aus, trotz vieler Ausstellungsbesprechungen und Ankündigungen in der Presse. In der Frühjahrsausstellung wurden 2734 Karten verkauft, also eine bis dahin durchaus übliche Anzahl.

Diese Frühjahrsausstellung war die erste nach dem Anschluss, bei der man nach dem Arierparagraphen fragte. Eine diesbezügliche Anfrage an die Aussteller (nur an diese!) wurde vom Künstlerhaus am 19. März 1938 verschickt, also eine Woche nach dem Einmarsch. Sie wurde von allen mit gemischten Gefühlen betrachtet; der Maler Erich Wagner antwortete am 26. März 1938: “Auf ihre Anfrage, bezüglich des Arierparagraphen der Reichskunstkammer muss ich gestehen, dass ich entspreche.”70

Seine Postkarte dokumentiert sehr gut nicht nur die damalige Stimmung im Künstlerhaus, sondern auch die Unwissenheit der Mitglieder. Erich Wagner war zwar selbst Arier, nicht jedoch seine Frau und sein Schwiegervater, der seine Abstammung gerade in dieser Zeit im Wiener Landesgericht mit seinem Leben bezahlen musste.71 Was dieser Arierparagraph eigentlich war, wussten in Wien damals wirklich nur wenige. Dass Werke nichtarischer Künstler aus der Frühjahrsausstellung entfernt wurden, nahm man in der Sitzung des Leitenden Ausschusses am 29. März 1938 zur Kenntnis.

Die “Ständige Ausstellung”, zu der es wie üblich keinen Katalog gab, war an diesem Tag ohne jede Überprüfung bereits offen. Eröffnet wurde sie still und leise am 18. März 1938; wie Leopold Blauensteiner, Präsident, Professor und “Generalbeauftragter für bildende Kunst der N.S.D.A.P. (Hitlerbewegung)” – so seit einigen Tagen seine Funktion – in der Künstlerhauspresseaussendung schrieb, handelte es sich dabei um die erste Eröffnung einer Kunstausstellung nach der “Nationalen Erhebung”. Man hatte also die Verordnung, wonach mit jeder Ausstellungseröffnung bis zu der Zeit nach der Volksabstimmung gewartet werden sollte, bei der Ständigen Ausstellung nicht eingehalten.

Der schon vorhandene Katalog der Frühjahrsausstellung, der bereits vor dem Anschluss gedruckt worden war, ermöglicht einen direkten Vergleich mit der redigierten nationalsozialistischen zweiten Ausgabe. Interessanterweise wurde dabei die Ausstellung von 236 Nummern auf 492 erweitert, die Katalogseiten stiegen von 15 auf 23; die äußere Form blieb fast gleich, ebenso wie die Namen der Funktionäre der verantwortlichen Ausstellungskommission.

Man fand also für die ausgeschiedenen Kunstwerke – im neuen Katalog nicht mehr enthalten sind Werke von Siegfried Bauer (“Moses”), Arthur Ferraris, Steffi Gartenberg-Reiner, Josef Grünhut, Hans Lindemann, Irma Rothstein, Fritz Schenk, Wolfgang Schönthal, Oskar Stössel, Alois Strebinger und Pepi Weixlgärtner – genug neues Material, wahrscheinlich auch aus dem ursprünglich separat geplanten, der Jugendausstellung gewidmeten zweiten Teil.

Wie die Auswahl konkret technisch vor sich ging, ist heute mangels detaillierter Quellen kaum verlässlich nachvollziehbar. Anscheinend war es so, dass die Ausstellungskommission von sich aus Werke derjenigen Kollegen ausgeschieden hatte, von denen man wusste bzw. vermutete, dass sie Juden waren. Zum Teil konnte man sich sonst nur auf Angaben der Betreffenden selbst stützen, soweit sie überhaupt anlangten. Ausgeschieden werden konnten einige Werke aber auch nur aus rein künstlerischen, optischen Überlegungen bzw. wegen Platzmangel, unabhängig von der Tagespolitik; solche Nachtragsänderungen waren durchaus üblich.

Zur Ehre der Genossenschaft, deren Mitglieder doch – zumindest teilweise – den Anschluss begeistert begrüßt hatten, muss festgehalten werden, dass in dem neuen Katalog kein einziges Bildnis des Führers oder eines anderen nationalsozialistischen Politikers enthalten war. Das in der damaligen Presse öfters reproduzierte Bildnis der Tochter des neuen Reichstatthalters Dr. Seyss-Inquart Inge von Hans Frank war schon im ersten ursprünglichen Katalog der Frühjahrsausstellung vorhanden und es sollte also auch schon vor dem Anschluss ausgestellt werden. Eröffnet wurde die Frühjahrsausstellung am 13. April 1938.

Erst in der “Ständigen Ausstellung” wurden am 15. April 1938 drei Bronzeplaketten mit dem Führerporträt eingereiht: von Arnold Hartig, Otto Hofner und Karl Perl. Ihre Ausstellung erfolgte, wie Leopold Blauensteiner in einer an die Presse gerichteten Mitteilung schrieb, im Interesse der Wiener Künstlerschaft als Gegengewicht zu der nun besonders stark betriebenen deutschen Kunstpropaganda.72 Im Herbst, in der am 12. November 1938 eröffneten 58. Jahresausstellung, gab es drei Führerbildnisse: von Rudolf Böttger (im Besitz der Landeshauptmannschaft Niederdonau), von Otto Hofner (in Gips, verkäuflich), und die Bronzeplakette von Karl Perl (verkäuflich).

Ausgesprochen politisch wurde in den Ausstellungen dieser Zeit nur Hans Frank, so etwa mit seinem Großgemälde “Die Befreiungsfeier auf dem Heldenplatz in Wien am 15. März 1938″. Sonst findet man nur mehr oder weniger harmlose Landschaften und Genrebilder, wie in den Zeiten der Ersten Republik. Dieser politisch inaktuelle Stil blieb den im Künstlerhaus gemachten Ausstellungen im Großen und Ganzen bis zum Frühjahr 1945 eigen.

Umso mehr fallen die großen Propagandaausstellungen auf, auf deren Gestaltung die Genossenschaft, am 4. April 1940 offiziell in “Gesellschaft bildender Künstler Wiens, Künstlerhaus” umbenannt,73 als Vermieterin keinen Einfluss hatte.74 Als erste solcher politischen Ausstellungen wurde im September-Oktober 1938 “Die Schrift der Deutschen” gezeigt, eine Veranstaltung des Berliner Schriftmuseums Blanckertz. Die Ausstellung propagierte die gotische Schrift, zu der nun auch die Ostmärker zurückkehren sollten.

Am 20. Oktober 1938 kam dann die Ausstellung “Europas Schicksalkampf im Osten”, veranstaltet unter der Schirmherrschaft des Stellvertreters des „Führers“ Rudolf Hess von der „Dienststelle des Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP“: Vier Jahrtausende europäischer Geschichte in Funden, Kunstwerken, Karten, Urkunden und Schriften. Die Ausstellung wurde fertig aus der Nürnberger Norishalle übernommen.75 “Europas Schicksalkampf” war reine Vermietung.

Was die normalen Ausstellungen betrifft, waren die öffentlichen Stellen zu dieser Zeit bemüht, die “ausgeschalteten jüdischen Mäzene” zu ersetzen und erwarben im Künstlerhaus viel. Im August 1938 wurde eine Lotterie zugunsten der sozialschwachen Künstler veranstaltet, die Preise wurden im Haus ausgestellt und hier fand auch die Ziehung statt.

Schon wenige Wochen nach dem Anschluss wurde eine Wanderausstellung zusammengestellt, die durch viele Städte “Altreichs” ging. Sie hieß “Kunstschaffen der Ostmark” und die Deutschen zeigten für sie tatsächlich viel Interesse.

Im März 1939 wurde im Künstlerhaus endlich die schon ab 1936 geplante Ausstellung “Berge und Menschen der Ostmark” eröffnet, jetzt natürlich unter einem anderen Gesichtspunkt. Die Ausstellung wurde zu einer großen Übersicht der heimischen, heimatlich-gemäßigten “nationalsozialistischen” Kunst und die politischen Behörden machten in ihr gewaltige Ankäufe. Verbunden war die Ausstellung mit einer volkskundlichen Schau, in der man allerdings schon Probleme mit dem “Brauchtumsessen” hatte: es gab nicht mehr alle Lebensmittel, mit den man in Österreich üblicherweise kochte – und das ein halbes Jahr vor dem Krieg!

Viele Werke wurden für die Ausstellung erst geschaffen. Die Künstler bekamen von den Pensions- und Hotelbesitzern Freiquartiere, die Bahn erließ Fahrkarten, es gab spezielle Stipendien. Anschließend ging die Ausstellung nach Berlin – in Wien musste sie deswegen um eine Woche verkürzt werden -, wo sie um weitere Abteilungen erweitert zu einer großen “Ostmarkschau” wurde. Zum „Schirmherrn“ wurde der an Österreich interessierte Ministerpräsident Generalfeldmarschall Hermann Göring. In Berlin gab es zusätzlich Modevorführungen, Wiener Cafés und Sportveranstaltungen. Trotz großer Propaganda kamen zur Ausstellung “nur” 150 000 Besucher, die Veranstalter hatten mit einer halben Million gerechnet. Verursacht wurde dieser schwächere Besuch durch ungünstige Witterung; zuerst regnerisch, kam dann heißes Badewetter. Von Berlin ging die Ausstellung ins Landesmuseum nach Wiesbaden. Während dieser Zeit brach der Krieg aus; das Museum wurde für militärische Zwecke beschlagnahmt. Die Ausstellung musste abgebaut und rasch in den Souterrainsdepots verstaut werden; nach Wien kamen die Kunstwerke erst nach vielen Urgenzen zurück.

Knapp nach den “Bergen und Menschen” folgte die Propagandaausstellung “Entartete Kunst”, die fertig aus Deutschland übernommen wurde und ins Künstlerhaus unerwartet viele Besucher lockte. Sogar die nationalsozialistischen Veranstalter selbst waren überrascht: man rechnete mit 30 000 Besuchern, gekommen waren 147 000. Zahlen, die man im Künstlerhaus schon seit Jahren nicht gesehen hatte. Die Ausstellung endete für die Genossenschaft mit einem hohen Defizit, denn sie war am Umsatz nicht beteiligt, hatte aber unerwartet hohe Personalkosten und durch den großen Andrang gab es auch Schäden am Haus.

Doch auch die Besucherzahlen der “normalen” Kunstausstellungen lagen jetzt wesentlich höher, als vor dem Anschluss. Es kamen Kunstfreunde, die jetzt mehr Geld hatten, privat und aus eigenem Interesse; massenhafte Durchschleusungen von Schulen oder werktätigen Volksgenossen durch Kunstausstellungen fanden noch nicht statt. Weniger frequentiert wurden nur fremde Ausstellungen von Künstlern, deren Namen man in Wien nicht kannte, so etwa “Das Kunstschaffen der Westmark”.

Mit Ende Juli 1939 begann die große Hausrenovierung, der gesamte Ausstellungsbetrieb wurde eingestellt und erst Wochen später nach und nach langsam wieder aufgenommen. Im linken Oktogon eröffnete man im Auftrag der Wiener Landesleitung der RKK eine ständige Ausstellung der Siegespreise, einer damals ganz aktuellen Art des Kunstgewerbes. Die Ausstellung sollte das Niveau der Preise heben und man wollte von den üblichen kitschig-glänzenden Billigmetallpokalen wegkommen. Besonders geschulte Berater gaben interessierten Sportfunktionären Anregungen und verkauften auch direkt – vor allem künstlerisch ausgeführte Kleinplastiken, für die nur noch dem Anlass entsprechende Schildchen oder Gravuren gemacht werden mussten.

Die Ausstellungskommission dieser Monate nahm ihre Aufgaben besonders ernst. Die Zeiten, in den das Kunstwerk im Vordergrund stand und die Ausstellungsräume nur durch Licht, Farbe und Dekorstoffe verändert wurden, sollten der Vergangenheit angehören. Jetzt setzte man – sicher durch Propagandaschauen beeinflusst – auf aufwendige Architektur. Um die Planungen der Architekten und die Aufbauarbeiten zu erleichtern, sprach man im Frühjahr 1939 zum ersten Mal sogar von Anfertigung der Saalmodelle im Maßstab 1:50. An diesen Modellen sollte nicht nur die Ausstellungskommission ihre Ideen überprüfen, sie sollten auch die zuständigen Parteifunktionäre von der Notwendigkeit öffentlicher Subventionen überzeugen.76 Anscheinend wurde dieser Gedanke damals nicht verwirklicht; die ersten Ausstellungsmodelle haben sich im Künstlerhaus erst aus der Zeit der großen Propagandaausstellungen nach 1945 erhalten.

Inzwischen begann man wieder auch mit der Wandfarbe zu experimentieren. Nachdem man früher aus Sparsamkeit immer wieder zu der neutralen weißen Farbe zurückkehrte, entstanden jetzt zur Abwechslung Vorschläge zur “Verdunkelung”: 1941 wurden die Wände des Präsidentensaals (Ranftlzimmers) mit grüner Jute bespannt; die Ausstellungsräume “250 Jahre Akademie” wurden mit einem nicht näher bezeichneten dunklen Ton versehen, der auf breite, allgemeine Zustimmung stieß.77

Im Oktober 1939 wurde im Französischen und Deutschen Saal das in diesem Jahr geerntete Getreide eingelagert. Das eingelagerte Gut war Eigentum des Deutschen Reiches; die mit der Einlagerung beauftragte Firma war jene des Friedrich Glatz, Untere Donaustraße 29. In Anspruch genommen wurden die Säle auf Grund der Anordnung des “Beauftragten für den Vierjahresplan zur Sicherstellung des Lagerraumes für Zwecke der Getreideeinlagerung” vom 10. August 1939 durch die Reichsstelle für Getreide in Berlin.

Ursprünglich wurde nur der Französische Saal ab dem 1. Oktober 1939 beschlagnahmt. Als sich während der Getreideeinlieferung zeigte, dass dieser Saal allein die einzuliefernde Menge nicht aufnehmen konnte, wurde am 17. Oktober auch der Deutsche Saal angefordert, der bis zum 20. Oktober geräumt übergeben werden musste. Nachdem im Künstlerhaus 560 t Getreide eingelagert waren, sperrte man beide Säle ab und sie durften nur noch in Begleitung eines Firmenangehörigen betreten werden.

Im Februar 1940 zeigte sich am Getreide durch Beheizung der Nebenräume und mangelnde Lüftung, die Säle waren außerdem nicht unterkellert, Schimmelpilzbildung. Das gab dem Vorsitzenden Rudolf H. Eisenmenger zum ersten Mal die Möglichkeit gegen die Einlagerung wirksam vorzugehen; von einer baulichen Eignung der Ausstellungssäle als Getreidelager konnte nach seinen Worten keine Rede sein. Der Beigeordnete der Stadt Wien, Ing. Hanns Blaschke, hatte in der Folge die Verlegung des Getreides aus dem Künstlerhaus “wärmstens befürwortet”.

Im April 1940 zeigten sich die ersten Mäuse; die Tiere liefen bald auch in anderen Sälen sogar tagsüber herum. Das Getreide selbst war außerdem inzwischen nach Feststellungen der Firma Glatz stark mit Ungeziefer durchsetzt. Die Säle besser abzudichten war nicht möglich. Dazu kam, dass die der Genossenschaft aufgezwungene “Pacht” der beiden Säle äußerst knapp bemessen worden war, keinen Gewinn abwarf und durch diese “Verpachtung” dem Künstlerhaus noch unnötige steuerlich-bürokratische Schwierigkeiten beim Finanzamt entstanden waren.

Die Genossenschaft konnte ab dem Sommer 1939 praktisch keine eigene Hausausstellung mehr durchführen, auch die Ständige wurde wegen des eingelagerten Getreides eingestellt. So hatten die auf Verkauf angewiesenen Künstler im Künstlerhaus selbst durch Wochen, ja Monate hindurch keine Erwerbsmöglichkeit. Erst Anfang Juni 1940 begann man das Getreide abzuführen begonnen; ab dem 17. Juni 1940 konnte die Genossenschaft bzw. wie sie jetzt hieß, Gesellschaft, über beide Säle wieder frei verfügen.

Auch in der Secession lag das Getreide, doch nachdem man es von dort schon im Winter abgeholt hatte, konnte darin am 24. April 1940 die Frühjahrsausstellung eröffnet werden. Es handelte sich um die erste Frühjahrsausstellung des vereinigten Künstlerhauses und der Secession. Nachdem sich die dortige Künstlervereinigung aufgelöst hatte, wurde das Gebäude als “Ausstellungshaus Friedrichstraße” der Gesellschaft übertragen.

Waren im Künstlerhaus und in der Secession im Herbst 1939 also kaum Verkäufe von Kunstwerken möglich, so waren doch die Wanderausstellungen im “Altreich” kommerziell erfolgreich; außerdem konnte die Genossenschaft bzw. Gesellschaft mehrere große Direktverkäufe abschließen. Nach dem Anschluss entstanden vor allem in den neuen Behörden, die sich einrichten mussten, neue potente Kunden. Zu einem solchen Dauerkäufer wurde das Luftgaukommando XVII. in Wien, Mariannengasse 20, das bis 1942 vor allem Gemälde um viele Tausend Reichsmark ankaufte, meist Landschaften des ehemaligen Österreichs und harmlose Genrebilder.

Ab 1940 kaufte auch der damalige Starfotograf Heinrich Hoffmann, Verlag nationalsozialistischer Bilder in München, Friedrichstraße 34, viel ein. Heinrich Hoffmann war “Reichsbildberichterstatter der NSDAP”, und verwendete die angekauften Werke vorwiegend als Vorlagen für Reproduktionszwecke. Auch er erwarb dutzendweise Landschaften, Bauernhöfe und sonstige, eher volkskundliche Studien aus dem noch heilen Österreich.

Sehr ernst nahm die Förderung der bildenden Kunst der junge Reichsstatthalter Reichsleiter Baldur von Schirach, seine Frau Henriette war die Tochter des erwähnten Fotografen und Verlegers Heinrich Hoffmann. Um sich mit der ihm bisher kaum bekannten Wiener Kunst bekannt zu machen, ließ sich Schirach nach und nach jeweils fünf Werke jedes Mitglieds(!) in die Statthalterei am Ballhausplatz bringen. Ein etwas bisher ungewöhnlicher Vorgang, dem man im Künstlerhaus aber gerne entsprach, zumal man bei den eingeschränkten Ausstellungsmöglichkeiten auf diese Weise doch zu einem gewissen Bekanntheitsgrad und Verkaufserfolg kam.

Im Spätsommer 1940 hatte die NS-Gemeinschaft “Kraft durch Freude, Abteilung Feierabend”, eine Graphik-Wanderausstellung durch die Betriebe gestartet. Die Ausstellung, die am 23. September 1940 zum ersten Mal eröffnet worden war, wurde nach und nach in 24 Firmen rund 18 000 “Gefolgschaftsmitgliedern” gezeigt, die im allgemeinen zum ersten Mal in nähere Beziehung zur bildenden Kunst kamen. Der Ausstellung angeschlossen waren fünf Reproduktionen von Aquarellen des Führers, die sich auch gut verkauften.

Viele Werkzeitschriften brachten ausführliche Berichte und nicht selten folgten in den Betrieben ergänzend selbständige Ausstellungen, in der das “Laienschaffen der Gefolgschaftsmitglieder” ihren Kameraden gezeigt wurde. Man machte damals zwischen diesen Hobbykünstlern und den Berufskünstlern aus dem Künstlerhaus, ganz im Sinne der Reichskunstkammer und ihrer Bestimmungen, eine scharfe Trennung. Das “Laienschaffen” war damals noch nicht Kunst, es war “Steckenpferd”. Durch die Kriegsverhältnisse musste die Wanderausstellung dann vorzeitig abgebrochen werden.

1940-1943 lief die Aktion des saarländischen Gauleiters Josef Bürckel “Neugestaltung der Kriegerdenkmäler in Lothringen”, die mit 96 000 Reichsmark dotiert war. Sie vergab Aufträge an mehr als ein Dutzend Bildhauer, die Gefallenendenkmäler für 18 Orte schufen. Hauptsächlich handelte es sich um eine Ergänzung alter französischer Denkmäler durch deutsche Motive und Inschriften.

Für Maler und Graphiker gab es im Auftrag des Gauleiters im September-Oktober 1940 eine Aktion zwischen dem deutschen Westwall und der französischen Maginotlinie. Die gemeinsam mit einigen lokalen Künstlern geschaffenen Werke wurden in Saarbrücken und Berlin gezeigt; sie sollten auch nach Wien kommen, bis ihre Übernahme am 26. Juni 1941 der Reichsleiter Baldur von Schirach verbot.78 Es entsprach „nicht dem Rang des Künstlerhauses, Ausstellungen aus zweiter oder dritter Hand“ zu übernehmen. Anscheinend handelte es sich hier aber nicht nur um eine Aufwertung des Wiener Künstlerhauses, sondern um eine private Rivalitätsfrage zwischen Schirach und Bürckel.

Der für diese Ausstellung freigehaltene Termin wurde dann durch rasch zusammengestellte Kollektionen der Jubilare Maximilian Lenz, Johann Viktor Krämer, Ernst Graner, Gottlieb Th. Kempf, Alexander Rothaug und Franz Seifert ausgefüllt (bewilligt durch den Landeskulturwalter der RKK im Gau Wien am 9. Juli 1941).

Kurz davor wurde eine geplante Ausstellung moderner rumänischer Kunst abgesagt, anscheinend wegen Verständigungsschwierigkeiten. Im Oktober 1941 folgte auf Weisung des “Generalreferates für Kunstförderung, Staatstheater, Museen und Volksbildung” eine Absage der bereits weit vorbereiteten Ausstellung französischer Kunst des 19. Jahrhunderts. Alle inzwischen aufgelaufenen Kosten für Plakatdruck und den Katalog wurden der Gesellschaft ersetzt.79

Eindeutige Differenzen zwischen den einzelnen NS-Behörden zeigten sich im Juni und Juli 1941 anlässlich der Ausstellung Franz Klimsch. Es entstanden Probleme mit der Finanzierung und es gab Unstimmigkeiten mit dem Text auf den Eröffnungseinladungen. Publik wurde die Sache durch die Tatsache, dass alle Drucksorten diesmal in Berlin gedruckt wurden, wohin man alle Korrekturen weiterleiten musste. Die Ausstellung selbst wurde sehr gut besucht, man hatte sie sogar verlängert und den Katalog nachgedruckt. Er wurde aus Berlin sogar mit der Lufthansa nachgeliefert.

Im Herbst 1941 wurde auf Wunsch und mit Förderung des Statthalters Baldur von Schirach in Düsseldorf die Ausstellung “Wiener Kunst” veranstaltet. Englische Nachtangriffe bedrohten bereits die Stadt aus der Luft – im Künstlerhaus sprach man zum ersten Mal von englischen Flügen im Juni 1940 anlässlich einer Ausstellung in der Galerie Schaumann in Essen -; trotzdem stand der Reichsleiter auf dem Standpunkt, dass man die Westgebiete des Altreichs nicht vom kulturellen Schaffen ausschließen durfte. Auf seine Weisung hin gingen nach Düsseldorf auch Leihgaben aus den Stadtsammlungen, die verkäuflich waren. Es handelte sich um Werke von Zeitgenossen, die seinerzeit die Städtischen Sammlungen angekauft hatten; die einlaufenden Beträge sollten als Honorare den Künstlern zu neuen Aufträgen der Stadt verhelfen.

Alle Ausstellungen im Künstlerhaus mussten, übrigens wie schon in der Ersten Republik, bei den Behörden im Voraus angemeldet werden. Die Ausstellungskommissionen hielten sich im Großen und Ganzen an die bestehende Gesetzgebung; nur wenige Eingriffe politisch motivierter Zensur sind bekannt geworden. Es lag in Eigenverantwortung und im eigenen Interesse der Künstler, bei Behörden möglichst wenig anzuecken und so meldeten sie selbst von vornherein zu den Ausstellungen kaum Anstoß erregende Werke an.

Nachweisbar ist die Entfernung einer Zeichnung mit dem Titel “Eintopfgericht” aus der Gschnasgalerie 1939 und der Marmorbüste “Frau Lilli Roth” des Bildhauers Franz Seifert aus der Jubiläumsausstellung 1941, Kat. Nr. 337. Die Zeichnung “Eintopfgericht” wurde anlässlich der Pressebesichtigung von einem Journalisten fotografiert und sie erschien in einer reichsdeutschen Zeitung. So wurde man auf sie in Berlin erst aufmerksam.

Die Büste Seiferts wurde auf Anordnung der Reichskammer am 13. Jänner 1942 aus der Ausstellung entfernt, also anderthalb Monate nach der Eröffnung. Anscheinend war die Dargestellte nicht „reinrassig“ und dies wurde erst später entdeckt; andere Werke Seiferts konnten in der Ausstellung verbleiben.80 Seifert wurde wahrscheinlich auf Grund einer Denunziation für den 9. Jänner 1942 in die Landesleitung der RKK, Reisnerstraße 40, vorgeladen. Seine Ausführungen dürften noch weiter überprüft worden sein, denn die Weisung zur Entfernung der problematischen Büste ist erst mit 12. Jänner datiert. Die Büste, auch als “Tänzerin Lilli Berger” bezeichnet, wurde dem Künstler bzw. dem namentlich nicht mehr bekannten Leihgeber zurückgestellt.

Im November 1943 sprach sich Leopold Blauensteiner in seiner Funktion als Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste beim Landeskulturwalter, Reichsgau Wien, gegen zwei Porträts von Josef Dobrowsky “Prof. Grimschitz” und “Prof. Behn” aus und stellte darüber sogar ein schriftliches Gutachten aus: “… Unbeschadet der Qualität des Künstlers können Werke nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, die Elemente der Verfallskunst aufweisen. Dies ist in den beiden Gemälden, besonders hinsichtlich der Hände der Fall…”81

Vier weitere Bilder Dobrowskys haben die Jury glücklich passiert und wurden in die Ausstellung “Wiener Bildnisse aus Kunst und Wissenschaft” eingereiht und eines davon sogar im Katalog abgebildet.

Während der Jury der Frühjahrsausstellung am 26. April 1944 wurde das Gemälde “Justiz” des in Wien sonst kaum bekannten Malers Zeno Siengalewicz82 beschlagnahmt und am folgenden Tag in das neue Büro Leopold Blauensteiners im Trattnerhof 1 zugestellt. Wer die Beschlagnahme verfügt hatte und warum, ist nicht bekannt.83

Am 7. Jänner 1943 wurde eine Idee der Ausstellungskommission besprochen, die ein “Gütesiegel” einführen wollte. Alle in die Ausstellungen aufgenommenen Kunstwerke sollten ein “Gütestempel des Wiener Künstlerhauses” erhalten. Bisher gab es nur die Einlaufetiketten, die zwar bewiesen, dass das jeweilige Kunstwerk zur Ausstellung im Künstlerhaus angemeldet worden war; ob das Werk dann aber die Jury passierte und tatsächlich ausgestellt wurde, blieb ungewiss. Nicht zu jeder Ausstellung gab es Kataloge und skrupellosen Kunsthändlern genügte nur das Vorhandensein des Etiketts schon zur Behauptung “ausgestellt im Künstlerhaus”. Der Gütestempel hätte diese Missstände beseitigt, wäre ein Leitfaden für Laien und würde außerdem eine gewisse künstlerische Qualität des Werkes garantieren. Doch er hätte eine Zweiklassengesellschaft geschaffen und zu unangenehmen Zwischenfällen, ja persönlichen Beleidigungen führen können. Der Gütestempel bzw. das Gütesiegel wurde deshalb nicht eingeführt.84

Während der Eröffnung der Jubiläumsausstellung 1941 kam es zu einem unliebsamen Inzident: Stadtrat Ing. Hanns Blaschke, Generalkulturreferent Walter Thomas, der Landesleiter der Reichskulturkammer Leopold Blauensteiner, stellvertretender Gauleiter Karl Gerland, ein General und einige weitere Ehrengäste fanden keinen Sitzplatz vor, da ihre reservierten Plätze von anderen besetzt waren. Igo Pötsch berichtete über diesen Zwischenfall:

… Nachdem bereits 38 Ehrengäste im Casino des Künstlerhauses um den Reichsleiter versammelt waren, begab ich mich in den Hauptsaal. Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass zwei Männer in Parteiuniform Gästen, für die die reservierten Reihen nicht bestimmt waren, Plätze anwiesen. Daraufhin sah ich mich veranlasst, Pg. Geppert aufmerksam zu machen, dass diese Platzanweisung nicht erwünscht sei, da die ersten drei Sesselreihen für den Reichsleiter und die Spitzen der Wehrmacht, Partei und Staat bzw. Gemeinde bestimmt sind. Pg. Geppert antwortete mir, dass er dies besser verstehe.

Nachdem Pötsch weiter unmissverständlich gesagt wurde, dass nur Parteigenosse Geppert hier “zu befehlen habe”, zog sich Pötsch zurück und überließ die Verantwortung für alle weiteren Anordnungen dem zitierten Parteigenossen Geppert.

Die Betroffenen selbst haben ihr Missgeschick mehr oder minder mit Humor aufgefasst und bald wieder vergessen; Igo Pötsch fand es aber trotzdem als seine Pflicht, sich auch schriftlich für das Vorgefallene bei allen Stehengebliebenen für sich und das Künstlerhaus zu entschuldigen. Dadurch aufmerksam gemacht, bat Leopold Blauensteiner um weitere Erklärung des Vorfalles, die ihm vom Vorsitzenden R. H. Eisenmenger am 29. November 1941, auch schriftlich, gegeben wurde. Die Schuld lag tatsächlich nicht am Künstlerhaus, sondern an der schlechten Organisation der Parteistellen bzw. am selbstherrlichen Verhalten eines ihrer leitenden Mitglieder.

Am 5. Dezember 1941 besuchte der Reichsminister Dr. Joseph Goebbels die Jubiläumsausstellung, der hier auch einige Einkäufe machte. Er war vielleicht der einzige von den wirklichen Spitzen des nationalsozialistischen Staates, die das Künstlerhaus je besuchten.85 Der „Führer“ Adolf Hitler kam in seiner Funktion als Reichskanzler weder in das Künstlerhaus noch in die Secession. Es ist allerdings anzunehmen, dass er beide Häuser aus seiner Wiener Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als junger arbeitsloser Maler kannte. Abgesehen von der Jubiläumsausstellung, die im Künstlerhaus und im Ausstellungshaus Friedrichstraße stattfand, mussten alle Ausstellungen des Jahres 1941 in der Secession durchgeführt werden, da das Künstlerhaus bis November 1941 im Inneren adaptiert wurde.

Die Begeisterung der anfangs verführten Künstlerkollegen für die nationalsozialistische glanzvolle Ordnung begann schon wenige Monate nach dem Anschluss abzuklingen. Das im Frühjahr 1938 angekurbelte künstlerische Schaffen nahm nach Kriegsausbruch 1939 merklich ab. Zahlreiche Künstler wurden zum Dienst mit der Waffe und zu anderen Aufgaben eingezogen und auch die in Wien Verbliebenen zeigten keine richtige Schaffenskraft mehr. Als 1942 die Herbstausstellung vorbereitet wurde, die wichtigste Verkaufsausstellung vor Weihnachten, kamen so wenige Anmeldungen, dass sich die Ausstellungskommission am 2. September 1942 entschloss, die Herbstausstellung ganz abzusagen. Die Ausstellung hätte am 12. September 1942 in der ohnehin kleinen Secession eröffnet werden sollen, ein Faltkatalog war in Vorbereitung.86

Ähnlich schwach waren Einsendungen für die 1942 zu eröffnende Ständige Ausstellung. Ursprünglich für Mai gedacht, wurde ihre Eröffnung immer wieder verschoben. Anfang Oktober 1942 kam man schließlich auf den Gedanken, von der Ständigen Ausstellung ebenfalls abzusehen und statt ihr wechselnde Kollektionen einzelner Künstler und Künstlergruppen zu veranstalten.

Diese neue “Wechselnde Ausstellung” im renovierten Deutschen Saal bekam ein einheitliches Erscheinungsbild; sie wurde am 12. November 1942 eröffnet. Von den ersten 27 persönlich angesprochenen Künstlern meldeten sich als erste die Maler Max Frey, Erich Miller-Hauenfels, Max Neuböck und der Bildhauer Edmund Moiret.

Anfang Jänner 1942 kam in der Landesleitung der Reichskulturkammer ein Fernschreiben des Reichspropagandaministeriums aus Berlin an, wonach die “besten und bedeutendsten” Künstler ein “einmaliges und einzigartiges historisches Geschehen” künstlerisch festhalten sollten: die Sammlung von Woll- und Wintersachen für die in Rußland kämpfenden Armeen. Die Berliner Propagandaleute dachten nicht nur an “Werke, die deutsche Volksgenossen auf dem Wege zur Sammelstelle, in Sammelstellen bzw. bei ihrer Arbeit in Näh- und Flickstuben zeigen, uns somit die Wintersachensammlung als Beweis der Gebefreudigkeit und Opferwilligkeit des deutschen Volkes darstellen, sondern auch der Abtransport zur Front, insbesondere die unmittelbare Übergabe der Woll- und Wintersachen auf den Bahnhöfen in die nach dem Osten rollenden Transportzüge”.

Nicht jeder Maler war für diese “Ehrenaufgabe” geeignet: “es sind hierzu nur die besten hierfür in Frage kommenden Künstler aufzufordern, die bereits durch ihre Werke bewiesen haben, dass sie in der Lage sind, diese Aufgabe in vollendet künstlerischer Form zu lösen”. Die Werke sollten später gesammelt in einer Sonderschau, etwa in der nächsten deutschen Kunstausstellung in München gezeigt werden.

Das Künstlerhaus erhielt das Schreiben am 5. Jänner 1942. Man wählte 21 Maler aus und setzte sich mit den in den Kasernen befindlichen Sammelstellen (Stifts-, Albrechts-, Radetzky-, Meidlinger-, Trost- und Breitensee-Kaserne, dem Feldzeugkommando XVII. sowie dem Heereszeugamt) in Verbindung. Am 13. Jänner 1942 wurde über die bevorstehende Aktion der in der Statthalterei arbeitende Generalreferent Walter Thomas informiert und um Bewilligung der erforderlichen finanziellen Mittel gebeten.

Thomas lehnte sofort ab; seiner Ansicht nach eignete sich diese Sammelaktion überhaupt nicht für propagandistisch aufbauende, motivierende künstlerische Darstellungen.87 Nachdem es keine Geldzusage gab, und da auch das Interesse unter der Künstlern selbst für dieses Thema äußerst gering war, war es mit der von Berlin aus so enthusiastisch eingeleiteten patriotischen Aktion zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat.88

Zum großen Erfolg wurde dagegen die Programmausstellung “Das schöne Wiener Frauenbild”, die 1942 im Künstlerhaus und anschließend als Wanderausstellung auch in mehreren Städten des Altreichs gezeigt wurde. Die Anregung zu dieser Ausstellung gab der Brief einer Wienerin. Am 19. Oktober 1941 schrieb Frau Herta Boresch, Währingergürtel 137, an das Künstlerhaus: “Als Wienerin bedauere ich immer wieder, dass man so selten Bilder sieht, wo die echte Wienerin, wie man sich sie allgemein vorstellt, verkörpert wird. Bitte halten Sie mich nicht für eingebildet, doch glaube ich das zu haben, was man die wienerische Note nennt… Ich bin nicht Malerin, möchte gerne einem Künstler Modell sein für ein echtes Wiener Frauenbild. Deshalb lege ich drei Bilder bei, damit Sie auch wissen, wie ich aussehe…”89

Die Fotos haben sich im Ausstellungsakt nicht erhalten, sie wurden der Wienerin zurückgeschickt. Die Idee fiel aber auf fruchtbaren Boden, alle beteiligten Funktionäre waren mit ihr einverstanden, die Mitglieder wurden um entsprechende Werke gebeten. Während kurzer Zeit entstanden hauptsächlich Porträts, die 1942 in einer Themenausstellung gezeigt wurden; der Katalog war schon während der ersten Woche vergriffen.

Das “schöne Wiener Frauenbild”” gefiel auch den Politikern; sowohl Reichsstatthalter Reichsleiter Baldur von Schirach, als auch der Reichsminister Dr. Goebbels stifteten entsprechende Künstlerpreise. Bei den Verleihungen kam es dann allerdings zu einigen Missstimmungen, da Schirach aus einem nicht eruierbaren Grund die Prämierungen der Presse nicht bekannt geben wollte. Diese Schweigsamkeit hat man im Künstlerhaus nicht verstanden, ist doch jede Reklame für den Künstler wichtig. So wurden trotz des Verbots Schirachs die Preisträger den Medien bekanntgegeben; dieser Ungehorsam blieb ohne negative Folgen, anscheinend konnte man Schirach doch mündlich überzeugen.

Zu einem weiteren Konflikt kam es wegen derselben Ausstellung im Herbst 1942. “Das schöne Wiener Frauenbild” aus fast ausschließlich Gemälden und Gipsplastiken, ging auf eine Wanderausstellung, zuerst nach Beuthen, dann nach Breslau / Wroclaw und sollte weiter nach Danzig / Gdansk gehen. Auf Wunsch Schirachs wurde Danzig gewählt, obwohl diese Stadt bereits unter starken Bombenangriffen zu leiden hatte. Für Schirach war aber gerade das der Grund zu seiner Entscheidung; er wollte ein „Zeichen der Verbundenheit mit der schwer geprüften Bevölkerung“ setzen.

Auf Proteste der Ausstellungskommission und des Direktors Acherer, dass es sich bei diesem Ausstellungsgut um unwiederholbare Originalkunstwerke handelt, die zum Teil bereits verkauft worden waren, bekam das Künstlerhaus von der Statthalterei keine schriftliche Antwort; Generalkulturreferent Thomas ließ telefonisch ausrichten, dass die Ausstellung stattfinden wird, und dass die “Herren, die Furcht haben, selbst an Herrn Thomas schreiben mögen”.

Der Ausstellungsleiter Igo Pötsch ließ diese Nachricht in tragbarer Form durch die hauseigenen Mitteilungen den Kollegen zukommen. Im Fall von Einsprüchen wäre die Reichsstatthalterei haftbar zu machen. Erst am 7. Dezember 1942 wurde die Garantie der Statthalterei von Walter Thomas auch schriftlich bestätigt. Die wenigen angelangten Ansuchen um Rückgabe blieben unberücksichtigt; die Ausstellung ging komplett aber nicht mehr nach Danzig, sondern nach Köln. Dort blieb sie zum Glück von alliierten Bomben verschont, alle Werke kamen unbeschädigt zurück.

Dass man sich um die Wanderausstellungen im Künstlerhaus nun durchaus berechtigte Sorgen machte, zeigt der Fall der Schau “Deutsche Kupferstecher der Gegenwart”. Diese Ausstellung wurde vom “Grenzlandmuseum Flensburg” zusammengestellt und ging als Wanderausstellung durch die Städte des Altreichs. Das Künstlerhaus wollte die Exposition für seine Frühjahrsausstellung 1942 übernehmen, doch wurde dies aus Termingründen unmöglich. Da es sich aber um eine Graphikausstellung handelte, konnte man in Zusammenarbeit mit Flensburg eine zweite Serie zusammenstellen. Kurz danach, im April 1942, wurde die erste Fassung in Rostock bei einem Luftangriff vernichtet.

Die zweite Serie, von Hubert Woyty-Wimmer zusammengestellt, wurde während der Frühjahrsausstellung 1942 im Künstlerhaus gezeigt und ging im Herbst, etwas vergrößert, nach Troppau / Opava. 1943 folgten Linz, Graz, Brünn / Brno, Braunau und Ried. 1944 wurde die Wanderausstellung in Flensburg aufgelöst und die Graphiken ihren Eigentümern zurückgesandt. In Brünn wurde die Ausstellung wegen einer Terminkollision mit dem „Wiener Frauenbild“ in zwei Teilen gezeigt.

Im Frühjahr 1943 fand im Künstlerhaus die Ausstellung “Junge Kunst im Deutschen Reich”, um die sich nach dem Krieg viele Legenden bildeten. Die Ausstellung wurde nach vier Wochen Laufzeit, aber doch vorzeitig, am 7. März 1943 geschlossen. Wie die Presse angab, aus Personalersparnis und zur Entlastung der Reichsbahn – da sie angeblich auch aus dem Altreich viele Besucher nach Wien lockte.

Gleichzeitig mit der „Jungen Kunst“ fand im Ausstellungshaus Friedrichstraße auf Anregung Schirachs, den das Klimt-Buch Emil Pirchans nach eigenen Worten begeisterte, eine Klimtausstellung90 statt, die von Anfang an nur bis zum 7. März 1943 geplant war. Sie war es, die die Besucher anzog: sie wurde – um eine Woche bis zum 14. März 1943 verlängert – von 24 096 zahlenden Kunstinteressierten gesehen, während die “Junge Kunst” es bis auf die fehlende Verlängerungswoche zur gleichen Zeit auf 9084 Besucher brachte.

Von der “Jungen Kunst” blieben viele Kataloge unverkauft liegen; sie wurden schon kurz nach der Ausstellung durch den Buchhandel verbilligt verkauft.91 Von einem überwältigenden Erfolg dieser Ausstellung kann also keine Rede sein.

Initiiert wurden beide Ausstellungen durch Baldur von Schirach, der sich jedoch kurz vor den Eröffnungen plötzlich von ihnen distanzierte. Obwohl bereits gedruckte Einladungskarten vorlagen, wonach Schirach persönlich die Eröffnungen vornehmen sollte – dabei hatte man allgemein bereits mit empfindlichen Papierkürzungen zu kämpfen, – hatte er nur wenige Tage vorher jede offizielle Feier abgesagt.

Bereits ab dem 1. Februar 1943 galt die allgemeine Weisung des Statthalters, wonach alle kulturellen Feierlichkeiten während der normalen Arbeitszeit verboten wurden. Der vorgesehene Eröffnungstermin 6. Februar 1943 um 11.30 Uhr war Samstag, damals ein normaler bzw. halber Arbeitstag. Die Eröffnung auf den Abend zu verlegen, ging nicht, da man für diese Zeit bereits eine Theatervorstellung angesetzt hatte.

Beide Ausstellungen wurden dann still und leise in der Früh des 7. Februar 1943 geöffnet, nachdem die Absage der offiziellen Vernissagen durch die Zeitungen lief. Erklärbar ist dieses sonderbare Vorgehen Schirachs nur durch Rivalitäten der nationalsozialistischen Behörden in Wien und in Berlin untereinander; Schirach wurde anscheinend aus Berlin plötzlich starkem politischen Druck ausgesetzt. Sein großer dortiger Gegenspieler war Martin Bormann, der keine Gelegenheit versäumte Schirach bei Hitler anzuschwärzen.

In ihren Memoiren berichtet Frau Henriette von Schirach, die Witwe des Reichsstatthalters, von einem Zwischenfall auf dem Obersalzberg zu dieser Zeit, wo sie sich in einer nicht genau datierten Sitzung außerdem für inhaftierte holländische Juden einsetzen wollte. Mit Hitler kam sie in einen Konflikt, wonach beide Schirachs fast fluchtartig den Obersalzberg in Richtung Wien verließen.92

Dass es hinter den Kulissen zu einem großen Krach gekommen war, deutet auch ein vom 17. Februar 1943 datierter und im Künstlerhaus am 2. März(!) 1943 eingegangener Brief des General-Kulturreferenten der Reichsstatthalterei am Ballhausplatz Walter Thomas an: “Der Reichstatthalter in Wien, Reichsleiter Baldur von Schirach hat meinem bereits mehrfach im vorigen Jahr geäußerten Wunsch, zur Wehrmacht einberufen zu werden, nunmehr entsprochen…”93 Jede weitere Begründung fehlte.

Intendant Walter Thomas, ein Reichsdeutscher aus Bochum, wurde von Schirach als persönlicher „Referent für alle kulturellen Angelegenheiten“ im Sommer 1940 nach Wien geholt. Er zeigte sich durchaus kooperativ und hatte für die Bedürfnisse des Künstlerhauses stets ein offenes Ohr, Vorsitzender R. H. Eisenmenger kam mit ihm gut aus. Ende März 1942 wurde Thomas befördert; auf Vorschlag Schirachs hat ihn der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda mit der Leitung der kulturellen Angelegenheiten im Reichspropagandaamt Wien unter Beibehaltung seiner sonstigen dienstlichen Eigenschaften als Kulturreferent der Statthalterei und Generalreferent der staatlichen Kunstinstitute beauftragt.

Die wissenschaftliche Leitung der Ausstellung “Junge Kunst” hatte ein anderer Deutscher, Dr. Wilhelm Rüdiger von der Reichsjugendführung in Berlin. Dr. Rüdiger organisierte im Sommer 1942 in Weimar eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst zu einem deutsch-italienischen Jugendtreffen. Schirach hat diese Ausstellung gesehen, war von ihr begeistert und veranlasste Rüdiger zur Übergabe der Schau nach Wien. Dabei wurde die Weimarer Ausstellung von der Reichskunstkammer bereits Kritisiert!

In Wien wurde diese um einige österreichische Namen wie Maximilian Florian, Max Frey, Anton Kolig, Oskar Laske, Anton Mahringer, Viktor Pipal, Lois Pregartbauer u. a. ergänzte Ausstellung “Junge Kunst”, wie auch die Ausstellung “Klimt”, von der Presse, inklusive des Völkischen Beobachters positiv aufgenommen, vielleicht auch aus Rücksicht auf den hohen Initiator Schirach. Zur gleichen Zeit gab es in der Albertina Blätter von Käthe Kollwitz und Egon Schiele zu sehen. Alle diese Ausstellungen zusammen kamen einem Protest gegen die offizielle Politik der Berliner Reichskulturkammer und des Münchner Hauses der Deutschen Kunst gleich.

Den „jungen“, darunter vor allem den deutschen Kollegen, hatte diese Ausstellung „Junger Kunst“ sehr geschadet. Nur zwei Jahre später, im Frühjahr 1945, sah man diese Künstler als sogenannte Mitläufer an, ja Günstlinge Schirachs, da sie ja in der Nazizeit ausgestellt hatten! Das prägte ihr weiteres Schaffen und Leben in den Jahren nach 1945 nachhaltig.

Der Kulturbeauftragte Thomas überlebte den Krieg als Soldat der Wehrmacht und gab 1947 in Dortmund seine Memoiren in Buchform heraus.94 Darin weiß Thomas zu berichten, dass die Ausstellung “Junge Kunst” bis ins Führerhauptquartier “ruchbar” geworden war. Im Auftrag des Führers soll der Architekt Benno von Arent, ab 1938 im Stab des SS-Hauptamtes und Präsident der Kameradschaft der deutschen Künstler95 deswegen nach Wien gefahren sein. Er besuchte die Ausstellung und bezeichnete sie als eine “liberalistische Schweinerei”. Nach seinem Bericht auf dem Obersalzberg soll sich Hitler darüber persönlich empört haben; einige Tage später erhielt Thomas die Anweisung, die Schließung der Ausstellung zu veranlassen. Ebenso soll Schirach diesbezüglich gleichzeitig eine Rüge erhalten haben. Nach Thomas war die Ausstellung “Junge Kunst” dann für seine Einberufung zur Wehrmacht ausschlaggebend.96

Dass es eine eigene, von Berlin unabhängige Kulturlinie der Wiener Nationalsozialisten gab, ist unbestritten. Neben den bereits beschriebenen Tatsachen dokumentieren es auch viele weitere in Wien veranstaltete Viennensia-Ausstellungen. Neben dem “Wiener Frauenbild” gab es “Das Wiener Stadtbild”, die “Wiener Bildnisse aus Kreisen der Kunst und Wissenschaft”, die “Wiener Kunst”, “Wiener Maler”, “Wiener Graphik” und andere.

1942, anlässlich der “Wiener Tage” in Köln, machte der Stadtrat Ing. Hanns Blaschke sechs Kölner Künstlern die Einladung, für mehrere Wochen nach Wien als Gäste der Stadt zu kommen. Sie sollten hier malen; ihre in Bildern festgehaltenen Eindrücke sollten 1943 im Rahmen der geplanten Ausstellung “Das Wiener Stadtbild” gezeigt werden. Die Bilder wurden nicht gezeigt; anscheinend konnten die Kölner Künstler die Wiener Einladung nicht annehmen.97

Zu dieser Zeit begannen ernste Beschränkungen des Ausstellungsbetriebes.98 Nach der Anordnung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels mussten ab dem 1. Februar 1943 alle Kunstausstellungen, die über das Gaugebiet hinausgingen, unterbleiben. Das war praktisch bis auf einige wenige Ausnahmen das Ende der vielen erfolgreichen Wanderausstellungen.

Dabei hatte die Kunst, ähnlich wie im Ersten Weltkrieg, immer mehr und mehr Zulauf bekommen. Die Besucherzahlen stiegen, trotz des relativ hohen Eintritts von 1 RM, fortlaufend; ebenso stiegen auch die Kunstankäufe. Die Ziffern sprechen für sich: 1938 gab es 7062 zahlende(!) Besucher in den Kunstausstellungen, 1939 schon 20 114, 1940 53 010, 1941 67 472, 1942 220 262, 1943 152 121.

Ab dem 1. Februar 1943 gab es, wie berichtet, tagsüber keine Eröffnungen mehr und es durften keine gedruckten Einladungen verlegt werden. Plakate bedurften vor der Drucklegung einer Sondergenehmigung der beauftragten Dienststellen des Reichsstatthalters. Nur für das Künstlerhaus gab es bis 1944 für solche Zwecke stets immer noch etwas Papier.

Im September 1943 wurden im Großen und Ganzen die Kunstkritiken in der Presse eingestellt, ab November 1943 war offiziell nur Plakatierung im Format A4 erlaubt. Im Künstlerhaus hatte man zu dieser Zeit aber bereits mehrjährige Erfahrungen mit Kino-Werbedias und so nahm man diese Ankündigungsbeschränkungen der Presse nicht weiter tragisch. Wie die Besucherzahlen beweisen, zeigte sich die Kinowerbung sehr wirksam; die Dias wurden oft in mehreren Ausführungen gemacht, neben der Reproduktion des Ausstellungsplakats oder des Katalogtitels zeigte man auch die bedeutendsten Ausstellungsobjekte.99

Am 31. Jänner 1943 feierte man im ganzen Reich die zehnte Wiederkehr der Machtergreifung vom 30. Jänner 1933. Wie der Reichsstatthalter angeordnet hatte, sollten an diesem Tag alle Ausstellungen von neun Uhr früh bis zum Einbruch der Dunkelheit durchlaufend bei freiem Eintritt offen bleiben. Das Künstlerhaus feierte nicht; es gab keine Ausstellung.

Im Mai 1943 schlug Vizebürgermeister Ing. Hanns Blaschke100 die Veranstaltung von zwei großen Gedächtniskollektionen vor, die bestimmt viel Wirbel hervorgerufen hätten: eine Egon Schiele (25. Todestag) und eine Koloman Moser (1868-1918) Ausstellung. Verwirklicht wurde dieser Vorschlag nicht, da das Mitglied der Ausstellungskommission Prof. Ferdinand Opitz in seiner Eigenschaft als Referent der Reichskammer dagegen Bedenken äußerte, die man ernst nehmen musste. Nach seinen Worten konnte die RKK diese Ausstellungen unter keinen Umständen bewilligen; man glaubte ihm und frug bei der RKK nicht einmal an.101

Die letzte Ausstellung, die im Krieg im Künstlerhaus vorbereitet wurde, war für den Herbst 1944 geplant. Die Vorarbeiten waren schon weit fortgeschritten, mussten dann aber in Folge des totalen Kriegseinsatzes eingestellt werden – damals sprach man allerdings nur von einer “Verschiebung”. Die Ausstellung wurde nicht abgesagt; sondern man wollte vorbereitet sein, um nach Freigabe der Veranstaltungen mit ihr sofort vor die Öffentlichkeit zu treten. Das Thema war “Wien”. Nur Karl Maria May war dies zu wenig, seinen Worten nach sollte die erste NachKriegsausstellung den vielen Toten gewidmet werden.102

Neben der “Wien”-Ausstellung waren durch die Stilllegung hauptsächlich die Wechselausstellungen betroffen. Geplant und nicht mehr durchgeführt wurden Kollektionen von Erhard Amadeus-Dier, Leopold Hauer, Rudolf Hafner, Rudolf Pleban, Josef Stoitzner, Theodor Klotz-Dürrenbach, Rudolf H. Keppel und Herbert Stepan. Nicht mehr durchgeführt wurde auch die “Drei-Blatt-Ausstellung” von Münchner Künstlern, eine Gastausstellung des Kulturamtes München.103

Der gesamte Ausstellungsbetrieb wurde mit dem 22. August 1944 stillgelegt. Zufällig war zu dieser Zeit weder im Secessionsgebäude, noch im Künstlerhaus eine Ausstellung offen, so dass die Schließung nicht sofort auffiel. Um wirtschaftliche Interessen der freischaffenden Kollegen zu schützen, die an Verkäufe angewiesen waren, versuchte R. H. Eisenmenger die ausstellungslose Zeit durch Einrichtung einer ständigen Verkaufsstelle zu überbrücken.

Im Künstlerhaus sollten nicht nur Mitglieder allein verkaufen können; man bot hier auch fremden Künstlern und Künstlerinnen Gastfreundschaft an. Vor allem aus der „Gemeinschaft“, die durch einen Bombenangriff die Zedlitzhalle verlor, wurde dies zu einer großen Hilfe. Die „Gemeinschaft“ und die „Vereinigung bildender Künstlerinnen“ wurden im Deutschen Saal untergebracht, die übrigen Künstler im ersten Stock des Hauses. Im Präsidentensaal (Ranftlzimmer) entstand die Kriegsheimwerkstätte.

Die Verhandlungen mit allen Beteiligten, sowohl Interessenten, als auch Behörden, zogen sich über den ganzen Herbst 1944; die “Verkaufsstelle” konnte erst Ende November 1944 eröffnet werden. Da es zu dieser Zeit bereits keine Kunstkritiken in der Presse gab, durfte die Nachricht darüber nur mit einer besonderen behördlichen Bewilligung gebracht werden. In vier Zeitungen wurden außerdem Anfang Dezember teurere Inserate veröffentlicht.

Gab es schon 1943 mit den Transporten der Kunstwerke fallweise Probleme, so wurden sie 1944 äußerst schwierig. Die Künstler waren meist nicht mehr in der Lage ihre Werke selbst ins Künstlerhaus zu bringen. Die Gesellschaft, die kein eigenes Fahrzeug besaß, war auf das Entgegenkommen eines Geschäftsmannes angewiesen, der seinen kleinen LKW ab und zu dem Künstlerhaus zur Verfügung stellte. Selbst diese bescheidenen Transporte könnten nicht durchgeführt werden, wenn man dem Wagenbesitzer nicht entsprechende Mengen von Gas-, “Leunagas”- Flaschen besorgt hätte. Für Materialtransporte hatte man nur noch ein vierrädriges hölzernes Handwägelchen, wie sie auch am Naschmarkt verwendet wurden.

Wesentlich schwieriger wurden die Eisenbahntransporte; die Bahn war durch Kriegswichtige Aufgaben überlastet und die Versendung von Kunstwerken wurde kaum mehr möglich. Das traf vor allem die Wanderausstellungen hart: Graphiken, die in einem einzigen Paket verschnürt werden konnten, waren unter Umständen noch versendbar; Ölgemälde und Skulpturen waren es nicht mehr. So kam es zu manchen unnötigen Kriegsverlusten, wo die entlehnten Werke aus gefährdeten Gebieten nicht mehr rechtzeitig nach Wien zurückgebracht werden konnten.

Betroffen davon war vor allem die Ausstellung “Deutsche Künstler aus Rumänien”. Auch die in Wien verkauften Werke mussten den weiteren Ausstellungszyklus mitmachen und blieben 1945 im preußischen Königsberg / Kaliningrad liegen. Von dort wurde das gesamte Ausstellungsgut nach Dresden gebracht und erst am 1. Juni 1957(!) der Botschaft der Rumänischen Volksrepublik übergeben – ohne jedoch vorher in dem im neutralen Österreich liegenden Wiener Künstlerhaus als Mitveranstalter – diesbezüglich angefragt zu haben. So gingen 1957 sowohl die verkauften als auch die unverkauft gebliebenen Werke nach Rumänien. Alle waren Privatbesitz, entweder der Künstler oder der Käufer. Alle Anstrengungen der Betroffenen, die keine Rumänen, sondern jetzt meist Flüchtlinge im Westen waren, die Werke vom rumänischen Staat zurückzuerhalten blieben erfolglos.104

Ob auch alle, damals auf Wanderungen befindlichen Graphikausstellungen wieder nach Wien zurückfanden, ist nicht mehr eindeutig feststellbar. Da es sich um Drucke handelte, die in mehreren Exemplaren vorhanden waren, verzichtete man auf Urgenzen ihres Rücktransports anscheinend von vornherein und fand sich in den Zeiten des totalen Kriegs mit ihrem Verlust ab.

R. H. Eisenmenger und L. Blauensteiner hatten zu dieser Zeit mit drohender Beschlagnahme des ganzen Künstlerhauses und des Secessionsgebäudes für Rüstungszwecke zu rechnen. Sehr interessiert zeigten sich vor allem die Heinkel-Werke, die im Künstlerhaus die Fortsetzung der durch die Luftangriffe beeinträchtigten Produktion beabsichtigten. Durch geschickte Ausnützung der Kompetenzstreitigkeiten zwischen den einzelnen deutschen Ämtern ist es Leopold Blauensteiner und Rudolf H. Eisenmenger aber schließlich doch gelungen, die Beschlagnahme zu verhindern. Tatsächlich für Rüstungszwecke beschlagnahmt wurde damals die dann ausgebombte Zedlitzhalle. Dafür nahm man viel lieber ein anderes, kleineres Übel in Kauf, und zwar die Zwangsvermietung beider Häuser, des Künstlerhauses und der Secession, zu Lagerzwecken.

Durch einen Bescheid vom 27. Oktober 1944 wies die Rüstungsinspektion XVII. im Namen des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion die Secession und das Künstlerhaus den Österreichischen Saurerwerken AG zu Lagerzwecken zu. Die Saurerwerke und die Gesellschaft bildender Künstler Wiens schlossen einen Mietvertrag ab, wonach von der Secession alle Räume, abgesehen von der Halle und dem Sekretariat, insgesamt rund 600 m², ab dem 6. November 1944 vermietet wurden; im Künstlerhaus ab dem 8. November 1944 der Spanische, Belgische, Französische, Linke und Rechte Mittelsaal, das Rechte Oktogon und das Makartzimmer im Gesamtausmaß von ca. 1200 m² sowie einige Souterrainräume von 130 m².

Der Vertrag wurde auf die Kriegsdauer abgeschlossen, wobei darunter nicht der formelle Abschluss des Friedensvertrags, sondern die tatsächliche Einstellung der Kampfhandlungen verstanden wurde. Die Gesellschaft hatte gegen die aufgezwungene Einweisung der Räume zu Lagerzwecken nicht protestiert, sie stand ja auch in ihrem Interesse. Nach der Stilllegung des Ausstellungsbetriebs wäre es unmöglich gewesen die leeren Säle freizuhalten. Durch die Vermietung zu Lagerzwecken an einen Kriegswichtigen Betrieb konnte jede weitere unangenehmere Inanspruchnahme der Häuser abgewendet werden.

Zum Glück wurde das Künstlerhaus während des Weltkriegs durch keine Bombe getroffen und die in der nächsten Umgebung stattgefundenen Kampfhandlungen hatten nur Glasbrüche zur Folge. Dafür explodierten Anfang Februar 1945 hinter der Secession gleich drei Bomben, die fast zur Vernichtung des ganzen Gebäudes geführt hätten; die vergoldete, heute kaum zu ersetzende Blattkuppel wurde nicht getroffen. Menschenleben waren keine zu beklagen; in der Secession befanden sich zu dieser Zeit nur Magazine der Saurerwerke mit Autoteilen, ein graphisches Studio und ein Büro des Reichspropagandaamtes.105 Die Anfangs dort eingelagert gewesenen leicht brennbaren Autoreifen wurden nach mit allem Nachdruck vorgetragenen Protesten R. H. Eisenmengers noch vor dem Angriff glücklicherweise abtransportiert. Ein Luftschutzkeller befand sich in der Secession mangels tiefer Unterkellerung nicht. In der Nähe des Pavillons fließt außerdem der überdeckte Alserbach.

Einer rücksichtslosen Beschlagnahme ist man später aber dann doch nicht entgangen; sie kam nach dem Krieg, im befreiten Österreich. Am 26. Mai 1945 wurde der Deutsche Saal, das linke Oktogon und das Müllerzimmer, alles Räume, wo sich die Verkaufsstellen der Künstlervereinigungen befanden und die jetzt für eine Antifaschistische Ausstellung leergemacht wurden, vom Stadtrat Felix Slavik zugunsten des Stadtrates für Ernährung für Lagerzwecke von Lebensmitteln der Firma Herberth beschlagnahmt und die Hälfte des Deutschen Saales sofort belegt.

Gleich am ersten Tag der Einlieferung wurden vier Säcke Zucker gestohlen. Daraufhin wurde zur Bewachung der eingelagerten Lebensmittel eine Wache von vier Mann aufgestellt, die im Künstlerhaus und zwar in der linken Seitengarderobe im Vestibül, auch übernachtete. Nach einigen Tagen wurde in das Vestibül noch eine Polizeiabteilung von etwa zehn Mann verlegt, die Jagd auf Schleichhändler im gegenüberliegenden Resselpark und am Karlsplatz machte. Die Festgenommenen wurden jeweils im Künstlerhaus abgeliefert und erst in größerer Zahl geschlossen zur weiteren Amtshandlung in das Gefangenenhaus abgeführt. Dabei spielten sich vor und im Künstlerhaus oft die wüstesten Szenen ab. Fast gleichzeitig erschien auch ein russisches Detachement von etwa gleicher Stärke, das dann mit der österreichischen Polizei im Vestibül, meist abwechselnd, amtierte.

Sowjetische Soldaten kamen in das Künstlerhaus schon während der letzten Kampfhandlungen um Wien Ende April 1945. Während der Suche nach eventuell versteckten deutschen Soldaten fanden sie die eingelagerten Autoteile und bewachten sie dann; damals wurden sie zu einem wichtigen Schutz für das Künstlerhaus, ihre Anwesenheit rettete das Gebäude vor den nun üblichen Plünderungen durch den Straßenpöbel. Nach dem Ende der Kampfhandlungen gewann aber das Künstlerhaus ab Ende April 1945 durch die vor dem Haus und im Foyer befindlichen Posten mit aufgepflanztem Bajonett sowie durch die laufenden Festnahmen den Charakter einer Polizeikaserne – dabei lief darin seit dem Ersten Mai 1945 die erste Kunstausstellung der Nachkriegszeit! Natürlich wagte sich kaum mehr ein Besucher dorthin.

Trotz dieser Streitmacht fanden in allen Räumen des Künstlerhauses andauernd Einbrüche und mutwillige Zerstörungen statt. Gestohlen wurde dabei nicht nur das allernotwendigste, wie Glas, Karton oder Holz, gestohlen wurden auch Kunstwerke. Das größte Problem bestand darin, dass in diesen ersten NachKriegstagen zur Polizei auch dubiose Elemente gelangt waren, welche die Macht ihrer Befugnisse jetzt zu persönlicher Bereicherung nützten. Obwohl alle Türen versperrt waren, traf etwa eines Morgens die Bedienerin einen uniformierten österreichischen Polizisten in der Portierloge an, als er gerade durch ein Schiebefenster hinausklettern wollte. Anfang August 1945 wurden sogar in einem versperrten Magazin Bilder aus den Rahmen geschnitten, andere weggetragen.

Am Sonntag, den 12. August 1945, kam es durch Mangel in den Absprachen zu einer terminlichen Kollision und einem Konflikt zwischen den Sicherheitskräften. Der Wachraum im Foyer war von der österreichischen Polizei besetzt, als ein sowjetisches Detachement erschien, das ebenfalls hier amtieren wollte. Die Österreicher ließen sich nicht vertreiben und die Russen wollten bleiben. Unter Zwang wurden ihnen dann zusätzliche Räume im Sekretariat aufgesperrt. Am Montag früh wurde das Fehlen einer Schreibmaschine konstatiert, das war damals eine unersetzliche Ware.

Am 30. September 1945 wurde von einem Wachposten der Polizei gemeldet, dass er einem “Künstler” den hauseigenen vierrädrigen Handwagen ausgefolgt hatte. Dieser Wagen befand sich im mit Brettern verschlagenen Stiftersaal, der Polizist musste also vorerst die Bretter abreißen. Gleichzeitig fehlten 20 Glasscheiben aus den dort deponierten Bilderrahmen. Um das Glas aus den noch soliden Rahmen herauszunehmen, hatte der Dieb vielleicht mehr als eine Stunde benötigt; er lud die Beute dann gleich auf den Wagen.

Am 18. Oktober 1945 fehlten 15 Bilder und einige Rahmen aus dem ersten Stock. Am 19. Oktober 1945 wurde das Fehlen sämtlicher Glühbirnen aus dem Casino festgestellt, zwei Tage später fehlten aus demselben Raum drei Glasscheiben von gerahmten Graphiken. Am 29. Oktober wurde ein Bücherkasten aufgebrochen vorgefunden, der im rückwärtigen Vestibül stand, etwa 80 Bücher fehlten. Damals wurde auch das während der letzten Kriegstage im Luftschutzkeller benützte Radio (Volksempfänger) entwendet.

Am 26. Oktober 1945, also bereits im Herbst und ein halbes Jahr nach Kriegsende, riss Karl Maria May, dem kommissarischen Leiter der Gesellschaft, schließlich die Geduld. Er suchte mit allem Nachdruck bei den Behörden um die Abkommandierung der immer noch im Vestibül befindlichen österreichischen Polizeiwache an und um Erlaubnis das Künstlerhaus selbst bewachen zu dürfen. Die Polizei wurde ursprünglich zur Bewachung der eingelagerten Lebensmittel aufgestellt und es bestand kein Grund, sie im Vestibül dauernd unterbringen zu müssen. Außerdem stand Tag und Nacht ein weiterer Posten vor dem Französischen Saal, dem Eingang zu dem immer noch im Haus befindlichen Automaterial der Saurerwerke. Es gelang nicht, die Polizei blieb.

Der im Namen des Stadtrates Felix Slavik beschlagnahmte Deutsche Saal wurde von der Firma Herberth bis zum Juni 1946 verwendet, dann erst verschwand auch der letzte Wachmann. Nach der Wiederübernahme durch die Gesellschaft Anfang Juli 1946 wurden starke Beschädigungen des Fußbodens festgestellt, der Saal war außerdem durch Ratten verseucht.

Im Präsidentensaal (Ranftlzimmer), der ehemaligen Elektrowerkstätte, gab es ab dem 10. Mai 1945 das Büro der neu entstandenen “Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs” mit ihrem Leiter Dr. Rudolf Buchner. Dort und im Sekretariat im Parterre trafen sich dann auch die Mitglieder der “Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs”, der aus der zerbombten Zedlitzhalle vertriebenen “Gemeinschaft bildender Künstler” und der im Entstehen befindlichen “Vereinigung bildender Künstler Wiener Secession”.

Doch die Ausstellungsmöglichkeiten waren äußerst beschränkt, ja sie waren viel geringer, als vor dem April 1945. Die wenigen freien Räume wurden jetzt von großen Propagandaausstellungen der Alliierten belegt. Obwohl schon seit dem Frühsommer 1945 die Autoteile der Saurer-Werke langsam nach und nach abtransportiert wurden, blieben die ganzen ursprünglich gemieteten Räume immer noch besetzt. Transportprobleme gab es auch innerhalb der Saurer-Werke selbst, da ihre LKW, die sie in Wien dringend benötigt hätten, außerhalb der Demarkationslinie in anderen Militärzonen standen.

So begannen die Künstler der sich im Haus treffenden Vereinigungen am 5. November 1945 selbst die Autoteile umzulagern; diese Arbeiten dauerten etwa zwei Wochen. Manches wurde im Künstlerhaus zusammengefasst, manches wurde mit Hilfe englischer Militärautos abgeführt. Trotzdem gab es im Künstlerhaus im Februar 1946 immer noch etwa 50 LKW-Ladungen Automaterial. Erst im dem Sommer 1946 konnte das Künstlerhaus über seine Räume wieder voll verfügen. Die Verluste, die dem Künstlerhaus durch seine entfremdete Verwendung entstanden waren, wurden ihm von niemandem ersetzt. Nur die Saurer-Werke zahlten genau, bis zum Schluss ihre Miete, wie 1944 vereinbart.

Die Diebstähle nahmen erst langsam durch die Besserung der allgemeinen Wirtschaftslage ab. Noch im Sommer 1948 wurden aus dem Künstlerhaus 600(!) kg Bronze, die dem Olympischen Komitee gehörte, entwendet. Am 7. August 1948 wurde während der Abbauarbeiten der Ausstellung “80 Jahre Künstlerhaus” aus dem ersten Stock die Bronzestatue “Frühlingsgedanke” von K. H. Scholz gestohlen, wahrscheinlich nur wegen des Materials. Im März 1950 gab es den ersten Diebstahl im Kino, im Mai 1950 wurde ein Motor aus der “Modellbau-Ausstellung” gestohlen. Im Kinobuffet wurde auch später noch oft eingebrochen, wobei der Schaden durch Zerstörungen der Türen und Schlösser meist größer, als die entwendeten Lebensmittel, Alkohol oder Geld wert waren.106

Die erste NachKriegsausstellung wurde im Einvernehmen und auf Wunsch der sowjetischen Besatzungsmacht am 1. Mai 1945 durch Stadtrat Dr. Viktor Matejka eröffnet. Unter Heranziehung aller verfügbaren Kräfte, nur die wenigsten Mitglieder waren erreichbar, wurde trotzdem in wenigen Tagen eine durchaus repräsentative Schau zusammengestellt. Die meisten Werke wurden den im Haus deponierten Beständen entnommen, Transportmöglichkeiten in der Stadt gab es so gut wie keine. Nach drei Monaten, im Juli 1945, wurde die Ausstellung umgruppiert und noch bis zum 30. September 1945 gezeigt. Die präsentierten Werke waren realistische Landschaften, Stillleben und Porträts, durchaus unpolitisch, kein Stalin, keine roten Fahnen. Die sollten erst später kommen. Zu sehen gab es aber auch noch Kriegsbilder von Alfredo R. Carpaneto aus der Gegend vor Leningrad oder von Karl Gunsam aus Frankreich; Werke deutscher Soldaten!

Die Ausstellung befand sich im ersten Stock, aber nicht in allen Räumen, da in einer der Seitengalerie am 4. August 1945 eine neue “Sommer-Verkaufsausstellung” der freiberuflich arbeitenden und vom Verkauf lebenden Künstler eröffnet wurde. Diese Ausstellung lief nur zwei Wochen: sie musste einer vom Kulturamt der Stadt Wien angeordneten “Oskar Strnad-Gedächtnisausstellung” weichen. Der Architekt, Bühnenbildner und Lehrer Oskar Strnad war zwar schon seit 1935 tot, war nie Mitglied des Künstlerhauses oder der Secession gewesen, aber wie es in der Begründung des Kulturamtes hieß, wurde er aus rassischen Gründen sieben Jahre lang totgeschwiegen. Das Künstlerhaus musste die Ausstellungsräume dem Kulturamt kostenlos zur Verfügung stellen, die Eintrittsgelder flossen dem Kulturamt zu. Der rein politischen Strnadschau folgte eine Fotoausstellung der Franzosen zum Thema “Paris im Kampf”.

Als erste eigene wahre Mitgliederausstellung nach dem Krieg kann man die “Weihnachts-Schau” 1945 bezeichnen; sie war die erste, zu der die Künstler relativ ungehindert ihre neuen Werke selbst bringen konnten. Die Weihnachtsschau präsentierte nichts radikales, weder Sujets noch Techniken, wirkte aber erfreulich. Die wieder in der Presse erscheinenden Kunstkritiken berichteten positiv und das obwohl die Ausstellung mit Ausnahme eines einzigen Bildes, das die ausgebrannten Ruinen auf dem Stephansplatz zeigte, nichts vom Krieg und Vernichtung wissen wollte. Trotz der Zeit des allgemeinen Hungers gab es Verkäufe und das sogar – ähnlich wie nach dem Ersten Weltkrieg – in der astronomischen Höhe von fast zwei hundert tausend Schilling für 287 verkaufte Werke!107 Die Weihnachtsschau 1945 war im gesamten ersten Stock, die Glasdächer waren immer noch nicht im besten Zustand, aber immerhin – es regnete nicht mehr durch.

Äußerst ungünstig wirkte sich für die Gesellschaft die “Große Antifaschistische Ausstellung Niemals vergessen” (AFA) aus. Die Ausstellung, ab den ersten Tagen nach Kriegsende vorbereitet – als Veranstalter fungierte ein “Österreichischer Bundesverband ehemals politisch verfolgter Antifaschisten” bzw. später die Gemeinde Wien, Verwaltungsgruppe III, – wurde trotz festvereinbarter Termine als unfertig vom Veranstalter immer wieder verschoben. Eine eventuelle Weigerung des Künstlerhauses, wegen der oftmaligen Terminverschiebungen diese politische Ausstellung nicht durchzuführen, kam überhaupt nicht in Betracht. Eine verlässliche hausinterne Planung wurde jedoch fast unmöglich; nach den deutlich genug vorgetragenen “Wünschen” des Kulturamtes, die Befehlen der Sieger gleichkamen, musste für die Ausstellung stets das ganze Haus reserviert bleiben.108

Die Ausstellung “Niemals Vergessen” wurde endlich am 14. September 1946 eröffnet. In allen Medien wurde sie ihrer Bedeutung entsprechend und eingehend gewürdigt; es gab Begleitveranstaltungen im Musikverein und anderen öffentlichen Gebäuden, Hörspiele im Rundfunk (u. a. von Johannes Mario Simmel) und einen Briefmarkenwettbewerb mit Sonderpostamt (vier Tage im November). Für Mitarbeiter an der Ausstellung wurden Medaillen geprägt (Autor Alfred Hofmann, Durchmesser 79 und 39 mm). Ursprünglich für zwei Monate vorgesehen, wurde die Ausstellung vom Veranstalter bis zum 30. November und dann bis zum 26. Dezember 1946 verlängert. Auf die Bedürfnisse der Gesellschaft wurde keine Rücksicht genommen, die Verlängerung wurde von der Gemeinde einfach befohlen; alle Entscheidungen trafen der Ausstellungskommissär Viktor Th. Slama und das Kulturamt, ohne den Leitenden Ausschuss überhaupt zu fragen.109

Durch diese Umstände – die eigene verkaufswichtige Herbstausstellung 1946 musste zuerst verschoben und dann schließlich abgesagt werden, Plakate waren bereits gedruckt – machte sich nicht nur unter den Funktionären, sondern unter allen Mitgliedern allgemeine Verdrossenheit breit. Viktor Th. Slama besaß ab Kriegsende im Künstlerhaus sogar ein eigenes Büro, von wo er alle seine Aktionen leitete – die Künstlerhausadresse stand auch auf seinem Briefpapier. Er selbst gewöhnte sich rasch daran, von der Gesellschaft nur zu fordern; zur Wiederinstandsetzung des Künstlerhauses trug er jedoch nichts bei.110

Um den erbosten Künstlern, die vom Verkauf ihrer Werke damals noch lebten und auf Ausstellungen angewiesen waren, schließlich doch etwas entgegenzukommen, war Slama nur zu einem Kompromiss bereit: die politische Kunstabteilung der Antifaschistischen Ausstellung im ersten Stock wurde Anfang Dezember geschlossen und abgebaut. Am 7. Dezember 1946 konnte dort eine kleine Weihnachtsverkaufsausstellung eröffnet werden, die bei freiem Eintritt zugänglich war. Sie beinhaltete, wie im Vorjahr, fast ausschließlich nur “brave” Bilder, die bereits manche, sich modern fühlende Kritiker zu missmutigen Bemerkungen reizten: “Wer im Künstlerhaus Experimente, hypermoderne Kunstwerke erwartet, der wird gewöhnlich enttäuscht sein. Ja das Künstlerhaus hat sogar den Ruf, etwas konservativ zu sein.”111 Die Gesellschaft wollte in der Weihnachtsschau im Interesse der Wiener Künstler aber verkaufen, da war für risikoreiche Experimente mit der sogenannten Moderne kein Platz.

Dass die Antifaschistische Ausstellung am 26. Dezember 1946 endlich überhaupt geschlossen werden konnte, war nur dem Umstand zu verdanken, dass die Gesellschaft schon seit langem vertraglich der Konzertdirektion Peschke verpflichtet war, die im gesamten Künstlerhaus eine Silvesterveranstaltung machen wollte. Deren Absage wäre mit außerordentlich hohen Kosten verbunden, die das Kulturamt nicht bereit war zu übernehmen. Slama selbst blieb aber weiter im Künstlerhaus noch Monate nach dem Ende der Ausstellung im Präsidenten- und Stachezimmer einquartiert.

Die solidarische NachKriegsstimmung unter den Künstlern verlor sich inzwischen; die Künstler wurden radikaler und untereinander zerstrittener; ihre hauptsächlich aus divergierenden künstlerischen Auffassungen hervorkommenden Streitigkeiten übertrugen sich auf die Journalisten und das Publikum. Als im Frühjahr 1946 die Ausstellung “Aus der Werkstatt des Künstlers” eröffnet wurde, eine Präsentation von Ideen, Studien und Skizzen, gab es zu ihr ein Gästebuch. Die Eintragungen darin spiegeln bereits die verschiedenen aufkommenden Strömungen von begeisterten Zustimmungen bis zur totalen Ablehnung.112 Zum ersten großen Konflikt unter den Künstlern kam es im Sommer 1946 aber aus einem anderen Anlass.

Karl Maria May plante schon ab Kriegsende eine Verkaufsausstellung des Künstlerhauses in der reichen und durch den Krieg nicht verwüsteten Schweiz, hatte aber keine persönlichen Kontakte dorthin. Als er zufällig von einer Dienstreise des Stadtrats Matejka nach Zürich im Frühjahr 1946 erfuhr, bat er ihn dort zu sondieren, ob die Schweizer nicht an der Übernahme der Studienausstellung “Aus der Werkstatt des Künstlers” interessiert wären. Die Ausstellung bestand nur aus Blättern, die in einem einzigen Paket Platz finden könnten. Viktor Matejka sagte zu, doch ob er dem Wunsch des Künstlerhauses in der Schweiz nachkam, blieb lange ungewiss, Präsident May wurde diesbezüglich von Matejka nach seiner Rückkehr nach Wien nicht informiert.

Dann begannen Gerüchte über eine künftige Ausstellung österreichischer Künstler in der Schweiz zu kursieren, zu deren Kurator der seinerzeit im Schweizer Exil lebende Fritz Wotruba von Matejka bestellt wurde. Weder das Künstlerhaus, noch eine andere Künstlervereinigung hat man vom Kulturamt jedoch über die von Wotruba vorbereitete Ausstellung offiziell benachrichtigt. Als es dann letztlich doch auf Drängen der Künstlervereinigungen zu einigen Gesprächen kam, fanden diese bereits in so emotionell geladener Atmosphäre statt, dass persönliche Streitigkeiten unausweichlich wurden. Vom Künstlerhaus aus wurden nach Zürich schließlich nur sechs Werke von sechs Künstlern – Max Frey, Rudolf Holzinger, Heinrich Krause, Erich Miller-Hauenfels, Viktor Pipal und Harold Reitterer – am 5. Juli 1947 über die Sammelstelle Wotrubas im Kunsthistorischen Museum abgeschickt. In Zürich hat Wotruba aus dem Künstlerhaus, immerhin wenn nicht mehr der, so immerhin einer der wichtigsten Künstlervereinigungen Österreichs, kein einziges Bild ausgestellt. Von einem friedlichen, künstlerischen Wiederaufbau konnte keine Rede mehr sein.113

In diese aggressive Stimmung passte die Art der Neugründung der Secession, die über ihr altes Haus verfügen wollte. Es handelte sich um die Entstehung einer neuen Vereinigung mit einer ganz neuen Mitgliedschaft: war die alte Secession vor 1938 stark nationalsozialistisch orientiert, so wollte man bei der Neugründung von diesem Image radikal wegkommen. Die neuen Mitglieder mussten “Antifaschisten” sein, auch zu dem Preis, dass man kaum welche der alten VorKriegs-Secessionisten zum Beitritt in den neuen Verein einlud. Die neuen “Secessionisten” sollten mit der VorKriegssecession außer dem von ihnen beanspruchten Gebäude nichts gemeinsam haben.

Die erste Ausstellung dieser neuen Secession fand im Frühjahr 1946 im Künstlerhaus statt, das ihr von der Gesellschaft kollegial zur Verfügung gestellt wurde, da das Gebäude der Secession nach den Verwüstungen des Krieges und der Nachkriegszeit immer noch unbenutzbar war. Der für damalige Verhältnisse aufwendig gestaltete Katalog protzte mit einem gewaltigen Ehrenkomitee und – wirklich ein Luxus – mit Illustrationen. Ausgestellt wurde damals auch das alte Porträt von Josef Dobrowsky “Prof. Dr. Grimschitz”, das 1943 wegen der als “entartet” angesehenen Darstellungsart der Hände nicht ausgestellt werden durfte.

Im Sommer 1947 fand im Künstlerhaus die “Erste Große Österreichische Kunstausstellung” statt, die schon für 1946 vorbereitet wurde und der politischen Antifaschistischen Ausstellung “Niemals vergessen” weichen musste. Die Ausstellung, ihr Organisator war die Berufsvereinigung bildender Künstler Österreichs, bemühte sich alle österreichischen Künstler in einer einzigen Übersicht zu zeigen. Neben den Künstlerhausmitgliedern gab es hier, trotz der Zonengrenzen, Mitglieder der Landesverbände Kärnten, Tirol, Vorarlberg, Steiermark, Oberösterreich, Salzburg und Wien; kooperativ nahmen teil die Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs, die Gemeinschaft bildender Künstler Wiener Kunsthalle, die Künstlerwerkstätte Prof. Hoffmann, die Wiener Secession, Der Kreis, die Junge Kunst und der Art Club. Für viele junge Künstler der Nachkriegsgeneration bedeutete diese Ausstellung überhaupt ihr erstes Auftreten vor der Öffentlichkeit.

Trotz des gemeinsamen Ausgestelltseins trug diese Ausstellung aber nicht zur Beseitigung der quellenden Spannungen unter der Künstlerschaft bei, sondern im Gegenteil, die Ausstellung riss neue Gräben auf und dies auch unter dem Publikum und der PressekunstKritik. Brotneid kam auf; das Publikum kaufte nicht das, was sich mancher Avantgardist gewünscht hätte.

Deutlich wurde dieser Zwiespalt in der Verkaufsstatistik. Die von der Presse bereits gerne als konservativ angesehenen Künstlerhausmitglieder (es waren viele der alten Secessionisten mit dabei) hatten die meisten Verkaufserfolge zu verzeichnen: sie verkauften Werke um 43 210 S. Die neue Secession verkaufte um 7400 S, die Gemeinschaft um 3550 S, die Künstlerinnen um 1350 S, die Junge Kunst um 200 S. Der Kreis und der Art Club verkauften überhaupt nichts. Das Gemälde von Wolfgang Hutter “Tanz der Fragmente” (Kat. Nr. 111, verkäuflich, 1500 S), wurde von einem Besucher sogar zerkratzt.

Die Ausstellung wurde durch Puppenspiele und eine “Galerie der Straße” aus Plakaten der letzten Zeit ergänzt. Die Plakatwände und die Einbeziehung der Vorgärten in die Ausstellung führten nach dem Abbau zu einer weitgehenden Devastierung der Grünflächen, die man erst kurz davor von den bis dahin noch vorhandenen Spuren der Kampfhandlungen vom April 1945 halbwegs selbst instandgesetzt hatte. Die Veranstalter scheuten dabei nicht vor der Beseitigung des alten, noch aus der Monarchie stammenden gusseisernen Rasenbegrenzungsgitters zurück; sie entfernten die Ligusterhecke und fällten Bäume und Sträuche.

Anlässlich der Antifaschistischen Ausstellung 1946, der Ersten Großen Österreichischen Kunstausstellung 1947 und der Jubiläumsausstellung 80 Jahre Künstlerhaus 1948 wurde durch Vermittlung des Stadtrats Viktor Matejka mit den Wiener Verkehrsbetrieben vereinbart, dass die Straßenbahnen der Linie 2 während der Ausstellungsdauer direkt vor dem Künstlerhaus stehen bleiben und dass die Schaffner den Namen der Ausstellung ausrufen. Während diese Vereinbarung 1946 und 1947 anstandslos klappte, weigerten sich 1948 die Verkehrsbetriebe diese Haltestelle einzuschieben. Die Abstände wären zu kurz und das zusätzliche Halten würde die gesamte Reisegeschwindigkeit verlangsamen. Ab dem 23. Juni 1948 gaben die Verkehrsbetriebe dann doch noch nach, die Straßenbahnen blieben auf Ausstellungsdauer jeden Tag bis 18.00 Uhr direkt vor dem Künstlerhaus stehen.114

Im Sommer 1948 kam es anlässlich einer neuen “Internationalen Plakatausstellung” zu einem scharfen Konflikt mit dem Organisator Viktor Th. Slama. Das Künstlerhaus vermietete für diese Ausstellung seine Räume um 10 000 S, was durchaus dem damaligen Niveau entsprach. Slama verwendete dazu die noch von 1947 stehenden Wände der “Galerie der Straße”. Die Ausstellungsdauer war bis zum 19. September 1948 vereinbart. Durch Zufall wurde Mitte Juli im Künstlerhaus bekannt, dass Slama je ein Feld der Plakatwand vom 1. August bis zum 30. Oktober 1948 um je 2000 S an Privatwerbefirmen vermietete. Also nicht nur, dass Slama durch dieses Vorgehen die gesamten Mietkosten durch die Vergabe von schon fünf Plakatwänden hereingebracht hatte, sondern auch beabsichtigte, die Ausstellungsdauer einseitig zu verlängern und die Plakatwände weiter stehen zu lassen.

Was die finanzielle Seite der Ausstellung betraf, konnte der Leitende Ausschuss nichts mehr machen; die Wände sollten jedoch nach der Ausstellung auf Kosten der Berufsvereinigung, die offiziell als Veranstalter fungierte, sofort abgerissen werden. In der Folge kam es zu vielen unerfreulichen Auftritten. Die Presse wurde vom Leitenden Ausschuss über den bevorstehenden Ausstellungsschluss benachrichtigt. Der Ausschuss wollte unbedingt die devastierten Gärten noch vor Herbst instandgesetzt wissen.

Letztlich einigte man sich auf einen Kompromiss: Slama konnte seine Galerie der Straße auch nach dem Ausstellungsschluss bis zum 30. Oktober 1948 benützen, nachdem er sich verpflichtete, die Wände zur Gehsteigkante um 75 cm vorzurücken, damit hinter ihnen die Gärtner arbeiten konnten. Zusätzliche Geldeingänge für das Künstlerhaus gab es jedoch nicht.

Bei dieser Ausstellung wurden auch viele alte Künstlerhausplakate gezeigt; entnommen wurden sie den Ausstellungsakten. Nach Schluss der Ausstellung kamen sie nicht mehr zurück; nur von einigen wenigen gab es Dubletten, die meisten sind seitdem im Künstlerhausarchiv nicht mehr vorhanden. Anscheinend wurden sie damals direkt an die Wände wie bei neuen Plakaten allgemein üblich, affichiert, d. h. aufgeklebt und dann entsorgt.

Nach der Internationalen Plakatausstellung fand im Künstlerhaus die “Ausstellung der jungen Künstler Österreichs” statt; anlässlich des 80jährigen Hausbestehens wollte die Gesellschaft durch sie einen Überblick des künstlerischen Schaffens der Jugend gewinnen. Als einzige Teilnahmebeschränkung gab es die obere Altersgrenze von 40 Jahren; die “Alten” fehlten.

Die Ausstellung fand großes Echo, es beteiligten sich 290 Künstler mit etwa 1200 Arbeiten. Sowohl der Ausschuss, als auch die Ausstellungskommission hielten sich auffallend zurück, die Aussteller jurierten sich selbst. Veranstaltet wurde die Ausstellung auf Risiko der Gesellschaft, es gelang jedoch, das Bundesministerium für Unterricht zur Übernahme einer Ausfallhaftung zu übernehmen. Der erwartete Verlust trat dann tatsächlich ein, es gab ein Minus von etwa 4000 S. Trotzdem handelte es sich um eine erfolgreiche Ausstellung, die zum ersten Mal nach dem Krieg weitgehende Vergleiche und gegenseitige Information unter den jungen, noch unbekannten Künstlern ermöglichte.

Den Zweck und Sinn der Ausstellung würdigten sowohl das Bundesministerium, als auch einzelne Landesregierungen, die für sie eigene Preise stifteten. Zu den Ausgezeichneten gehörten Künstler, deren Stern erst viel später aufgehen sollte: Maria Lassnig, Herbert Pass, Theo Braun, Egon Haug. Da es aber keinen Katalog gab, alle Werke waren direkt beschriftet, wurde die Ausstellung von der Kunstgeschichte bald vergessen. Sogar in den Ausstellungsakten des Künstlerhausarchivs gibt es nur eine Liste der Teilnehmer, nicht jedoch die der ausgestellten Werke.

Im Herbst 1949 gab es eine Themenausstellung, die mit großem Pomp vorbereitet wurde: “Die Wienerin”. Im Gegensatz zu der doch ähnlichen Ausstellung von 1942 wurde diesmal die Wienerin umfassender dargestellt. Neben einer retrospektiven, vom Historischen Museum der Stadt Wien arrangierten Abteilung 1750-1910 im ersten Stock gab es im ganzen Parterre in Zusammenarbeit mit Privatfirmen Themenabteilungen, die an eine Messe erinnerten. In aufwendig gestalteten Kojen wurde Werbung im Großen betrieben; bereits der Katalog gehört zu den umfangreichsten, die bis dahin im Künstlerhaus jemals geschaffen wurden.

Im Stiftersaal gab es “Kleine Geschenke für die Wienerin” (Juwelen, Lederwaren), im Plastikersaal “Die repräsentative Wienerin”, im linken Mittelsaal “Wiener Frauenbildnisse”, im Spanischen Saal “Die Wienerin im Beruf und Alltag”, im linken Oktogon “Kosmetik”, im Müllerzimmer “Lingerie – modische Strümpfe und Wäsche”, im rechten Mittelsaal “Die Wienerin im Sport”, im Belgischen Saal “Die Wienerin als Mutter und im Heim”, im Makartzimmer “Wiener Café-Konditorei”, im rechten Oktogon “Musik”, im Französischen Saal “Die Wienerin im Atelier”, im Foyer “Die Wienerin und das Buch” sowie “die Wienerin und die Zeitschrift”. Der Deutsche Saal konnte nicht mehr benützt werden, dort gab es bereits das Kino. Die Ausstellung wurde in Wien bald zum Tagesgespräch; an der Baustelle der Oper hing ein Großplakat von 12 x 9 Metern von Max Frey, eine Vergrößerung des normalen Plakats.

Die Ausstellung stand allerdings unter einem ungünstigen Stern, das begann sich schon bei der Vernissage zu zeigen. Die Eröffnung sollte der allseits geschätzte Bürgermeister Dr. Theodor Körner vornehmen, doch war noch am Morgen des Eröffnungstages ungewiss, ob Körner tatsächlich erscheinen wird. Verursacht wurde dies durch eine Unstimmigkeit zwischen Körner und dem Stadtrat Matejka. Zur Eröffnung wurde vom Künstlerhaus auch ein ehemaliger Direktor der Städtischen Versicherung eingeladen, der als politisch belastet inzwischen aus dem Unternehmen ausgeschieden war. Das Sekretariat wusste nichts davon, sein Name blieb in der Einladungskartei, die Karte wurde verschickt. Stadtrat Matejka, der von dieser Einladung durch eine Anzeige erfuhr, maß diesem Vorfall überdimensionale Bedeutung zu, woraus die Verstimmung des Bürgermeisters entstand.

Nachdem Körner dann doch im Künstlerhaus erschienen war, wieder durch einen Zufall wesentlich früher vor dem festgelegten Zeitpunkt, hatte der bereits nervöse Präsident Karl M. May nicht mehr auf die Uhr gesehen und überglücklich einer Blamage gerade entgangen zu sein, sofort mit dem Festakt der Eröffnung begonnen. Als dann der Bundesminister für Unterricht Dr. Felix Hurdes und mit ihm die Gemahlinnen des Außenministers Karl Gruber und des amerikanischen Gesandten in Wien sowie der Vizebürgermeister Alois Weinberger und Minister a. D. Hans Pernter pünktlich zur festgesetzten Zeit erschienen, war die Eröffnung bereits im vollen Gange und im Foyer außer einem Saaldiener niemand mehr zur Begrüßung und Empfang der prominenten Festgäste anwesend.

Alle im Künstlerhaus waren überarbeitet und übernächtigt; bis zur letzten Minute wurde an der Fertigstellung der anspruchsvollen Ausstellung gearbeitet. So kam es auch bereits vor der Eröffnung zu Unstimmigkeiten mit einigen der zahlreichen ausstellenden Firmen, vor allem hinsichtlich der ihnen zugeteilten Plätze, der Miete für sie und der Inseratenkosten im Katalog. Einige dieser Konflikte konnten erst viel später, lange nach dem Ausstellungsschluss vor Gericht ausgetragen werden. Die Einnahmen haben auch nicht das eingebracht, was man sich ursprünglich erhoffte; trotz des guten Besuchs entstand ein hohes Defizit. Verlängern konnte man die Ausstellung nicht, da die Räume anschließend für die damals noch gewinnbringenden Gschnasfeste benötigt wurden. Das Plakat wurde von vielen Besuchern Kritisiert; der Maler Max Frey hätte nie eine “echte” Wienerin gesehen, die dargestellten Mädel wären zu dünn, hätten dumme Gesichter und ähnliches. Die echte Wienerin wäre “mollerd”, hätte ein rundes, lachendes Gesicht, schöne Zähne, strahlende Augen und einen „Charme wie keine Frau auf der Welt“!

Während der Ausstellung mischten sich Maler und Bildhauer unter das Publikum auf der Suche nach geeigneten Modellen der “Wienerin”, was immer man unter diesem Begriff verstehen mag. So wurden die Besucherinnen beim Verlassen des Künstlerhauses angesprochen und um Sitzungen gebeten. Eine an und für sich interessante Idee, die jedoch oft zu Missverständnissen, unnötigen Spannungen und sogar zu Neid führte. Abgesehen davon, dass manchen Frauen die musternden, nach Modellen suchenden Männerblicke unangenehm waren, gab es wiederum “Freundinnen”, die nicht verstehen wollten, warum gerade die anderen und nicht sie ausgewählt wurden. Was hat der und der Künstler an der und der Frau gefunden; die kann doch nicht als Wienerin bezeichnet werden, und überhaupt die ist erst vor kurzem nach Wien zugereist, diese kommt aus Kalksburg und diese spricht “reichsdeutsch”.

Die ausgewählten “Wienerinnen” bekamen Gratiskarten für die kommenden Gschnasfeste und wurden, im Falle ihrer Zustimmung, von den Mitgliedern porträtiert. Die Ergebnisse der Aktion wurden in der Weihnachtsausstellung 1950 gezeigt. Einen überwältigenden kommerziellen Erfolg gab es aber auch hier nicht; die Porträts waren Eigentum der Künstler und nur die wenigsten wurden von den Modellen bzw. ihren Männern oder Freunden angekauft. Die meisten Künstler blieben auf ihren “Wienerinnen” sitzen; erst Jahre, ja Jahrzehnte später wurden manche doch noch verkauft.

Politisch führte die Ausstellung “Die Wienerin” außerdem zu einer weiteren Entfremdung zwischen der Gesellschaft und dem Kulturamt der Stadt Wien. Hatte man sich nach 1945 angewöhnt, von der Stadt mehr oder minder nur “Befehle” zu erhalten, den man im Rahmen einer moralischen Verpflichtung meist widerspruchslos gehorchte, so war man nun auch im Künstlerhaus nach und nach auf einem selbstbewussteren demokratischen Kurs. 1949 sollte es keine Befehle der Gemeindebediensteten mehr geben, sondern nur Wünsche und Vorschläge, den man als eine selbständige Vereinigung im Rahmen des Möglichen nachkommen könnte oder auch nicht.

“Die Wienerin” war eine Veranstaltung der Gesellschaft, durchgeführt von ihren damals noch voll ehrenamtlich arbeitenden Funktionären und Mitgliedern. Nur in dem im Gegensatz zum Parterre wesentlich kleineren ersten Stock gab es die von Beamten des Historischen Museums der Stadt Wien entworfene historische Retrospektive, eine Leistung, die letztlich auch die Gesellschaft allein hätte schaffen können. Durch diese Co-Autorschaft entstanden Reibungsflächen, wo aus Kleinigkeiten tiefe Verstimmungen wurden.

Die Gemeinde bemängelte die angebliche geringe Sorgfalt der Hausfunktionäre bei der Veranstaltung einer gemeinsamen, die Ausstellung begleitenden Vortragsreihe; Stadtrat Viktor Matejka nahm die Idee der Ausstellung für sich selbst in Anspruch, als ob die ganze Exposition nur allein Sache der Gemeinde wäre. Demgegenüber gab es Vorwürfe der Gesellschaft: während man im Parterre sorgsam mit Licht umgegangen war, wurde der erste Stock auch tagsüber hell beleuchtet, so dass sogar die gemeindeeigenen Stadtwerke gegen den hohen Stromverbrauch protestierten. Als das Defizit sichtbar wurde, übernahm die Gemeinde in einer Art Ausfallshaftung die Zahlung von 15 000 S; das Bundesministerium für Unterricht subventionierte die integrierte Lothar Rübelt-Fotoschau “Die Wienerin im Sport” mit 2500 S. Der Gesellschaft fehlten jedoch, nach Schluss der Ausstellung und Abzug dieser Eingänge, immer noch 60 000 S, die sie selbst decken musste.

1949 kam es noch zu einem anderen unerfreulichen Konflikt. Die Ausstellungskommission arbeitete ab Jahresbeginn 1948 an einer Gedächtnisausstellung von Anton Hanak; die Kollektion hätte anlässlich des 15. Todestages des Künstlers innerhalb der Frühjahrausstellung 1949 gezeigt werden sollen. Hanak gehörte zwar dem Künstlerhaus als Mitglied nicht an, hatte hier aber oft ausgestellt und kurz vor seinem Tod noch manche Ehrung erfahren.

Wie in ähnlichen Fällen üblich, gab man die Absicht, eine Gedächtnisausstellung veranstalten zu wollen, durch die Presse bekannt, da man sich durch solche Nachrichten Leihgaben aus dem verstreuten Privatbesitz erwartete. Tatsächlich meldete sich der Sohn Hanaks, Walter, dessen Adresse man im Künstlerhaus bisher nicht kannte. Walter Hanak bat um nähere Informationen über die Vorarbeiten und um eine Liste der bisher dem Künstlerhaus bekannt gewordenen Leihgeber. Die Ausstellungskommission glaubte im Hinblick darauf, dass es sich um den Sohn des Künstlers handelte, dieser sonst ungewöhnlichen Bitte nachkommen zu können, ja zu müssen. So war man im Künstlerhaus der Meinung, dass in Zusammenarbeit mit Walter Hanak eine schöne und würdige Kollektion zustande käme. Bis es Anfang 1949 bekannt wurde, dass Walter Hanak – als Erbe des Künstlers der Besitzer aller Rechte – einen Ausstellungsvertrag mit der neuen Secession abschloss!

Als man im Künstlerhaus mit den Vorbereitungen der Hanakausstellung begann, war das Gebäude der Secession unbenutzbar und das Künstlerhaus praktisch das einzige Haus in Wien, wo man die große Kollektion veranstalten hätte können. Die Ansprüche der Secession, deren Gebäude am 12. Februar 1949 eröffnet wurde, auf das Hanakerbe waren mehr als fadenscheinig. Hanak war nur vier Jahre, zwischen 1906 und 1910, Secessionsmitglied. Ab diesem Jahr stellte er im Künstlerhaus aus und anscheinend nur seine Abneigung dem Vereinswesen als solchen hatte ihn daran gehindert, Mitglied der Genossenschaft zu werden. Er war Professor an der Wiener Kunstgewerbeschule, ab 1932 an der Akademie der bildenden Künste, von Verkäufen finanziell also unabhängig.

Die Hanak-Kollektion in der Secession 1949 kam aus einem künstlich gezüchteten Feindbild der neuen Secessionisten dem Künstlerhaus gegenüber zustande. Walter Hanak hatte seinem Vater keinen guten Dienst erwiesen; die Kollektion ließ viel zu wünschen übrig, es handelte sich keineswegs um eine repräsentative Schau. Da der Mittelraum der Secession immer noch ohne Dach war, standen die Plastiken zur Hälfte unter freiem Himmel. Während der vier Monate dauernden Ausstellung kamen 3636 Besucher; die im Künstlerhaus veranstaltete Frühjahrsausstellung zog während zwei Monate 8576 zahlende Besucher an, trotz des damals relativ hohen Eintritts von zwei Schilling. Statt der abgesagten Hanak-Gedächtnisausstellung wurde hier rasch eine Robert Fuchs-Kollektion eingeschoben.115 Im Künstlerhaus konnte Anton Hanak erst 1963 wieder gezeigt werden, dann sogar mit der Unterstützung des Sohnes Walter – der Konflikt von 1949 war inzwischen vergessen.

Nach der Wiedereröffnung des Secessionsgebäudes begann mit der neuen Secession ein jahrelanger Konkurrenzkampf, der noch dazu mit ungleichen Waffen geführt wurde. Nachdem sich das Secessionsgebäude im Eigentum der Stadt befindet, wurde auch die Vereinigung vom stadteigenen Kulturamt protegiert. Hatte die Genossenschaft mit der alten Secession schon bald nach dem Austritt der Klimt-Gruppe 1906 zusammengearbeitet, wurde dies mit der neuen Secession über lange Zeit wieder unmöglich.

Nur das Künstlerhaus bemühte sich seinerseits, trotz aller Anfeindungen, um Verbesserung des Wiener Kulturklimas. So hat man einseitig für die Frühjahrsausstellung 1950 den Mitgliedern fremder Künstlervereinigungen, also auch der Secession, des Art Clubs, des Neuen Hagenbundes, der Gemeinschaft, im Künstlerhaus freien Eintritt gewährt.116 Freien Eintritt bekamen auch alle Akademiestudenten und Schüler einschlägiger Schulen (Grafische, Hetzendorf, Technik, Universität). Und das trotz der wirtschaftlich äußerst angespannten Lage des Künstlerhauses.

Anlässlich des Muttertags 1950 haben sich die damals noch zahlreich vorhandenen Porträtisten des Künstlerhauses entschlossen um den Einheitspreis von 250 Schilling Bilder von Müttern zu schaffen; man wollte wieder an das Kunstwerk als Geschenk erinnern. Derselbe Gedanke eines preiswerten Kunstwerkes als Geschenk lag auch der vom Stadtrat Hans Mandl vor Weihnachten 1950 initiierten und dann vom Kulturamt durchgeführten Aktion “Das gute Bild für jeden” zu Grunde. Es handelte sich um eine Verkaufsausstellung, in der keines der Werke mehr als 300 Schilling kosten durfte. Neben dem Künstlerhaus als Hausherrn beteiligten sich an der Aktion die Secession, der Art Club, die Gemeinschaft, der Neue Hagenbund und die Vereinigung der bildenden Künstlerinnen; in späteren Jahren kamen noch weitere Vereinigungen hinzu.

Die Ausstellung wurde zum großen Erfolg: bei freiem Eintritt kamen 23 000(!) Besucher, die insgesamt 245 von etwa 300 ausgestellt gewesenen Werken kauften, also über 80%! Die Aufteilung der Verkaufserfolge an einzelne Vereinigungen entsprach etwa jener der Großen Österreichischen Kunstausstellung von 1947: Künstlerhausmitglieder verkauften 177 Werke, Secessionisten 28, der Neue Hagenbund 22, die Gemeinschaft 14 und der Art Club 4. Mit dem Plakat und der Art der Werbung, wie sie vom Kulturamt betrieben wurde, war man in der Gesellschaft nicht ganz glücklich, unterließ dann jedoch jeden Protest, da man mit den Verkaufserfolgen durchaus zufrieden war. Das Publikum gab der Linie des Künstlerhauses recht.

Im folgenden Jahr 1951 verkauften die Künstlerhausmitglieder 86 Werke um 25 870 S, die Secession 22 Werke um 8400 S, der Neue Hagenbund 6 Werke um 1480 S, die Gemeinschaft 6 Werke um 1710 S, der Art Club 2 Werke um 700 S, der Kreis 1 Werk um 300 S. Das war eine eindeutige Tendenz, die manchem Kritiker des Künstlerhauses überhaupt nicht passte, auch wenn die absoluten Zahlen die Größen einzelner Vereinigungen nicht berücksichtigt hatten. Schon während der Weihnachten 1951 sprach sich deshalb die “Föderation moderner bildender Künstler Österreichs”, eine kurz davor von Albert Paris Gütersloh gebildete Vereinigung, scharf gegen das Verbleiben der Ausstellung “Das gute Bild für jeden” im Künstlerhaus aus.

Dem Leitenden Ausschuss hätte eine Verlegung auf einen neutralen Boden nichts ausgemacht, man war der Meinung, dass die Künstlerhausmitglieder davon sogar moralisch nur profitieren könnten. Am 5. Dezember 1952 wurde die Ausstellung jedoch nicht auf einem neutralen Boden, sondern in der Secession eröffnet.

Es zeigte sich, dass der Heimvorteil nicht zu unterschätzen war, die Secessionsmitglieder verkauften diesmal wesentlich mehr, nämlich 74 Werke, jene des Künstlerhauses 89. Dreizehn Werke verkaufte der Verein heimischer Künstler Klosterneuburgs, dicht gefolgt von je zwölf verkauften Werken der Föderation und des Art Clubs. Elf Werke verkaufte die Gemeinschaft, sechs entfielen an die Berufsvereinigung, fünf an den Neuen Hagenbund, vier an die Künstlerinnen und eines an den Kreis.

Der Heimvorteil zeigte sich erst richtig in den folgenden Jahren, nachdem die Verkäufe der Secession tatsächlich nach und nach wuchsen, während die des Künstlerhauses stagnierten. 1956 verkaufte die Secession mehr als die Künstlerhausmitglieder: 130 Secession zu 112 vom Künstlerhaus. Die übrigen Künstlervereinigungen blieben unverändert auf der Strecke: Art Club buchte 1956 zwölf verkaufte Arbeiten, der Neue Hagenbund drei.

Erst 1962 und 1963 kehrte “Das gute Bild für jeden” wieder ins Künstlerhaus zurück, nachdem die Secession durch eine ebenfalls vom Kulturamt veranstaltete große Ferdinand Hodler Ausstellung besetzt war; 1963 wurde das Secessionsgebäude renoviert. Die Verkäufe verlagerten sich wieder stark zugunsten der Künstlerhausmitglieder, 1962 verkaufte das Künstlerhaus 157 Werke, die Secession 57, der Kreis 20, der Neue Hagenbund 6. Ab 1964 fand die Ausstellung alljährlich wieder in der Secession statt, das letzte Mal im Dezember 1974.

Das Kulturamt wollte dann der Ausstellung ein neues Image geben und Kreierte die “Chancen für den Sammler”, die 1975 in der Secession gezeigt wurden. Preislimits gab es keine mehr, beteiligt waren neben der Secession das Künstlerhaus und der Berufsverband BVÖ. Die Ausstellung konnte jedoch an die Erfolge der vergangenen Jahre nicht anschließen. 1976 gab es einen “Weihnachtskunstmarkt”, an dem sich die Künstlerhausmitglieder direkt, einzeln, ohne die Vermittlung des Vereins, beteiligen konnten. In folgenden Jahren fand der Weihnachtsmarkt in der Galerie auf der Stubenbastei statt, 1980 im Künstlerhaus.

Im Wien der fünfziger Jahre begannen die sogenannten “Eissalonsbilder” ihre größten Erfolge zu feiern – naturalistische, schönkitschige Gemälde, die von einigen Händlern in den außerhalb des Sommers sonst geschlossenen italienischen Eissalons ausgestellt und verkauft wurden. Von da kam der Name für eine ganze Stilrichtung, die in der Folge einen beträchtlichen Marktanteil gewann. Die in Serie hergestellte Massenware, die mit einem Pseudonym oder unleserlichen Namen signierte Ölmalerei, wurde im Gegensatz zur zeitgenössischen, oft depressiv anmutenden Kunst zum Publikumshit. Alpenlandschaften, rote Sonnenuntergänge, röhrende Hirsche, vollbusige Mädchenakte; schwere Salongemälde in goldangestrichenen Rahmen, – sie alle drückten die Sehnsucht des Normalverbrauchers nach allgemein verständlicher, optimistisch-schöner, naturalistischer Kunst aus. Desorientiert durch Extreme der Gegenwart, ohne leitende Vorbilder, die etwa das aufstrebende Bürgertum im Adel des neunzehnten Jahrhunderts besaß, war nun der Käufer – man begann ihn Konsument zu nennen – auf sich allein gestellt. Die radikale moderne Kunst wurde nur von wenigen verstanden und noch weniger gekauft, die Kluft zwischen der zeitgenössischer Kunst und der breiten Öffentlichkeit wurde immer größer.

1959 war das Künstlerhaus von der Diskussion über die Kunst der Eissalons direkt betroffen; man nahm dem Leitenden Ausschuss übel, dass das Künstlerhaus als größte und bedeutendste Künstlervereinigung Österreichs gegen diese wirtschaftlich florierenden Eissalons nichts unternahm. Doch die Leitung der Gesellschaft war von der Erfolglosigkeit eines solchen “Feldzugs” fest überzeugt117 und außerdem – viele Mitglieder waren selbst Lieferanten solcher Salonbilder. Künftige Kunsthistoriker-Generationen werden es mit dieser Eissalon-Malerei schwer haben; das Geheimnis einzelner Signaturen wird nur schwer zu lüften sein. Die Besitzer solcher “Originale” bzw. ihre Erben glauben an den Wert der Gemälde; bald werden sie auch über den Autor mehr erfahren wollen. Nicht selten kann sich tatsächlich hinter der verschlüsselten Signatur ein anerkannter, akademisch ausgebildeter Künstler befinden, der sich durch diese Auftragsproduktion in seinen finanziell schwersten Jahren über Wasser hielt. Obwohl sie es öffentlich nicht zugaben, waren seinerzeit doch viele bekannte Namen unter den Autoren118 solcher Werke; berichtet wird über Emil Beischläger, Max Neuböck, Karl Langer, Ivo Saliger, Wilhelm Kaufmann, Fritz Itzinger und Max Pistorius. Einer der größten Auftragsgeber solcher Bilder war die bis heute – mit erweitertem Programm und mehreren Filialen – bestehende Galerie Otto.119

Was das Publikum damals von der modernen Kunst hielt, kam u. a. am 3. Dezember 1950 im Künstlerhaus deutlich zum Vorschein. Anlässlich einer der zu dieser Zeit noch üblichen Ausstellungsführungen durch Künstler wurde Ca.rry Hauser vor Bildern des Art Clubs vom Publikum ausgelacht; als er scheinbar unbeeindruckt weiter sprechen wollte, wurden aus dem Gelächter persönliche Beschimpfungen. Die lauten Proteste und Unmutsäußerungen der aufgebrachten Besucher dauerten über eine halbe Stunde, bis zur Kapitulation Hausers; das Publikum rief spontan nach Entfernung der unverständlichen Werke aus der Ausstellung.

Dieser Wunsch wurde zwei Tage später offiziell durch eine Delegation der Österreichischen Jugendbewegung unter Führung des Landtagsabgeordneten Stangler wiederholt, die sogar beim Künstlerhauspräsidenten Karl M. May vorsprach. Ihr Vorgehen rief wiederum Proteste des Verbandsvorstandes der Sozialistischen Jugend hervor, der die Freiheit des künstlerischen Schaffens verteidigte. Schließlich erreichten die Wogen den Unterrichtsminister Dr. Felix Hurdes, auch er wurde mit pro und contra Delegationen konfrontiert. Der Ausstellung tat diese ungewollte Publicity gut, die Bilder wurden natürlich nicht entfernt.120 Karl Farkas hatte in seinem Kabarett wieder etwas zu berichten.121

1951 gab es als Thema der ab 1937 wieder zum ersten Mal abgehaltenen Wiener Festwochen das “Unsterbliche Wien”. Auf Drängen des Festwochenausschusses verschob man die schon seit längerem geplante Ausstellung “Die Donau” auf einen späteren Zeitpunkt und improvisierte binnen kürzester Zeit eine historische Schau Wiens der letzten hundert Jahre. Obwohl mit viel Fleiß und großem Aufwand, wurde die Ausstellung doch zu hastig zusammengetragen und wirkte insgesamt unausgewogen. Viele Künstler mit uneinheitlichen Stilen wirkten mit; auf großen Tafeln wollten sie ihre Ideen verwirklicht sehen. Auch architekturmäßig stimmte nicht alles: neben den Schautafeln gab es Gemälde mit Geschichtsthemen, dazu Dokumente und Fotos. Die Presse berichtete negativ.

Für die Gesellschaft war die Ausstellung trotzdem kein Misserfolg; es gab eine Gemeindesubvention in der bisher ungeahnten Größe von 98 000 Schilling, die zum Großteil in Form von Künstlerhonoraren für Ankäufe bzw. Auftragsarbeiten ausbezahlt wurde. Am letzten Tag gab es freien Eintritt; es kamen 823 Erwachsene mit 46 Kindern.

Die Herbstausstellung 1951 wurde zum ersten Mal am Abend, um 19.00 Uhr, eröffnet. Zwei Gründe gab es für diese Verlegung: man wollte auch Gäste bei der Vernissage haben, die tagsüber arbeiteten und außerdem durch ein längeres geselliges Beisammensein nach der Eröffnung den Kontakt zwischen den Gästen und den Künstlern fördern. Das war seinerzeit auch der Leitgedanke der in der Monarchie jeweils nach der vormittags stattgefundenen Eröffnung veranstalteten Nachmittags- bzw. Abendsbankette.

Die Verlegung auf den Abend wurde zum Erfolg. Die Presse berichtete lobend: eine Eröffnung während der normalen Arbeitszeit wäre eine der Vergangenheit angehörende Exklusivität. Viele Gäste blieben auch nach 22.00 Uhr, nahmen im Restaurant auf eigene Kosten ihr Abendessen ein und unterhielten sich mit den Mitgliedern.122

Anlässlich der Vorarbeiten zu dieser Herbstausstellung kam es zu einem der im Künstlerhaus sonst glücklicherweise seltenen Arbeitsunfälle: als der Maler Hans H. Foitik gerade mit dem Beschriften der Säle beschäftigt war, stürzte er von einer sechs Meter hohen Leiter und brach sich die rechte Hand. Er wurde für mehrere Wochen arbeitsunfähig, sonst blieb aber dieser Unfall für ihn ohne weitere Folgen.123

Im Dezember 1952 wurde zum ersten Mal eine Ausstellung im Kinofoyer durchgeführt, als Ersatz der diesmal nicht vorhandenen Weihnachtsschau. Intern wurden zwölf Mitglieder telefonisch eingeladen, da der Gedanke spontan kurz vor Weihnachten entstand und für umfangreichere Vorarbeiten keine Zeit mehr war.124 Bei den Künstlern selbst stieß die Kinoausstellung auf kein besonderes Interesse, ihre Reaktion blieb gering. So wurden auch in den späteren Jahren nur sporadisch Kinoausstellungen veranstaltet, obwohl das Kinofoyer sonst leer und für Ausstellungszwecke durchaus geeignet war. Man erreichte dort zwar andere Publikumsschichten, aber keine Käufer.

Die Frühjahrsausstellung 1953 “Bild und Plastik” wurde aus Rücksicht auf den Terminplan des Bundespräsidenten Dr. Theodor Körner wieder am Vormittag um 11 Uhr eröffnet, niemandem fiel das unangenehm auf. Als Festwochenausstellung folgte dann die schon seit drei Jahren von Rudolf Schmidt vorbereitete “Donau”; eröffnet wurde sie durch den Bundespräsidenten auch vormittags um 11.30 Uhr. Diese Ausstellung wurde aus Finanzierungsgründen als eine gemeinsame Aktion der an der Donau liegenden Bundesländer präsentiert. Neben Kunst, die dadurch etwas zurückgedrängt werden musste, wurden auch Modelle, Archivalien und naturhistorische Objekte gezeigt. Der 10 000ste Besucher bekam zwei von der DDSG gewidmete Fahrkarten nach Dürnstein.

Ende August 1953 folgte eine große Schau des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, der seinen 60. Geburtstag feierte und aus diesem Anlass auch ein Gewerkschaftstreffen organisierte. Die Schau “Gesünder leben, länger leben durch soziale Sicherheit” war bei freiem Eintritt zugänglich. Um den erwarteten Besucherstrom zu bewältigen, baute man im Vestibül vom Balkon vor dem Präsidentensaal (Ranftlzimmer) zum Erdgeschoß eine zusätzliche Stiege ein. Tatsächlich kamen an Spitzentagen 11 000 Besucher. Die Treppe blieb auch nach der Ausstellung stehen, sie wurde noch bei “30 Jahre Rundfunk in Österreich” im Herbst 1954 benützt.

Gleichzeitig mit dieser von Viktor Th. Slama entworfenen Großausstellung präsentierte in einem temporären Anbau vor dem Französischen Saal die Amerikanische Wirtschaftsmission in Österreich eine Ausstellung unter dem nicht minder optimistischen Titel “Wir bauen ein besseres Leben”. Die Ausstellung zum Thema Wohnen präsentierte Produkte der freien Welt; neben der USA haben sich auch viele europäische Firmen aus 12 Ländern beteiligt. Die Ausstellung zeigte nicht nur Träume, sondern auch greifbare und für jedermann sichtbare Ergebnisse des Wirtschaftswunders, sie signalisierte die kommende Konsumgesellschaft. Im Gegensatz zu allen bisherigen Präsentationen der Innenarchitektur lag diesmal die Betonung auf der technischen Ausstattung der Wohnungen, zum ersten Mal wurde dem breiten Publikum in Österreich ein Fernseher gezeigt.125 Zur Ausstellung gab es einen 72 Seiten umfassenden illustrierten Katalog.

Um diese Zeit war man allgemein verstärkt bemüht, die Kunst in den Alltag der Konsumenten einzubeziehen: 1953 gab es zum ersten Mal eine Beteiligung des Künstlerhauses an der Wiener Herbstmesse. Die regelmäßig zweimal jährlich veranstalteten Messen entstanden 1921 auf dem Weltausstellungsgelände von 1873 rund um die Rotunde und in den ehemaligen Hofstallungen bei den Hofmuseen, die nun Messepalast genannt wurden; am 5. Oktober 1946 wurde die erste Messe nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnet. Das ausgestellte Produktangebot wurde in diesen Jahren systematisch erweitert, 1953 kam auch die zeitgenössische Kunst dazu. Die Beteiligung hatte außerdem einen sozialen Aspekt: die Kunstwerke wurden der Messe AG vermietet, waren aber auch verkäuflich. Diese Zusammenarbeit mit der Wiener Messe dauerte anschließend über zwanzig Jahre bis 1975. Inzwischen wurden die Frühjahrs- und Herbstmessen allmählich durch Fach- und Sondermessen verdrängt, die nur noch am Messegelände stattfanden.

Anlässlich der Frühjahrsausstellung 1953 wurden auf Vorschlag des Präsidenten Karl M. May aus Werbegründen die aktuellen, die Ausstellung betreffenden ZeitungsKritiken auf einer Litfaßsäule im Foyer angeschlagen. Anfangs wurden sie von Günther Baszel fotografisch vergrößert und arrangiert, später kam man aus Kostengründen davon ab und affichierte direkt die Originalausschnitte.

Die eigenen, reinen Kunstausstellungen hatten zu dieser Zeit mit den durch Einbauten aufwendig gestalteten, politisch motivierten Vermietungen stark kontrastiert. Man begann vom Fluch der großen Räume und der hohen Decken zu sprechen und rief nach verstellbaren Trennwänden. Einige Male half man sich mit Staffeleien oder improvisierten Scherwänden aus; wo es nur ging, übernahm man Reste der aufwendigen Architektur vergangener Vermietungen wie etwa bei der Faistauerausstellung.

Im Mai 1955 sprach man von einer Zwischendecke im Französischen Saal, die auf Kosten der geplanten Theaterausstellung errichtet werden sollte. Es blieb beim Projekt.

Im Jänner 1957 wurden neue einheitliche Wechselrahmen in drei Größen für Graphiken angeschafft, die das Erscheinungsbild der Ausstellungen verbessert hatten. Für die Festwochenausstellung “Reisebild-Bühnenbild” 1954 wurden zum ersten Mal bewegliche Trennwände vom Kulturamt der Stadt Wien geliehen; im Sommer 1959 sollten Schrägtische für Graphiken angeschafft werden. Gekauft wurden die verstellbaren Trennwände erst im Jänner 1966 und sie durften nicht mehr als 10 000 S kosten.

Bei der Vernissage der Faistauer-Ausstellung am 20. November 1953 kam es zum völligen Versagen des Ehrendienstes, der stets, seit dem Bestehen des Hauses, aus Mitgliedern bestand. Ursprünglich, nach der Eröffnung des Künstlerhauses 1868, war es üblich, jedem erwarteten Ehrengast ein namentlich bestimmtes Mitglied zuzuteilen, das sich dann auch während der ganzen Eröffnungsfeierlichkeit um den Ehrengast zu kümmern hatte. Erst in der Republik wurden keine Namenslisten mehr gemacht und man überließ alles mehr oder minder dem Zufall.

Anfangs war es auch üblich, alle Eröffnungsansprachen stets stehend zu absolvieren; wann die Sitte der Sessel aufkam, lässt sich aus den Akten nicht eindeutig feststellen, anscheinend aber erst in der Republik, in den zwanziger- oder sogar erst dreißiger Jahren. Manche Präsidenten dieser Zeit wollten Sessel haben, andere wieder absolvierten die Vernissagen lieber noch stehend. Entscheidend war die vorgesehene Eröffnungsdauer und ob es bei ihr musikalische Einlagen gab, den man lieber sitzend zuhörte. Nach 1945 tendierte Karl Maria May zu Sesseln; nach dem Bau des Kinos fanden viele Vernissagen sogar im Kinosaal statt.

Bei der Faistauereröffnung 1953, die nicht im Kino stattfand, waren alle Sessel besetzt, als der Unterrichtsminister Dr. Ernst Kolb kam. Er musste während des ganzen Festaktes, der mit Musikeinlagen reichlich gespickt war, stehen. In der Ausschusssitzung am 11. März 1954 wurde deshalb der gesamte Ehrendienst neu geregelt, man beschloss künftig die ersten zwei Reihen mit deutlichen Tafeln “Für Regierung und Gemeinde” zu versehen, auch die dritte Reihe sollte noch “Für Ehrengäste” reserviert bleiben.

Zu den interessantesten Ausstellungen des Jahres 1954 zählt ohne Zweifel die Vermietung “30 Jahre Rundfunk in Österreich”. In dieser Ausstellung, die stark besucht wurde, fand zum ersten Mal eine Live-TV-Übertragung vor größerem Publikum statt. Das Studio und der Regieraum befanden sich im Plastikersaal, die Empfangsgeräte im linken und rechten Mittelsaal. Bequeme Sitzmöbel und Barecken ermöglichten ein längeres Zuschauen. Die technische Ausrüstung bestand aus drei Kameras und einem Filmabtaster. Die Zuschauer konnten teils direkt, teils über die Fernsehgeräte das Programm verfolgen. In anderen Ausstellungsräumen und im ersten Stock wurde über die Entwicklung des Rundfunks berichtet. Im linken Vorgarten stand ein 30 m hoher Sendemast.

Ende 1954 stellten die Wiener Künstler in Triest aus. Die Initiative dazu kam von italienischer Seite, die schon 1949 im Künstlerhaus ausstellen wollte – wozu es damals allerdings wegen Transport- und sonstiger politischen Schwierigkeiten nicht gekommen war. Gemeldet hat sich Circolo Artistico Trieste, via Giotto 9. Im Laufe der Verhandlungen wurde zuerst die Veranstaltung einer Wiener Ausstellung in Triest beschlossen, die Austauschausstellung Triestiner Künstler im Künstlerhaus sollte folgen. Dabei kam es zu Änderungen in Triest, die Ausstellung wurde schließlich durch das Sindacato regionale artisti pittori e scultori in der Galleria d’Arte, via XX. Settembre 16 veranstaltet. Das beleidigte allerdings Circolo Artistico, von dem die Initiative ausgegangen war und das sich übergangen fühlte. Viele diplomatische Bemühungen waren nötig, bis die Sache halbwegs bereinigt war. Mit dieser Ausstellung begann die “Italienische Epoche” im Künstlerhaus, die durch den Generalsekretär Walter Zettl gefördert wurde.

Eine interessante Ausstellung war für den Sommer 1954 geplant: “Persönlichkeit am Werk”. Die Ausstellung sollte als eine Vertiefung der üblichen Jahres- und Herbstausstellungen gesehen werden; jedes Mitglied sollte darin durch ein Werk, eine Skizze, ein Autograph und ein Porträtfoto vorgestellt werden. Der Besucher sollte dadurch eine umfassende Information über das Künstlerhaus und das Schaffen seiner Mitglieder im Detail bekommen; man versprach sich davon neue Kontakte zwischen dem Publikum und der Künstlerschaft. Die Ausstellung musste leider wegen einer Vermietung verschoben und letztlich abgesagt werden. Nicht alle Künstler waren außerdem mit diesem Einblick in ihre “Intimsphäre” einverstanden. Die verbindlichen Zusagen, die kamen, hätten eine repräsentative Übersicht des Künstlerhauses kaum ermöglicht.

In Wien sprach man in diesem Sommer 1954 viel über eine andere, im Wiener Stadtpark veranstaltete Freilichtausstellung moderner Plastik, die auf Initiative des Prof. Eduard Gaertner vom Kulturamt der Stadt Wien durch Rudolf Schmidt arrangiert wurde; es beteiligten sich auch Künstlerhausmitglieder. Die Ausstellung wurde von der Wiener Bevölkerung äußerst negativ aufgenommen; man wehrte sich gegen die vom Kulturamt diktierte Kunst und gegen die Verschwendung der Steuergelder. Als es zu Angriffen auf die Plastiken kam und einige zerstört oder beschädigt wurden, musste die Ausstellung rund um die Uhr durch die Polizei bewacht werden. Der Ausschuss stellte sich in der entflammten heftigen Diskussion hinter die Gemeinde, den Bürgermeister und das Kulturamt. Im Stadtpark war damals auch die “Danae” von Alfons Riedel ausgestellt. Sie kam anschließend als Widmung des Künstlers zum Künstlerhaus (liegend 160 cm lang, 1600 kg schwer, Badner Konglomerat).

Für die Festwochen 1955 war vom Künstlerhaus eine große internationale Ausstellung geplant: “Zehn Jahre europäischer NachKriegskunst”. In Zusammenarbeit mit 20 diplomatischen Vertretungen wollte die Ausstellungskommission einen Querschnitt moderner Kunst der Welt zeigen; ein Vorhaben, das die Genossenschaft früher regelmäßig durchführte. Diverse organisatorische Schwierigkeiten, vor allem aber das Ausbleiben jeder öffentlichen Subvention, brachten das Vorhaben vorerst zum verschieben und dann zum scheitern. Im Zusammenhang mit der im November 1955 stattfindenden feierlichen Wiedereröffnung der beiden Staatstheater musste das Künstlerhaus, als das einzige dafür geeignete Ausstellungsgebäude Wiens, für eine große Europäische Theaterausstellung ab Mitte August zur Verfügung gestellt werden. Deshalb beschränkte man sich nur auf die Zeit der Festwochen und nur auf Österreich.

Zufällig ergab sich die Möglichkeit, die Ausstellung mit einem neuen, erst 1954 gebildeten Verein zu organisieren, dem “Institut zur Förderung der Künste in Österreich”, Stallburggasse 4/4. Das war eine neue, nur aus Firmen bestehende Vereinigung, die vor allem die moderne österreichische Kunst finanziell unterstützen wollte. Präsident wurde Dr.h.c.Ing. Manfred Mautner-Markhof (Brauerei Schwechat), Vizepräsident Dr. Dr.h.c. Hans Lauda (Veitscher Magnesit) und zweiter Vizepräsident Generaldirektor Karl Weninger (Österreichisches Credit Institut). Mit der Geschäftsführung wurde Generalsekretär Alexander Auer beauftragt. Das Institut wollte jenes Vakuum ausfüllen, das durch den Ausfall des privaten Mäzenatentums entstanden war. Die Anfangs geknüpften Verhandlungen verliefen in gutem Einvernehmen, bis der Ausstellungskommission und dem Ausschuss die Namen der vom Institut vorgeschlagenen Jurymitglieder bekannt wurden. Die Gesellschaft hatte dem Institut, das nun die Ausstellung organisierte, kostenlos alle Parterreräume bis auf den Französischen Saal, wo Der Kreis getrennt ausstellen sollte, überlassen. Natürlich erwartete man, dass in der Ausstellung, die als eine Retrospektive österreichischer Kunst 1945-1955 gedacht war, die eigenen Mitglieder entsprechend berücksichtigt werden.

Die Jury, die durchwegs aus Kunsthistorikern und dem Rektor der Akademie Prof. Dr. Robert Eigenberger bestand, zeigte für das Schaffen der Künstlerhausmitglieder allerdings wenig Interesse. Die meisten Künstlerhausmitglieder wurden von der Jury ausgeschieden; von insgesamt 117 präsentierten österreichischen Künstlern der Nachkriegszeit stammten nur 19 aus dem Künstlerhaus, von denen 21 Werke von den insgesamt 132 ausgestellten gezeigt wurden. Das war ein Affront ohne gleichen, entsprechend groß war die Aufregung unter den Mitgliedern. Da zu dieser Zeit bis auf einen Saal der erste Stock leer stand, wurde die Gelegenheit dazu benützt, die eigenen Mitglieder doch der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zehn Tage nach der Eröffnung der Festwochenausstellung im Parterre wurde im ersten Stock die Ausstellung “Bilder, Studien, Plastiken” eröffnet, fast durchwegs mit den von der Kunsthistoriker-Jury abgelehnten Werken.

Da im Französischen Saal geschlossen Der Kreis ausstellte, war das Künstlerhaus in diesem Frühjahr voll zeitgenössischer Kunst; alle drei Ausstellungen zusammen boten schon einen repräsentativen Überblick des damaligen Schaffens. Aus der Notlage heraus gab es für die im ersten Stock improvisierte Ausstellung keinen Katalog, wodurch es später zu manchen Verzerrungen der Kunstgeschichte kam. Die hauseigenen Kataloge dieser Zeit waren – aus Kostengründen – ohnehin fast immer nur unansehnliche maschinenschriftlich vervielfältigte Listen, die kaum jemand aufgehoben hatte. So ist auch das Fachpublikum über das Schaffen der Künstlerhausmitglieder dieser Zeit allgemein überhaupt nicht informiert.

Schon bald nach der Entstehung der neuen Secession kam es dort zu internen Spannungen, die nach 1950 rapide anwuchsen. Zahlreiche Mitglieder verließen deshalb die Secession, um wieder die Aufnahme in das altbewährte Künstlerhaus zu suchen und auch zu finden. Diese Übertritte hatten keine spektakuläre Erscheinungsform, sie fanden von der Öffentlichkeit unbemerkt statt. Um diese Entwicklung, zugunsten des Künstlerhauses, der Presse und dem Publikum endlich doch vor Augen zu führen, entstand 1955 die Idee der Kollektivausstellung “Secession im Exil”. Nur aus politischen Überlegungen wurde sie letztlich nicht durchgeführt; sie entsprach keineswegs der traditionell-ruhigen Linie der Künstlerhausgesellschaft, die allen unnötigen Konflikten aus dem Weg ging und nicht provozieren wollte.

Eine aus heutiger Sicht interessante Ausstellung fand im März 1955 statt: “Atom. Atomkraft im Dienste der Menschheit”. Eine optimistische, vom Informationsdienst der USA und der Liga für Vereinte Nationen veranstaltete Großschau, mit einem nachgemachten Reaktor 1:1. Im Herbst 1955 folgte dann die bereits angesprochene “Europäische Theaterausstellung”, eine Übersicht von der Antike zur Gegenwart. Im Großen und Ganzen wurden die fünfziger Jahre im Künstlerhaus zu einer Übersicht der beginnenden Wohlstandsgesellschaft und des Konsumrausches. Die Ausstellung “Auto und Landschaft” blieb zwar 1955 nur ein Projekt, sonst folgte aber eine Werbeausstellung nach der anderen, insbesondere nach dem Brand der Börse 1956, in der sich bis dahin solche Produktausstellungen meist konzentriert hatten.

Im Künstlerhaus hatte man mit diesen Ausstellungen, die oft viel Geld brachten, aber nicht nur reine Freude. So blieb zum Beispiel eine Stromrechnung der Firma Zwerenz & Kraus OHG für die Ausstellung “Reich der Familie” im Herbst 1956 bis zum April 1959 unbeglichen und auch dann kam es nur zu einem Vergleich. Ein Streit mit der Ausstellungs-Arbeitsgemeinschaft Hadubrand Schreibershofen & Erich Entrich, die im Künstlerhaus im Auftrag des Verbandes Österreichischer Hausfrauen die Ausstellung “Gesundheit im Heim und Haus” (Juli-August 1956) durchführte, musste vor Gericht ausgetragen werden. Die Arbeitsgemeinschaft, die anscheinend mit solchen Großpräsentationen wenig Erfahrung hatte, meldete die geplante Künstlerhaus-Ausstellung bei der MA 7 zu spät an. Da es sich um reine Vermietung handelte, kümmerte sich der Ausschuss nicht darum, dies war stets die Sache des Mieters. Da die Frist zur – nach dem Börsebrand noch verschärften – technischen Überprüfung der Einbauten zu kurz war, wurde die Eröffnung von der MA 7 und in der Folge auch MA 35 verboten.

Daraufhin suchte die Arbeitsgemeinschaft um Genehmigung eines Verkaufsbasars an, und zwar bei der dafür zuständigen Gewerbebehörde. Auch die Durchführung eines Verkaufsbasars wurde verboten, die Genehmigung zu einem solchen war noch schwieriger zu erhalten als zu einer Ausstellung, bei der weniger Ware und vor allem weniger Verpackungsmaterial vorhanden ist. Auf Berufung der Arbeitsgemeinschaft hob das Ministerium schließlich diese Entscheidungen auf, nachdem man sich auf einer Leistungsschau geeinigt hatte. Ein Verkauf wurde ausdrücklich verboten.

Das war dasselbe Ergebnis, das auch bei der MA 35 zu erzielen gewesen wäre, hätte man mehr Erfahrung und Zeit für die Überprüfungen gehabt. Durch diese selbst verschuldeten bürokratischen Hindernisse bedingt musste die Eröffnung dreimal verschoben werden, vom 2. Juli schließlich bis auf den 25. Juli 1956. Durch diese Verschiebung gerieten die Aussteller unter Zeitdruck; einzelne Kojen waren an Privatfirmen weitervermietet worden und nun blieben die bereits auf Sommerfrische abfahrenden Zuschauer aus. Der gesamte vereinbarte Mietzins war noch vor diesen Schwierigkeiten an das Künstlerhaus bezahlt worden; jetzt begehrte die Arbeitsgemeinschaft eine teilweise Rückzahlung. Kulanterweise hat das Künstlerhaus den Ausstellern eine Verlängerung der Schau um eine Woche angeboten, von der die Arbeitsgemeinschaft auch Gebrauch gemacht hat. Da das Verschulden eindeutig auf Seite der Mieter lag, wollte von einer Rückzahlung der Leitende Ausschuss jedoch nichts hören. Die Gesellschaft wurde daraufhin geklagt, der Prozess zog sich bis 1958. Im schließlich abgeschlossenen Vergleich verzichtete die Gesellschaft auf die Bezahlung der Stromkosten und weiterer Ausgaben in der Höhe von etwa 8000 S; die Miete wurde nicht rückerstattet.

Am 2. Februar 1957 wurde mit einer kleinen Feier “das Schaufenster” eröffnet, das von nun an rund um die Uhr jeweils einzelne Mitglieder des Hauses dem vorbeigehenden Publikum präsentierte. Am Anfang recht begehrt – man erzielte auch Verkäufe – verloren die Künstler in den späteren Jahren nach und nach Interesse auf der Straße ausgestellt zu werden, die neuen Präsentationen wurden seltener. 1970 wurde das Schaufenster wegen des U-Bahnbaues aufgelassen und später nie mehr wiedererrichtet.

In der Nacht auf den 2. September 1957 stürzten Jugendliche die im Vorgarten stehende Plastik “Der Sonnende” von Gottfried Buchberger um. Es handelte sich um keinen politischen Gewaltakt, sondern um eine vandalische Tat des Übermuts. Die Plastik trug vom Sturz keinen Schaden. Schäden erlitt dagegen das in der Frühjahrsausstellung 1958 ausgestellte Bildnis der Tochter des Malers Emil Beischläger “Christl”; dem Maler gelang es aber das Bildnis zu retten. Die Motive des unbekannt gebliebenen Täters blieben unklar.126

Im März 1958 wurde eine der damals noch seltenen Ausstellungen der Hobbykünstler veranstaltet: “Talente entdeckt, erweckt”. Veranstalter war der Österreichische Gewerkschaftsbund, Anlass waren die Bemühungen um sinnvolle Gestaltung der immer länger werdenden Freizeit. Die Schau, an der sich neben Amateurkünstlern auch Modellbauer, Musiker und Erfinder beteiligten, wurde zu einem Rekordbesucherereignis: an einem Sonntag kamen 15 000 Menschen. Mehr konnte das Künstlerhaus nicht mehr fassen.

Demgegenüber wurde der Besuch von Kunstausstellungen immer schwächer. Unter dieser Tendenz haben auch eindeutig gute Ausstellungen gelitten, wie etwa Oskar Kokoschka 1958. Die Schere zwischen den Wünschen des allgemeinen Publikums und dem Künstlerschaffen wurde immer größer, das Ansehen zeitgenössischer Künstler in der Öffentlichkeit immer geringer. Um die Kunstausstellungen für das Publikum doch irgendwie interessanter zu gestalten, begann man bei runden Besucherzahlen Geschenke zu verteilen; bei Kokoschka war es ein vom Künstler signiertes Buch, in anderen Ausstellungen wurde jedem hundertsten Besucher eine Graphik übergeben. Graphiken übergab man jetzt mancher Besucherin auch als Trostpflaster, so z.B. bei einer verlorenen Perlenkette. In der Secession erhielt in der Kulturamt-Ausstellung “Das gute Bild” jeder 50. Käufer zusätzlich einen Gutschein für eine Porträtzeichnung vom Künstler eigener Wahl; die Honorarkosten von 500 S trug das Kulturamt.

Eine der in den fünfziger Jahren doch seltener gewordenen politischen Ausstellungen fand im Juli-August 1959 statt. Während in Wien die “7. Weltjugendfestspiele” von den Kommunisten arrangiert wurden, zeigte das Künstlerhaus eine Gegenausstellung aus dem Leben der Jugend der freien Welt: “Österreichs Jugend stellt vor”. Da das Musikvereinsgebäude an die kommunistischen Veranstalter vermietet war, kam es auf der Dumbastraße zwischen dem Künstlerhaus und dem Musikverein oft zu heftigen Diskussionen und Handgreiflichkeiten, zum Glück ohne Körperverletzungen.

Die politischen Spannungen dieser Zeit des kalten Krieges dokumentieren auch die Ereignisse im Oktober 1959. Das Künstlerhaus wurde für eine Schau der in der Deutschen Demokratischen Republik, DDR, erscheinenden Bücher vermietet; eine Ausstellung, die an und für sich nicht aufregend war und in Wien bereits einige Male stattfand. Neu war allerdings diesmal die DDR-Flagge, die man, am Künstlerhaus gehisst hatte. Wenige Monate vorher hatte die DDR-Regierung ihr kommunistisches Wappen in die alten deutschen Farben gesetzt; durch die Wappeneinfügung wollte die DDR ihre Flagge von der der Bundesrepublik Deutschland unterscheiden. Nach ihrer Meinung handelte es sich ja bei der BRD und der DDR um zwei selbständige deutsche Staaten mit verschiedenen gesellschaftlichen Systemen. Das Problem lag darin, dass der kommunistische Staat DDR von Österreich diplomatisch nicht anerkannt worden war und es demzufolge für das offizielle Österreich auch keine DDR-Flagge gab.

Die Ausstellung wurde am Samstag, den 17. Oktober 1959 um 11.00 Uhr eröffnet und schon um 12.30 kam der erste Protestanruf wegen der als Provokation angesehenen Flagge. Am Nachmittag protestierte offiziell die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im Außenministerium. Dabei wurde auch die Vorgeschichte der Ausstellung deutlich. Sie kam aus Frankfurt a. M., wo man sie bei der dortigen Buchmesse zeigen wollte. Als dort die Hissung der DDR-Flagge verboten wurde, bauten die Ostdeutschen ihre Ausstellung ab und versuchten sie nun in Wien unter denselben Begleitumständen dem Westpublikum zu zeigen.

Das Künstlerhaus bat den Mieter, den Wiener Globus-Verlag, die Flagge abzunehmen, was dieser jedoch ablehnte. Auch nach der Intervention der Staatspolizei, Montagvormittag, blieb der Verlag dabei. Da die Gesellschaft zwar den Französischen Saal an den Verlag vermietet hatte, nicht jedoch seine Fassade – ein juristischer Trick ohne Vorbilder -, wurde es ihr möglich, eine Besitzstörungsklage einzubringen. Außenminister Dr. Bruno Kreisky unterstrich in einem Presseinterview die Notwendigkeit eines neuen Flaggengesetzes. Die Flagge am Künstlerhaus blieb aber vorerst hängen.

In der Nacht auf Dienstag, den 20. Oktober 1959, wurde die Flagge von Unbekannten heruntergerissen und weggetragen. Damit schien die Streitigkeit erledigt zu sein, bis der Globusverlag am Nachmittag, von außen, mit Hilfe einer eigenen Leiter eine neue Flagge am Künstlerhaus hissen ließ. Der Vorgang wurde von mehreren bestellten Kameraleuten der sowjetischen Wochenschau gefilmt. Wegen dieser neuen Provokation konnte das Künstlerhaus seine Besitzstörungsklage betonen.

Auch der Globus-Verlag klagte wegen des Flaggendiebstahls und bat die Republik Österreich um besondere Bewachung. Da die Polizei deswegen jedoch keinen Beamten des zuständigen Wachzimmers freimachen wollte, wurde vom Verlag ein Wachmann der privaten Wach- und Schließgesellschaft mit dieser Aufgabe beauftragt. Es half nicht viel.

In der darauffolgenden Nacht gegen vier Uhr früh fuhren drei junge Männer in einem Taxi vor, ließen es warten und verbrannten die Flagge vor den Augen des Nachtwächters. Er konnte nichts unternehmen, da alles sehr schnell ging und zwei Männer ihn festhielten. Der auf Grund des Kennzeichens einige Stunden später ausgeforschter Taxilenker konnte über seine Fahrgäste keine zielführenden Angaben machen.

Als die Globusleute Donnerstagmittag ihre dritte Flagge aufzogen, konnte der Künstlerhaus-Anwalt nur tatenlos zusehen. Die Flagge wurde nun doch von der Bundespolizei bewacht; nicht um sie zu schützen, sondern um eventuellen weiteren Gewalttaten vorzubeugen.

Die Besitzstörungsklage, die vor dem Bezirksgericht Riemergasse verhandelt wurde, wurde vom Dienstag, den 27. Oktober auf den 6. November zu weiteren Zeugeneinvernahmen vertagt. Da die Ausstellung aber am 1. November 1959 geschlossen und die Flagge niedergeholt wurde, blieb die Verhandlung von beiden Teilen unbesucht und im Streitverfahren trat ewiges Ruhen ein. Dem Gericht wurden keine weiteren Beweisstücke vorgelegt, die Ladung weiterer Zeugen entbehrlich. Der Globusverlag ersetzte alle Prozesskosten – dafür hing die von Österreich nicht anerkannte DDR-Flagge am Künstlerhaus 14 Tage lang.

1963, anlässlich der nächsten DDR-Buchausstellung im Künstlerhaus, wurde der Mieter nach einer Note des Administrationsbüros der Bundespolizeidirektion auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass Österreich zur DDR keine diplomatischen Beziehungen unterhält und dass daher die Flagge der genannten Republik nicht gehisst werden darf. Ebenso zu unterlassen wäre auch das Anbringen sonstiger DDR-Embleme. Der Mieter hielt sich diesmal daran und es kam zu keinen Komplikationen mehr.

1959 und 1961 waren im Künstlerhaus drei große internationale Ausstellungen zu sehen: die Präkolumbianische, die Indische und die Ägyptische Kunst. Alle drei waren Wanderausstellungen, zusammengestellt aus Exponaten, die noch nie in dieser Fülle in Wien zu sehen waren. Durch diese Ausstellungen begann im Künstlerhaus eine Zeit großer, vom Bundesministerium für Unterricht subventionierter Präsentationen, die ihren Höhepunkt in der Ära Hans Mayr erreichen sollten.

Mit hauseigenen Ausstellungen sah es demgegenüber nach wie vor trist, ja sogar immer trister aus. Ihre Besucher reduzierten sich nur auf Stammgäste und tatsächlich Interessierte. Die Themen-Festwochenausstellung 1959 “Wien, Gesicht einer Stadt” besuchten 2510 zahlende Gäste, die Kunstwerke um 96 583 S ankauften. Die Ausstellung “Franz Reder” sahen 898 Besucher, verkauft wurden Werke um 23 000 S. Immer öfters gab es Ausstellungen mit freiem Eintritt, die Kataloge wurden unter dem Herstellungspreis verkauft.

Im März 1960 fand im Künstlerhaus eine italienische Ausstellung der Galerie Kaldor aus Torbole am Gardasee statt. Diese Ausstellung, die ganz offen die Verbindung zwischen Kunst und Kommerz förderte – dies wurde übrigens von der PresseKritik sehr angeprangert – führte zur Intensivierung der Kontakte zu Bruno Kaldor, der kurz daraufhin das Künstlerhausrestaurant pachtete.

Mit Jahresende 1960 schied Generalsekretär Walter Zettl aus dem Künstlerhaus aus und übersiedelte in das Österreichische Kulturinstitut nach Rom. Mit seinem Abgang war die italienische Epoche des Künstlerhauses zu Ende.

Für das Jahr 1961 wurde die großangelegte Jubiläumsausstellung “100 Jahre Künstlerhaus” vorbereitet. Ursprünglich war daran gedacht, die Entwicklung der Genossenschaft bzw. Gesellschaft im Rahmen einer umfangreichen Festwochenaktion darzustellen, an der sich auch die Secession, die beiden Akademien, das Historische Museum der Stadt Wien und das Österreichische Museum für angewandte Kunst beteiligen sollten.

Im Sommer 1960 begann aber ein gezieltes Treiben einiger Kunsthistoriker gegen das Künstlerhaus, die dieses Jubiläum als Festwochenthema verhindern wollten. Die Besprechungen nahmen kein Ende, man suchte nach neuen Titeln und neuem Inhalt der Festwochenausstellungen außerhalb des Künstlerhauses. Schließlich sollte alle Festwochenausstellungen der designierte Direktor des Museums des 20. Jahrhunderts Dr. Werner Hofmann koordinieren, seinen Vorstellungen sollte sich auch die Gesellschaft unterordnen. Von einem Jubiläum des Künstlerhauses, dem Anlass der vorgeschlagenen historischen Festwochen-Schau, sprach man nun nicht mehr.

So beschloss die Ausstellungskommission zusammen mit dem Leitenden Ausschuss die Jubiläumsausstellung allein, trotz und gegen die Wiener Festwochen durchzuführen. Da man dafür kaum mit öffentlichen Subventionen rechnen konnte, wurde vom vorbereitenden Komitee eine Patenschaftsaktion gestartet: einzelne Persönlichkeiten und Firmen konnten Patenschaften über einzelne Säle übernehmen und zu ihrer Ausstattung beitragen.127

Die Aktion gelang, die Privatfirmen machten mit. Die Ausstellung wurde mit großem Aufwand gestaltet, aufwendig wurde auch die Festschrift im A4 Querformat und mehr als 160 Seiten. Eine Sonderbriefmarkenserie kam heraus, im Künstlerhaus wurde ein Sonderpostamt eröffnet. Die Presse verhielt sich je nach der Stellung ihrer Korrespondenten gespalten; neben begeisterten Berichten gab es auch scharfe Kritik des “konservativen” Künstlerhauses. Mit dem Festwochenausschuss stand man aber nicht lange auf Kriegsfuß; es wurde bald wieder Frieden geschlossen.

Das zeigte Früchte: zu Festwochen 1962 organisierte die Gesellschaft eine große, von der Allgemeinheit begeistert aufgenommene Surrealismus-Ausstellung. Die Idee stammte von dem Journalisten Johann Muschik und dem Maler Rudolf Hausner. Beide dachten anfangs nur an eine Präsentation der in Österreich lebenden “Phantasten”, dementsprechend sah auch der erste Arbeitstitel aus: “Die Wiener Schule, die phantastischen Realisten”. Erst später wurde die Ausstellung um internationale Leihgaben ergänzt.

Das Kulturamt und der Festwochenausschuss waren mit dem vorgeschlagenen Thema einverstanden; für das Künstlerhaus gab es diesmal eine fette Subvention von 199 999 S. Im Künstlerhaus selbst war man allerdings nach den Erfahrungen der letzten Jahre äußerst vorsichtig, was erwarteter Besuch und mögliche Verkäufe anbelangt. Dementsprechend niedrig fiel die Katalogauflage aus: 1500 Stück wurden gedruckt. Sie waren binnen weniger Tage ausverkauft; die zweite Auflage betrug weitere 1000 Stück, Ende Juni lieferte Anton Tusch noch 837 Exemplare nach. Die Ausstellung schloss am 8. Juli 1962.

Heute befinden sich im Künstlerhausarchiv nicht einmal Belegstücke dieser Nachdrucke. Der reichillustrierte Katalog wurde praktisch zum Selbstkostenpreis verkauft (Herstellungskosten 22,15 S, Verkaufspreis 25 S; 2. Auflage Herstellung 22,50 S, 3. Auflage 24 S). Daneben gab es noch Verzeichnisse mit Bildern um 3 S. Insgesamt kamen 13 561 zahlende Besucher, das war in dieser Zeit für eine Kunstausstellung eine sehr hohe Zahl.

Nur wenige Wochen später wurde die Wiener Kollektion nach Polen geschickt: “Wiedenska szkola malarstwa fantastycznego”, gezeigt im September-Oktober in Warschau. Hier war der Begriff “Wiener Schule” betont im Titel festgehalten, ebenso 1963 in den Präsentationen in Rom, Linz, Salzburg und Sao Paulo.

Im Sommer 1962 sollte im Künstlerhaus eine vom Bundesministerium für Unterricht veranstaltete Ausstellung der “Zeitgenössischen jugoslawischen Malerei, Graphik und Plastik” stattfinden, als letzte Station einer Tournee über Linz (4.5.1962 – 3.6.1962) und Graz (13.6.1962 – 12.7.1962); vorgesehener Termin in Wien war 20.7.1962 – 19.8.1962. Sowohl Plakate, als auch Kataloge waren bereits gedruckt, als die Absage der Ausstellung kam. Telefonisch, so dass es diesbezüglich keinen Schriftverkehr gab und wir heute die Gründe der Absage nicht kennen. Alle angelaufenen Kosten übernahm das Ministerium.

Unverwirklicht blieb auch ein Projekt einer Fotoausstellung der FKK-Vereinigung Gymnasion, die den Stiftersaal für den 24.4.1963 – 8.5.1963 mieten wollte. Der Leitende Ausschuss war mit der Ausstellung anfangs durchaus einverstanden, Akte waren in den Ausstellungen ja nichts außergewöhnliches, auch Fotografien. Diesmal wollte er aber doch vorsichtshalber vor der definitiven Vereinbarung die zur Ausstellung vorgesehenen Fotos sehen, die übliche rein künstlerische Aktfotografie in gestellten Posen war ja diesmal kaum zu erwarten, es handelte sich um die Dokumentation eines Vereinslebens. Anscheinend wurden dann die vorgelegten Fotoaufnahmen der vielen Nackten beiderlei Geschlechts und jeden Alters in den Turnhallen und in der freien Natur der Lobau doch als zu gewagt empfunden, da aus der Ausstellung nichts wurde. Immerhin zeigte sich aber bei diesem Ausstellungsprojekt bereits die beginnende Welle der allgemeinen Freizügigkeit, der sich ändernden Einstellung der Öffentlichkeit dem nackten Körper und letzten Endes auch der Sexualität gegenüber.

Im Frühjahr 1964 kam es wieder einmal zu einem größeren Konflikt mit dem Kulturamt. Überhaupt scheint es, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg in Wien Kulturpolitiker und Kunsthistoriker gab, die nicht nur selbst von Klischeevorstellungen durchdrungen waren, sondern die direkt persönlich an der Vertiefung dieser Klischees interessiert waren. Die Linie, das Künstlerhaus als konservative, sich längst überlebte Gesellschaft darzustellen, kam 1964 wieder deutlich zum Vorschein.

Der Erfolg der Surrealismus-Festwochenausstellung 1962 spornte die Ausstellungskommission an, die solcherart begonnene kulturgeschichtliche Auseinandersetzung fortzusetzen. Wieder nach einem Vorschlag Rudolf Hausners wurde für 1964 eine Ausstellung unter dem Titel “Antlitz der Zeit” geplant, in der die Vielfalt und die Gegensätze der modernen Kunst Europas und Amerikas im Rahmen ihrer geschichtlichen Entwicklung dargestellt werden sollten. Das Kulturamt, der Festwochenausschuss und das Bundesministerium für Unterricht wurden über dieses Vorhaben informiert und da es sich um ein aufwendiges Projekt mit internationaler Beteiligung handeln sollte, wurde um entsprechende Subventionen angesucht. Das war im Winter 1962-1963.

Mit seinem Schreiben vom 4. März 1963 informierte Sektionschef Dr. Egon Hilbert, Intendant der Wiener Festwochen, die Gesellschaft über das inzwischen beschlossene Motto der Festwochen 1964: “Anbruch unseres Jahrhunderts – Kunst und Kultur nach der Jahrhundertwende” und bat um entsprechende Abstimmung des Künstlerhausprogramms. Die gab es ja aber bereits, die von der Gesellschaft geplante Ausstellung passte geradezu ideal zum offiziellen Festwochenthema. Während in der Secession die Ausstellung “Wien um 1900″ vorbereitet wurde, wäre im Künstlerhaus der “Österreichische Beitrag der Jahrhundertwende im internationalen Zusammenhang” zu sehen gewesen. Schwerpunkt lag an der objektiven geschichtlichen Verarbeitung dieses Themas.

So schien alles in Ordnung zu sein, bis am 5. April 1963 Dr. Werner Hofmann, Direktor des Museums des 20. Jahrhunderts im Schweizergarten, seine Bedenken gegenüber der Künstlerhausbeteiligung äußerte. Wie klischeehaft seine Vorstellungen und wie uninformiert er war, zeigten seine eigenen Worte: Hofmann fand es grotesk, dass das Künstlerhaus eine Ausstellung machen wollte, die der “künstlerischen Tendenz dieses Vereins entgegenlief. Richtiger wäre es, wenn das Künstlerhaus sein Profil aus den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zeigen würde, das ja der Anlass zur Abspaltung der Klimt-Gruppe und zur Gründung der Wiener Secession war”. Das Künstlerhaus sollte in den Geleisen fahren, in den es sich traditionsgemäß seit seiner Entstehung angeblich bewegt. Dass sich dabei Hofmann in sein eigenes Fleisch schnitt, war ihm mangels tiefer gehender Kenntnis damals nicht bewusst. Er wusste vom Künstlerhaus und seiner Geschichte, abgesehen von einigen Schlagwörtern, überhaupt nichts, anscheinend hatte er auch niemals ältere Künstlerhauskataloge in der Hand gehabt.

Wider sein Erwarten griff man im Künstlerhaus seine Idee auf und ließ den ursprünglichen Plan einer kunstgeschichtlichen Auseinandersetzung mit der bekannten internationalen Moderne fallen, ein Thema, dass jetzt bereits von anderen am Festwochenprogramm beteiligten Institutionen beansprucht wurde. In einer nicht genau datierten Sitzung der Direktion der Festwochen Mitte Mai 1963 gab Präsident Alfons Riedel bekannt, dass sich sein Haus den Festwochen vollständig anpasst und seine Ausstellung demnach unter dem Titel “Künstlerhaus vor der Jahrhundertwende” veranstalten wird. Dr. Hofmann war in seinem Inneren scheinbar beruhigt, in der Sitzung erhob sich keine einzige Stimme gegen dieses Projekt.

Im Künstlerhaus begann nun Archivar Prof. Dr. Walter Maria Neuwirth intensiv die Einlaufbücher der Kunstwerke aus dem Zeitraum 1890-1900 durchzuforsten und eine Kartothek anzulegen, die Bescheid darüber gab, welche Werke und welche Künstler damals tatsächlich das Künstlerhaus frequentierten. Nachdem Intendant Dr. Hilbert der Gesellschaft Unwissenschaftlichkeit vorwarf, Prof. Dr. W. M. Neuwirth war ein pensionierter Gymnasiallehrer, lud man zur Mitarbeit die Kunsthistoriker Prof. Dr. Bruno Grimschitz und Dr. Ernst Koller ein. Sie, als anerkannte Wissenschaftler, sollten dem Projekt das gewünschte Image geben.

Die Kartei von Prof. Neuwirth war im September 1963 fertig. In zwei Sitzungen am 1. und 2. Oktober 1963 suchte Dr. Grimschitz die einheimischen Künstler aus, die für die Moderne richtungsgebend waren, Dr. Koller folgte mit seiner Auswahl fremder Künstler. Die archivalischen Vorerhebungen waren abgeschlossen, man begann nach Leihgaben der betreffenden Künstler Ausschau zu halten, vor allem aus dem sonst kaum bekannten Privatbesitz. Um die Ausstellung als einen Teil der allgemeinen Idee der Festwochen zu dokumentieren und auch aus Kostengründen beabsichtigte die Ausstellungskommission keinen eigenen Katalog und kein eigenes Plakat zu machen, sondern sich den gemeinsamen Publikationen anzuschließen. Im Dezember 1963 war man sich auch schon mit dem definitiven Ausstellungstitel klar: “Vorläufer des 20. Jahrhunderts”. Dr. Hilbert wurde über das Fortschreiten der Vorbereitungsarbeiten laufend schriftlich informiert; nun bat man zur Sicherung der auswärtigen Transporte um eine Subvention von 100 000 S.

Die überraschenden Ergebnisse der Forschungen von Dr. Walter M. Neuwirth und die Auswahl von Grimschitz-Koller – mit der neuen überraschenden These, wonach die Moderne in Wien nicht mit der “Abspaltung” der Secession begann, sondern schon früher im Künstlerhaus zu sehen war – mussten zu dieser Zeit bereits allgemein in die beteiligten Kreise durchgedrungen sein. Sie glichen einer Rehabilitierung der Genossenschaft und passten überhaupt nicht in das Weltbild von Dr. Hoffmann. Nicht die Secession, sondern das Künstlerhaus wurde sensationsverdächtig.

Am 16. Jänner 1964 wurde im Künstlerhaus bekannt, dass Dr. Hilbert plötzlich gegen das Thema der Künstlerhausausstellung ein Veto eingelegt hatte. Vizebürgermeister Hofrat Hans Mandl war nach wie vor für die Künstlerhausausstellung wie bisher geplant. Für die Eröffnung wurde der Bürgermeister Franz Jonas gewonnen, der Eröffnungstermin wurde auf den 26. Mai 1964 17.30 Uhr festgelegt. Etwas beunruhigend wirkte im Künstlerhaus allerdings, dass sich die Intendanz der Festwochen wochenlang in tiefes Schweigen hüllte. Dann wurde bekannt, dass die Künstlerhausausstellung nicht in dem offiziell gedruckten Festwochenprospekt angeführt war.

Am 17. März 1964 kam es im Amt für Kultur und Volksbildung zu einer Besprechung zwischen den Magistratsbeamten und Präsident Alfons Riedel, der von seinem Generalsekretär Dr. Wolfgang Gruedl begleitet wurde. Senatsrat Dr. Ernst Gapp äußerte sich über die Künstlerhausausstellung sehr negativ, das Grundkonzept der Festwochen wäre durch das Künstlerhaus gestört, die Hereinnahme ausländischer Künstler kunsthistorisch nicht notwendig. Dr. Robert Waissenberger pflichtete ihm dabei bei. Die Subvention des Kulturamtes wurde in Frage gestellt – sollte das Künstlerhaus die Subvention bekommen wollten, müsste es sich den Veranstaltungen der Stadt vollständig unterordnen, dies geschehe hier nicht.

Das Festwochenkonzept war tatsächlich gestört worden: Das von allen konservativen Anschuldigungen gereinigte Künstlerhaus passte nicht in das gängige Motto, in dem der Secession die Rolle des Progressiven zugedacht war. Die eingeführte Legende, dass in Wien vor der Secession internationale Moderne nicht zu sehen war, durfte nicht zerstört werden.

Die Vorarbeiten im Künstlerhaus waren zu dieser Zeit schon so weit gediehen, dass man von politisch motivierten Änderungen nichts mehr hören wollte. Man blieb übereinstimmend bei der Auffassung, dass die Ausstellung nur in der von der Ausstellungskommission bisher geplanten Form durchgeführt werden sollte, also auch mit der Beteiligung ausländischer Künstler, die vor der Jahrhundertwende das Künstlerhaus präsentiert hatte. Ihr Weglassen würde einer historischen Verfälschung gleichkommen, man lehnte die Zensur des roten Rathauses dezidiert ab.

Da man sich mit Senatsrat Dr. Gapp nicht einigen konnte, gab das Künstlerhaus der Direktion der Wiener Festwochen letztlich telefonisch am 25. März 1964 und schriftlich am 26. März 1964 die Absage der Ausstellung bekannt. Nachdem es auch Dr. Hilbert nicht für nötig hielt, mit dem Künstlerhaus zu sprechen, wurde am 2. April 1964 der Vizebürgermeister Hans Mandl, der dem Künstlerhaus immer freundlich gesinnt war, von der Absage offiziell informiert. Am 9. April 1964 wurden alle Leihgeber von der Absage benachrichtigt, und nachdem auch die Gemeindestellen immer noch nicht reagiert hatten, für den 14. April 1964 schließlich eine Pressekonferenz einberufen. Das Echo der Konferenz war gewaltig.

Nicht nur die öffentliche Meinung, diesmal stand auch die sonst Kritische Presse fast ausschließlich auf der Seite des Künstlerhauses. Sie sprach von Willkür und von Zensur durch die Gemeinde; scharf angegriffen wurde vor allem der zwar verantwortliche, aber an der Sache doch unschuldige Vizebürgermeister und Stadtrat für Kultur, Volksbildung und Schulverwaltung Hans Mandl. Er nahm die Presseangriffe persönlich und fühlte sich durch das Publikmachen des Konflikts durch das Künstlerhaus sehr betroffen. Nach ihm wäre nicht das Kulturamt an dieser unerquicklichen Entwicklung schuld, sondern das Künstlerhaus.

Somit endete ein Projekt, das die Meinung, das Künstlerhaus sei stets nur ein Hort der Reaktion gewesen, korrigieren hätte können. 17 Museen, darunter der Louvre, die Nationalgalerie Berlin, die Bayerische Staatssammlung, die Dresdener Galerie, die Galleria Nazionale d’Arte Moderna in Rom und die Musées Royaux in Brüssel hatten sich bereit erklärt, Werke von Künstlern, wie Monet, Puvis de Chavannes oder Menzel zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinde versuchte sich später durch die hohen Transportkosten zu rechtfertigen und wollte von einer politischen Zensur nichts wissen. Tatsache aber ist, dass schon ein Jahr vorher die “Hanak-Kolig” Ausstellung im Künstlerhaus zwar vom Kulturamt, nicht jedoch von den Festwochen subventioniert wurde. Wie die Salzburger Nachrichten ihren Bericht über die Vorkommnisse betitelt haben, “die Provinz fand in Wien statt”. Die Aversion Dr. Robert Waissenbergers dem Künstlerhaus gegenüber hatte sich bis zu seinem frühen Tod nicht verändert; auch andere Gemeindepolitiker, standen noch Jahre später dem Künstlerhaus negativ gegenüber.128

Nachdem man für das Parterre des Künstlerhauses durch die Absage der Ausstellung keine Verwendung hatte, besprach man am 21. April 1964 im Kulturamt die entstandene Situation und suchte nach einem Ausweg. Man sprach von einer Ranftl-Kollektion und von einer Ausstellung der im Depot des Kunsthistorischen Museums liegenden Gemälde der Jahrhundertwende. Schließlich wurde vom Kulturamt für die Ausstellung “Wien um 1900″ das erste Stockwerk gemietet, wobei der Finanzreferent der Gemeinde nicht vergaß, die Höhe der von der Gesellschaft verlangten, jedoch durchaus ortsüblichen Miete zu Kritisieren. Das Parterre blieb leer.

Die Festwochenausstellung 1965 wurde von der Direktion der Festwochen selbst veranstaltet, unter der Verantwortung von Dr. R. Waissenberger. Der Titel “Wiener Malerei seit 1945″ zeigte, dass es sich um eine Ausstellung handelte, deren Idee im Künstlerhaus entstand und die die Gesellschaft schon 1955 veranstalten wollte. Doch wie 1955, war auch diese Ausstellung, obwohl im Künstlerhaus, wieder gegen das Haus und die Gesellschaftsmitglieder gerichtet.

Die Gesellschaft war aus rein finanziellen Gründen gezwungen, die Künstlerhausräume zu vermieten. Das war schon seit Jahren so; 1965 war aber neu, dass diese Vermietung für unseriöse Angriffe gegen das Künstlerhaus selbst missbraucht wurde, zu Beleidigungen des eigenen Mitgliederschaffens. In der Festwochenausstellung “Wiener Malerei seit 1945″ war nur ein einziges Künstlerhausmitglied vertreten. Mehr Unhöflichkeit dem Gastgeber gegenüber konnte man nicht mehr zeigen. Die Stimmung der Mitglieder dem Festwochenausschuss und somit auch der Gemeinde gegenüber war denkbar schlecht.129 Man beschloss deshalb als ein Gegengewicht zu dieser Ausstellung, die man als reine politische Provokation empfand, eine eigene zu veranstalten: “Das Wiener Künstlerhaus 1945-1965″. Auch sie hätte mit manchen Überraschungen aufwarten können; immerhin hatte das Künstlerhaus über 300 ordentliche Mitglieder, die jetzt von der Gemeinde völlig negiert wurden.

Nach längerem Nachdenken ließ man aber von diesem, für September 1965 geplant gewesenen Projekt ab; die Beziehungen zum Kulturamt waren ohnehin bereits empfindlich gestört, eine weitere Eskalation hätte dem Künstlerhaus nur mehr Nachteile gebracht. Die Gemeinde war stärker, sie vergab doch Subventionen, sie mietete die Hausräume, man war von ihr in diesen Jahren finanziell bereits stark abhängig. So tröstete man sich mit dem Jubiläumsjahr 1968, der nächsten Gelegenheit das Künstlerhaus neu präsentieren zu können. Die hundert Jahre seit der Hauseröffnung sollten durch eine entsprechende, korrigierende Ausstellung gefeiert werden.130

Die Frühjahrsausstellung 1966 versuchte “moderner” zu wirken; im Plastikersaal befand sich eine Kollektion des Wiener Neustädter Bildhauers Kurt Ingerl, was auch die Presse vorerst zustimmend zur Kenntnis nahm. Doch bereits die Herbstausstellung 1966 wurde von der Presse wieder äußerst negativ Kritisiert. Dazu kam wieder einmal eine Panne: die Eröffnung mit Frau Stadtrat Gertrude Sandner wurde nicht eingehend abgesprochen; nach der Gemeindedarstellung war ein Brief mit dem genauen Termin angeblich unterwegs verloren gegangen. Kurz vor der Eröffnung wurde bekannt, dass Frau Stadtrat zum vorgesehenen Zeitpunkt bereits verhindert war; der daraufhin von ihr als Stellvertreter delegierte Dr. Robert Weissenberger lehnte es ab, im Künstlerhaus zu sprechen. So wurde die Ausstellung vom Leiter der Ausstellungskommission Lois Pregartbauer eröffnet.

Unruhe verbreitete sich 1966 auch um das Künstlerhausgebäude selbst. Schon seit einiger Zeit wurden die Gartenanlagen zwischen dem Künstlerhaus und der Handelsakademie sowie die Hauptstiege von vergammelten Jugendlichen als Treffpunkt benützt; es ergaben sich dadurch öfters Konflikte sowohl mit den Hausangestellten, als auch mit den Ausstellungsbesuchern. Am 17. April 1966 kam es zu einem Zusammenstoß der Jugendlichen mit der Polizei, die Ordnung schaffen wollte. Trotzdem ließen sich die Jugendlichen auch später nicht vertreiben.

Am 18. Juni 1966 kam es vor dem Künstlerhaus zu einem Verkehrsunfall, bei dem ein PKW ausbrannte. Der Portier half dem Unglücksfahrer mit zwei Feuerlöschern; die Füllungen wurden später vom betroffenen Fahrer ersetzt.131

Am 20. August 1966 wurde um 4.50 Uhr ein Bombenanschlag gegen das am Kärntnerring 2 befindliche Büro der Luftfahrtlinie Alitalia verübt. Die Explosion war so stark, dass auch am Künstlerhaus elf Glasscheiben, vor allem am Dach des Plastikersaales, gesprungen waren. Als Täter wurden zwei Wiener identifiziert, die durch ihre Tat gegen die politische Lage in Südtirol protestieren wollten.

Im Juni 1967 kam es zu einer ungewöhnlichen Aktion der seit einem Jahr im Amt befindlichen Frau Generalsekretär Inge Zimmer-Lehmann. Am 6. Juni 1967, einen Tag nach Kriegsbeginn zwischen Israel und den arabischen Staaten, startete Frau Zimmer-Lehmann – angeregt durch den Keramiker Kurt Ohnsorg und den Maler Kurt Goebel eine politische Hilfsaktion zugunsten Israels. Alle Wiener Künstler ungeachtet ihrer Mitgliedschaft wurden zu einer spontanen Spende aufgefordert; die solcherart gewidmeten Werke hat man anschließend im Künstlerhaus in einer improvisierten Ausstellung gezeigt und versteigert.

Dazu musste die Frühjahrsausstellung umgehängt werden, doch niemand hatte etwas dagegen. Die Versteigerung fand am 15. Juni 1967 im Stiftersaal statt, der Gesamterlös, mit allen Verkäufen und Spenden betrug 264 820 S. Beteiligt haben sich 233 Künstler, die 594 Werke widmeten. Die Gesellschaft bekam durch die spontane Auktion aber Schwierigkeiten mit dem Finanzamt für Körperschaften; am 16. Juni 1967 verbrachte Frau Zimmer-Lehmann vier Stunden bei dessen Chef und dem Sachbearbeiter für Steuerfragen, bis man einen Modus zur Erlangung der Steuerfreiheit gefunden hatte.

Im Dezember 1966 fand auf Initiative von Frau Zimmer-Lehmann im Künstlerhaus eine “Weihnachts-Verkaufs-Ausstellung” mit billigeren Werken zu Geschenkszwecken statt. 1967 wurde eine neuerliche Weihnachtsverkaufsausstellung von der MA 7 zwar am 14. November 1967 bewilligt, doch legte der Leiter der MA 7, Obermagistratsrat Dr. Karl Foltinek in einer Besprechung am 22. November 1967 der Gesellschaft nahe, auf die Ausstellung freiwillig zu verzichten. Sie konkurriere stark der Kulturamtaktion “Das gute Bild für jeden” in der Secession; Foltinek argumentierte sogar mit einer angeblichen, in Wirklichkeit nicht existierenden Vereinbarung, wonach in Wien nur eine(!) Weihnachtsausstellung stattfinden dürfe. Nachdem man mit dem Kulturamt nicht wieder in einen Konflikt geraten wollte, sagten Präsident Karl Kupsky und Frau Zimmer-Lehmann ihre Weihnachtsausstellung ab. Die bereits im Künstlerhaus befindlichen Werke wurden durch eine Jury unter Vorsitz von Dr. Robert Waissenberger(!) durchgesehen und die angenommenen in die Secession herübergetragen.132

Die 1968 veranstaltete Jubiläumsausstellung “100 Jahre Künstlerhaus” blieb unpolitisch; sie beschränkte sich nur auf Dokumente zum Hausbau. Von einer ursprünglich groß geplanten Präsentation von Kunstwerken der letzten hundert Jahre wurde abgesehen. Ein Konflikt entstand dann aber doch: das Historische Museum der Stadt Wien fühlte sich durch einige Presseartikel, in die über die römischen Funde beim Bau des Künstlerhauses 1865 berichteten, angegriffen. Obwohl die Fundstücke schon seinerzeit der Stadt geschenkt wurden, war Prof. Dr. Hans Koepf der erste, der die Bruchstücke – nach hundert Jahren! – untersuchte und zu einem Portal zusammenfügte; die Ergebnisse seiner Rekonstruktion wurden im Katalog publiziert.133

Anlässlich der Vorarbeiten zu dieser Ausstellung wurde der 1868 im Künstlerhaus eingemauerte Schlussstein geöffnet. Die darin gefundenen Gegenstände wurden in der Ausstellung gezeigt, eine Gedächtnismedaille verkleinert kopiert und an verdiente Mitglieder sowie Prominente verteilt. Die Herausgabe einer Sonderbriefmarke, um die man sich bemühte, wurde von den Behörden nicht genehmigt.

Künstlerisch bedeutend war die Festwochenausstellung 1968 “Die Wiener Schule des phantastischen Realismus”. Im Künstlerhaus zusammengestellt, gab sie einen Überblick über die Entwicklung der „Wiener phantastischen Malerei“. Vertreten waren darin nicht nur Arbeiten der bereits bekannten und gefeierten Staatskünstler, sondern auch vieler kleinen, die man sonst nur selten zu Gesicht bekam.

Im Parterre des Künstlerhauses befand sich in den Räumen des ehemaligen und schon seit Jahren nicht mehr benützten Casinos zur Zeit der Amtsübernahme des Präsidenten Karl Kupsky ein Aufnahmsbüro und Depot der zur Ausstellungen kommenden Werke, das sogenannte “Holzingerreich”.134 Frau Generalsekretär Zimmer-Lehmann ließ 1967-1968 dieses Depot in den hinten im Haus liegenden Spanischen Saal verlegen – dass sich dieses Depot früher, knapp hundert Jahre lang hinter dem linken Graben im Souterrain befand, hat man im Künstlerhaus bereits vergessen. Im diesen Räumen des ehemaligen Casinos wurde im Herbst 1968 die “Künstlerhausgalerie” eröffnet.

Das wäre an und für sich nichts besonderes, wenn es damit nicht zu einer neuen, noch nie da gewesenen Management-Regelung gekommen wäre. Die Künstlerhausgalerie wurde aus dem Wirkungskreis der Ausstellungskommission herausgenommen und die Programmierung direkt, im Einvernehmen mit dem Präsidenten und dem Leitenden Ausschuss, der Frau General-Sekretär unterstellt. Frau Zimmer-Lehmann zeigte in der Hausgalerie dann meist junge Künstler, die noch nicht Mitglieder der Gesellschaft waren; die Ausstellungen zogen viel Publikum an. Da auch die Presse fast ausschließlich positiv über diese Entwicklung im Künstlerhaus berichtete, fühlte sich die Ausstellungskommission übergangen, was später zu tiefen Konflikten führte.

Die Idee zur Revitalisierung der wertvollen Räume im Erdgeschoß, mit Seitenfenstern zur Karlskirche, hatte Anfang 1967 der Architekt Josef Schilhab, der dort aber die “Ständige Ausstellung” haben wollte. Erst Heinrich Heuer, Kurt Ingerl, Fred Nowak und Karlheinz Pilcz kamen mit Frau Zimmer-Lehmann am 30. April 1967 auf den Gedanken einer selbständigen, jungen Galerie. Als Ausstellungskommissär stand ursprünglich Karlheinz Pilcz im Gespräch.

Der Ausstellungskommission wurde in der Galerie je ein Frühjahrs- und ein Herbsttermin zur Verfügung gestellt; Termine, die sie aber in der Folge nicht immer ausnützte. Durch die Nähe zum Hauseingang eignete sich die Galerie sehr gut für gesellschaftliche Veranstaltungen und Empfänge, insbesondere, als Frau Zimmer-Lehmann in einem anschließenden Raum zum Lichthof eine Küche einrichtete.

Eröffnet wurde die “Künstlerhausgalerie” am 3. Oktober 1968 durch eine von Dr. Bernard Peithner-Lichtenfels veranstaltete Ausstellung “Brauer”. Erich bzw. Arik Brauer sorgte selbst für die nötige Publicity, als er zu dieser Eröffnung auf einem Esel singend geritten kam. Die Ausstellung wurde von etwa 10 000 Besuchern besichtigt, die anschließende Horst Janssen Exposition von etwa 12 000 Besuchern. Das waren Zahlen, die man bei Kunstausstellungen im Künstlerhaus schon lange nicht gesehen hatte.135

Folgenschwer für das Künstlerhaus war, dass es damals in der Ausstellungskommission keine progressiven oder aktiven Kräfte gegeben hatte. Wären ein oder sogar mehrere unternehmungslustige Künstler in der Kommission, hätte die Hausgeschichte einen anderen Lauf genommen. Die damaligen Funktionäre der Ausstellungskommission verließen sich jedoch zu viel aufeinander, es gab keine Eigeninitiative. Umso unangenehmer wurde ihnen nun die Prosperität der von ihnen nicht gelenkten Künstlerhausgalerie.

1969 fand keine Frühjahrsausstellung statt, eine Ausstellung, die zur hundertjährigen Tradition geworden war und die stets einen Gesamtüberblick über das Schaffen des letzten Jahres bot. Die Frühjahrsausstellungen befanden sich schon seit einiger Zeit in einer Krise. Da sie fast regelmäßig von der PresseKritik negativ beurteilt wurden, ließ auch das Interesse der Künstler bei ihnen auszustellen, nach. Statt diese einst berühmte, stets vom Kaiser und später den Staatspräsidenten eröffneten „Jahresausstellung“ zu verändern, sie attraktiver zu gestalten, sagte man sie 1969 ab. Zur gleichen Zeit wurden auch die hundert Jahre lang geführten „Einlaufbücher“ der zu den Ausstellungen angemeldeten Kunstwerke aufgelassen.

Im Herbst 1969 fand im Rahmen der British Week im Künstlerhaus eine Produktenschau der britischen Industrie statt. In der Künstlerhausgalerie gab es dazu die Ausstellung “12 britische Artisten”, eine Wortspielerei mit dem englischen Wort Art für Kunst. Heinrich Heuer entwarf dazu mit der Einbindung eines Gemäldes von Allen Jones das Plakat: bunt, mit vollbusigen Mädchen in engen Röcken, Dessous und Stiefeln, ganz dem Zeitgeschmack der Sechziger Jahre entsprechend. Das sexy wirkende Plakat, obwohl englischen Ursprungs, erregte das Missfallen des englischen Botschafters Sir Anthony Rumbold. Die britische Botschaft bot an, die Druckkosten eines neuen Plakats zu übernehmen, wenn sich das Künstlerhaus zu einer Änderung bereit erklären würde. Man einigte sich schließlich auf einen Kompromiss, wonach die bereits auf den Hauptverkehrsflächen und vor allem in der Nähe der Botschaft affichierten Plakate durch eine nichtssagende Fotocollage überklebt wurden. Die meisten, vor allem die etwas abgelegen hängenden Plakate, blieben unzensuriert. Unzensuriert blieb auch der Katalogtitel, wo man die drallen (angezogenen!) weiblichen Schönheiten ebenfalls bewundern durfte. Die Ausstellung war außerordentlich gut besucht.

Die folgende Herbstausstellung, einst ein wichtiges Gegenstück der Frühjahrsausstellung und für alle Künstler von besonderer kommerzieller Bedeutung, stand diesmal im Zeichen der Kollektionen. Durch unentschuldbare Versäumnisse der Ausstellungskommission kam es während der Aufbauarbeiten zu mehreren peinlichen Pannen. Im Katalog wurde ein Aussteller vergessen und nur durch ein besonderes Entgegenkommen der Druckerei Rosenbaum gelang es im letzten Moment noch einen zusätzlichen Bogen einzuschieben.

Die zur Ausstellung angemeldeten Werke kamen wie gewöhnlich zum Teil ungerahmt an. Sie blieben in den Ausstellungsräumen liegen, bis knapp vor der Eröffnung auf Ersuchen der Frau Generalsekretär der Hausinspektor der Secession Herr Linke mit zwei Arbeitern einsprang und alle Bilder rahmte und aufhängte. Es war das erste Mal in der Geschichte des Künstlerhauses, dass die Secession eine Künstlerhausausstellung arrangierte.

Es fehlten aber noch die Beschriftungen! Präsident Kupsky selbst organisierte daraufhin mehrere Studenten der Technischen Hochschule, die für das Künstlerhaus die Schreibarbeiten erledigten. Wäre es zu diesem persönlichen Einsatz des Präsidenten und Frau Zimmer-Lehmann nicht gekommen, hätte die Herbstausstellung nicht eröffnet werden können.

Dieses völlige Versagen der Ausstellungskommission gab den Mitgliedern genug Stoff für Gerede. Leider blieb es nicht nur bei diesem Vorfall; unkoordinierte Arbeitsleistung der Ausstellungskommission und Missverständnisse mit dem Sekretariat bzw. dem Leitenden Ausschuss, Frau Zimmer-Lehmann und dem Präsidenten kennzeichneten die folgenden Monate und Jahre.

Anlässlich des Albrecht Dürer-Jubiläums 1971 regte Leopold Schmidt eine Holzschnittausstellung an, zu der einer der bedeutendsten zeitgenössischen deutschen Vertreter dieser Kunstrichtung HAP Grieshaber eingeladen werden sollte. Ursprünglich dachte man sogar an eine Doppelpräsentation Grieshaber – Karl-Heinz Hansen-Bahia, für den sich in der Ausstellungskommission Karlheinz Pilcz eingesetzt hatte. Pilcz vergaß nur eines: Grieshaber zu fragen, ob er mit seinem Nachbarn auch einverstanden wäre. Grieshaber war es dann nicht.

Da die Ausstellung bereits seit Monaten vorbereitet worden war, kam es zu einer dementsprechenden Aufregung. Leopold Schmid beantragte eine “Disziplinaruntersuchung” gegen Pilcz; eine Untersuchung, die im Künstlerhaus als einen Verein nicht üblich war. Frau Zimmer-Lehmann empfand ihrerseits auch die Praxis der Ausstellungskommission unmöglich, die selbständig, ohne Gegenzeichnung, Briefe im Namen des Künstlerhauses verschickte. Die Sekretärin Inge Stiedl geriet zwischen die Mühlsteine und kündigte. Im Jänner 1972 wollte Leopold Schmid im Künstlerhaus gegen den Präsidenten Karl Kupsky eine Ehrenbeleidigungsklage einbringen bzw. behauptete er eine solche bereits eingebracht zu haben und dass sie unterschlagen worden wäre.

Die Holzschnittausstellung fand schließlich ohne Hansen-Bahia statt, dem man absagen musste. Dafür lud man persönlich alle Holzschneider unter den Mitgliedern zur Teilnahme ein. Nur wenige leisteten dieser Einladung Folge. Franz Traunfellner ließ sogar ausrichten, dass er völlig “ausverkauft ist” und dass er nichts zum Einschicken habe. Trotz der Teilnahme von Grieshaber stieß die Ausstellung, wie die meisten dieser Zeit, beim Publikum auf wenig Interesse; es kamen nur 925 Besucher. Umso mehr gab es aber Nachfragen nach Katalogen und Plakaten, die zum Teil als Originalgraphiken signiert verkauft wurden. Diese Anfragen kommen heute noch.

Unangenehm wurde der Fall Othmar Zechyr.136 Zechyr mietete im Mai 1971 den Französischen Saal, leistete aber durch ein Entgegenkommen der Frau Zimmer-Lehmann keine der sonst üblichen Vorauszahlungen. Alle Kosten sollte er erst nach dem Ende der Ausstellung, von der er sich Erfolg versprach, begleichen: die ohnehin äußerst geringe Miete sowie die Betriebskosten wie Strom und die Reinigung. Zu diesen üblichen, voraussehbaren Kosten kamen jedoch nach Ende der Ausstellung neue, unerwartete hinzu und zwar für starke Beschädigungen des Ausstellungssaales.

Zechyr hatte sich für den letzten Ausstellungstag ein “Zechyr’s-Soiree” mit Musik ausgedacht. Niemand wusste, dass es sich um eine “Kunstaktion” – Performance oder Happening, wie man damals sagte – handelte, die äußerst gefährlich werden konnte. Nachdem sich seine Gäste im Saal befanden, sperrte Zechyr alle Türen zu und hatte vor, zu “Künstlerzwecken” unter dem Publikum künstlich eine Panik hervorzurufen. Nur durch Zufall und durch die Geistesgegenwart einiger Anwesenden gelang ihm das nicht. Die herbeigerufene Polizei griff zum Glück ebenfalls noch rechtzeitig ein.

Am nächsten Tag wurden die Schäden der “Kunstaktion“ richtig sichtbar: Wandbeschädigungen durch Einschlagen von Mauerhaken, durch Platten verschraubte Türen, auf ungeschütztem Parkettboden aufgeschüttete feuchte Erde, die ein Aufquellen des Holzes zur Folge hatte, weite Fußbodenteile waren mit Farbe angestrichen, 80 Pflastersteine aus einer Baugrube des U-Bahnbaues vor dem Künstlerhaus im Saal verteilt sowie letztlich auch die Schlösser aufgebrochen und unbrauchbar.

Zechyr wurde von einigen unfreiwilligen Teilnehmern der Aktion geklagt, der Strafsache schloss sich auch der Leitende Ausschuss an. Die Miete, Schäden und Folgekosten wurden auf bescheidene 23 719 S berechnet, die Zechyr – wieder durch ein Entgegenkommen des Künstlerhauses – nach und nach in Raten zahlen sollte. Die nach dem “Soiree” durch die Hausangestellten beschlagnahmten Sachen Zechyrs wurden ihm im guten Glauben ausgefolgt. Es kam, wie es kommen musste: Schulden unbeglichen, mehrere erfolglose Exekutionen und Zechyr für Jahre unauffindbar. Erst nachdem ihm Präsident Hans Mayr Anfang 1976 einen kulanten Vergleich vorschlug – Zechyr sollte zum Zeichen seines guten Willens dem Künstlerhaus 5000 Schilling zahlen – wollte die Gesellschaft auf alle weiteren Forderungen gegen ihn verzichten. Am 22. Oktober 1976 entschloss sich Zechyr diesem Vorschlag nachzukommen.

Zu einem Radau kam es während der sonst ruhigen Buchmesse am 4. November 1971. Während der üblichen Buchvorstellungen und Lesungen fand im Französischen Saal auch eine Diskussion mit dem katholischen Priester Rudolf Schermann statt, der unter dem Pseudonym Gerd Hamburger mehrere Jugendbücher geschrieben hatte. Schermann verbrachte seine Jugend im kommunistischen Ungarn und wurde nach diesen Erfahrungen zum Kämpfer gegen diese Art der damals weitverbreiteten Weltanschauung, die er als Linksfaschismus bezeichnete. In der vom Styria-Verlag veranstalteten Diskussion kam es zu Tumulten und heftigen Angriffen radikaler Linker, die zum Abbruch der Veranstaltung führten.

Wegen des U-Bahnbaues, der bis zum Haus reichte, musste an Stelle des Schaufensters im November 1970 ein neuer Hauseingang geschaffen werden; der normale, vom Karlsplatz her, wurde wegen einer Baugrube für Jahre versperrt. Die für den U-Bahnbau zuständige Magistratsabteilung 29 zahlte ab dem 1. Dezember 1970 für diese Beeinträchtigung 500 S monatlich als Entschädigung. Der Raum hinter dem Schaufenster, die ehemalige linke Garderobe, war bisher als Depot und zu Probezwecken an die „Musikalische Jugend Österreichs“ vermietet gewesen.

Als Ersatz des Schaufensters versprach das Magistrat künftige Ausstellungsmöglichkeiten in der unterirdischen Passage, welche die Bedeutung des ehemaligen Schaufensters weit übertreffen sollten. Doch bis es so weit war, wurden noch andere Ausstellungsräume direkt im Haus selbst geschaffen: im Kinofoyer, wo bisher fast ausschließlich nur Filmankündigungen und Schauspielerfotos hingen. Gleichzeitig mit einem Kinoumbau durch Architekt Othmar Sackmauer wurde eine neue Galerie errichtet und am 18. Dezember 1971 durch die Präsentation des von Sackmauer selbst vorgeschlagenen Kärntner Künstlers Valentin Oman eröffnet.

Ein weiterer “neuer” Ausstellungssaal wurde am 26. April 1972 durch eine Kollektion von Emil Beischläger eingeweiht: das Ranftlzimmer. Dieser traditionsreiche Raum im ersten Stock wurde bis dahin nur ausnahmsweise zu Ausstellungszwecken verwendet. Nach Wunsch der Ausstellungskommission sollte er nun zu einem Gegengewicht der den Mitgliedern “entzogenen” Künstlerhausgalerie werden. Dazu wurden die historischen Wände durch weiße Platten verkleidet, der in den Raum vorspringende Kamin von 1868 zerschlagen(!) – nicht etwa vorsichtig abgetragen.

Dafür verlor das Künstlerhaus zu dieser Zeit durch den am 25. September 1972 mit Conny Hannes Meyer unterzeichneten Mietvertrag den großen Französischen Saal. Nachdem sich nun schon seit mehr als zwanzig Jahren im linken Deutschen Saal ein Kino befand, wurde im rechten Hausflügel jetzt ein Theater errichtet. Durch diese Dauervermietung gewann die Gesellschaft eine neue sichere Einnahmequelle, verlor dafür aber einen separaten Ausstellungssaal mit einem eigenen Zugang – eine Tatsache, die später noch von manchem Ausstellungsplaner zutiefst bedauert wurde. Unter den gegebenen Umständen wie Erhaltung des historischen Gebäudes bei gleichzeitigem Desinteresse des Publikums an zeitgenössischer bildender Kunst war die Entscheidung des Leitenden Ausschusses und der Hauptversammlung diesen Saal dauernd zu vermieten, jedoch verständlich.

Im Jänner 1972 beschäftigte sich Frau Generalsekretär mit dem Gedanken einer Leih-Galerie, der Artothek. Es gab konkrete Besprechungen mit Frau Helga Treichl und Frau Dolly Thurn, die zusammen die Leihstelle führen sollten. Präsident Kupsky war für die Errichtung der Leihstelle im Kinofoyer und im anschließenden Notausgang, wo sich einst das graphische Kabinett befand. Als Vorbild dienten ähnliche Einrichtungen in den USA sowie die Bildleihstelle des Kunstvereins München. Dort konnten die Kunstwerke gegen monatliche Raten, die ein Zwölftel des Kaufpreises betrugen, gemietet werden. Durch Weiterzahlung der Raten gab es die Möglichkeit die Werke schließlich zu erwerben, aber auch zurückzugeben und gegen andere umzutauschen.

Der ursprüngliche Eifer der Damen ließ aber nach, als sie sich mit unerwarteten administrativen Schwierigkeiten konfrontiert sahen. Die Sache war in Wien neu; man wusste nicht recht, ob man eine Konzession oder einen Gewerbeschein brauchte und konnte sich auch nicht über die finanzielle Seite des Unternehmens einigen. Außerdem besaß man keine vermietbaren Werke; Frau Zimmer-Lehmann dachte nicht an Vermietungen aus der alten Hausgalerie, sondern an eine neue, direkt von den lebenden Künstlern zu beziehende Kunst. Obwohl das Künstlerhaus alle Regien, wie Heizung, Licht etc. privatwirtschaftlich zu tragen bereit war, wurde aus der Leihstelle schließlich nichts.137 Später bemächtigte sich dieser Idee Dr. Helmut Zilk, eine hoch subventionierte Artothek entstand in der Alten Schmiede, Schönlaterngasse 7a.138

Nichts wurde aus dem im Frühjahr 1972 diskutierten Projekt einer Sportausstellung, die durch die Olympischen Spiele in München angeregt worden war. In München entstand damals eine “Edition Olympia”, die sowohl Plakate als auch Originalgraphiken der berühmtesten Künstler vertrieb. Im Künstlerhaus wollte man eine Ausstellung mit bereits bestehenden Werken veranstalten und gleichzeitig einen Wettbewerb ausschreiben. Dass aus dem Projekt nichts wurde, lag vor allem an der ungesicherten Finanzierung, nachdem alle Subventionsansuchen bei betreffenden öffentlichen Stellen negativ beantwortet blieben.

Das Kulturamt der Stadt Wien plante zu dieser Zeit eine eigene Festwochenausstellung “Kunst und LSD”, ein Thema, über das man damals – aus Unkenntnis der gesamten Drogenproblematik verharmlosend – viel sprach. Die sechziger Jahre brachten einen noch nie da gewesenen, breiten Drogenkonsum; auch viele namhafte Künstler versuchten – um zu neuen Ausdrucksformen zu gelangen – unter Drogeneinfluß zu arbeiten. Zu dieser Ausstellung kam es schließlich nicht, man befürchtete eine Steigerung des Drogenkonsums unter Jugendlichen durch den Nachahmungstrieb.

Innerbetrieblich verlief das Jahr 1972 mit zunehmenden Spannungen. Im Februar kam es zu tiefen, ernsten Differenzen zwischen der Ausstellungskommission und Frau Generalsekretär Zimmer-Lehmann, bei denen man sich gegenseitig Unverantwortlichkeit vorwarf. Am 3. März 1972 trat der Leiter der Ausstellungskommission der Architekt Franz Peydl von seiner Stelle zurück.

Im Mai 1973 vermietete Frau Generalsekretär die linke Galerie im ersten Stock an den deutschen Künstler Martin Hudelmaier, der naive astrologische Bilder zeichnete. Die Ausstellung führte zu heftiger Kritik einiger Mitglieder gegen die Qualität des ausgestellten Oeuvres. Die Presse verhielt sich neutral, sie wusste mit Hudelmaier nicht viel anzufangen. Hudelmaier selbst dürfte sich von der Ausstellung viel mehr erwartet haben, als dann Wirklichkeit wurde; davon zeugten schon seine aufwendig gestalteten Drucksachen. Der Gesellschaft blieb er nicht nur alle Spesen, sondern auch die Miete schuldig, die schließlich exekutiert werden musste. In Stuttgart, wo Hudelmaier lebte, wurden einige seiner Werke beschlagnahmt, wobei sich die deutschen Anwälte selbst von ihrer Qualität eher entsetzt zeigten. 1978 bereinigte Präsident Mayr die Angelegenheit, als er 40 Bilder Hudelmaiers als Gegenwert seiner Schulden annahm.

Fast gleichzeitig stellte in einem anderen Saal Florian Flop-Schuller aus. Der Künstler hatte seit 1966 fast ständig Probleme mit dem damals noch strengen Pornographiegesetz, wurde sogar verurteilt und mehrere seiner Werke beschlagnahmt. Die Ausstellung sollte ursprünglich auch diese beschlagnahmten Bilder zeigen; im Laufe der Vorbereitungsarbeiten kam man davon aber ab, da es sich nur um eine mehr oder minder sinnlose Provokation der ordnungshütenden Beamten gehandelt hätte. Trotzdem wurde noch eine der ausgestellten Arbeiten von einem erbosten Besucher der Staatsanwaltschaft angezeigt: Kat. Nr. 28, “Ich nehme Recht Inkauf”, Öl, 1973, 85 x 105 cm. Das Bild ist im Katalog sogar abgebildet, eine fantasievolle Figurenkomposition in der Art der Wiener Schule, nach heutigen Begriffen völlig harmlos; man musste schon viel schmutzige Phantasie haben, um im Bild pornografische Züge zu finden. Da die Ausstellung ohnehin eine Woche später schloss, ergaben sich aus der Anzeige für das Künstlerhaus keine Komplikationen.

Unter nicht alltäglichen Umständen fand eine andere Ausstellung statt: die des ungarischen Emigranten von 1957 Emil Kelemen von Bodejky. Kelemen lebte zwischen 1957 und 1971 in den USA und kehrte dann nach Europa zurück; die Ausstellung im Künstlerhaus fand wieder durch ein Entgegenkommen der Frau Generalsekretär Zimmer-Lehmann statt. Ursprünglich wurde von einer Vermietung gesprochen; nach mehreren Sitzungen im November und Dezember 1972 hat Präsident Kupsky im Hinblick auf die Bedürftigkeit des Künstlers der Herabsetzung der Miete auf die Hälfte der üblichen Kosten zugestimmt. Doch das amerikanische Sponsoren-Ehepaar, das diese Miete für den Künstler übernehmen wollte, beging Anfang 1973 gemeinsam Selbstmord. Kelemen selbst war nicht einmal in der Lage diesen ermäßigten Satz zu zahlen. Daraufhin sah Frau Generalsekretär die zur Ausstellung angemeldeten und bereits im Künstlerhaus befindlichen Werke durch und reservierte sich zwei Arbeiten als Mietersatz. Sollten die Werke während der Ausstellung verkauft werden, gehörte dem Künstlerhaus das Geld. Mietvertrag wurde keiner gemacht. Das Künstlerhaus sorgte für die Ausstellungsanmeldung und übernahm alle Spesen. Kelemen wollte noch einen Katalog zusammenstellen und auf eigene Kosten drucken lassen. Im April 1973 kam er zu einer Operation in das Spital der Hartmann-Schwestern, 1040 Wien, Hartmanngasse, wo er am 25. April 1973 plötzlich verstarb, 78 Jahre alt. Die Pflegekosten übernahm seine erste Gattin Frau Mizzi Zach, die Verhandlungen mit dem Künstlerhaus führte seine zweite Gattin Blanka Kelemen. Die ausgesuchten Bilder wurden nicht verkauft, sie blieben im Künstlerhaus. In der Kelemen-Ausstellung wurde nur eine einzige Graphik verkauft und auch die wurde noch vor Schluss der Ausstellung gestohlen. Dem Käufer, einem Familienfreund, musste der bereits bezahlte Kaufbetrag wieder zurückerstattet werden. Nach der Ausstellung blieben 36 Ölbilder noch für längere Zeit im Haus, bis die Verlassenschaftsabhandlung abgeschlossen werden konnte. Erst am 26. September 1977 holte Blanka Kelemen die Bilder ab.

Zu einem außerordentlichen Erfolg wurde dagegen die im November 1973 gezeigte Carlos Riefel Ausstellung. Sie machte deutlich, was das Publikum wünschte; bis auf ein einziges reserviertes Werk war die gesamte Ausstellung ausverkauft! Riefel malte vor allem klassische Blumenaquarelle, fast im Biedermeierstil; der Erfolg der Ausstellung war ein schönes Geschenk zu seinem 70. Geburtstag, den er kurz vorher beging. Das Ergebnis einer ausverkauften Ausstellung war in der Hausgeschichte einmalig.

Für die Festwochenausstellung 1974 “Dimensionen” haben sich 16 Mitglieder zu einer Gruppe zusammengeschlossen und Arbeiten erledigt, die eigentlich der Ausstellungskommission und dem Hauspersonal vorbehalten waren. Die Mitglieder haben ihre eigene Ausstellung nicht nur selbst aufgebaut, sie haben vorher die Säle auch ausgemalt und instandgesetzt, selbst das Glasdach über dem Plastikersaal gereinigt. Das Gerüst lieh ihnen Direktor Dr. Wilhelm Mrazek vom Museum für angewandte Kunst. Wladimir Narbutt-Lieven, der die arbeitenden Kollegen fotografieren wollte, stolperte und brach sich die Schulter. Die Eröffnung sollte der Bundesminister für Unterricht Dr. Fred Sinowatz vornehmen, sagte aber im letzten Moment wegen einer Wahlveranstaltung ab. Präsident Kupsky, der dann die Ausstellung selbst eröffnete, ließ dies in seiner Rede nicht unerwähnt. Kritisch darüber äußerte sich auch der anschließende Redner Mathias Hietz, der die gesamte Kulturpolitik des Bundes scharf anprangerte.

Inzwischen kam es unter den Mitgliedern der alten, bereits abgewählten Ausstellungskommission und Frau Generalsekretär zum Wiederaufblühen der alt-neuen Konflikte, die letztlich zum Rücktritt des Präsidenten Karl Kupsky führten. Der neue Präsident Hans Mayr wurde am 10. Februar 1975 gewählt, unter seiner Präsidentschaft kam es zu einer grundlegenden Veränderung des gesamten Ausstellungsprogramms. Da die Frau Generalsekretär schon bald nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten das Künstlerhaus verlassen musste, sind ab dem Frühjahr 1975 die Ausstellungen der “Künstlerhausgalerie” von ihr nicht mehr programmiert worden. Die Galerie übernahm der Leitende Ausschuss bzw. der Präsident selbst. Aus innenpolitischen Gründen wurde darin im Mai 1975 Herbert Stepan gezeigt, der unterlegene Gegenkandidat des Präsidenten Mayr der vergangen Wahl. Die Gesellschaft übernahm die gesamten Ausstellungskosten und auch die der Einladungen. Stepan folgten in der Galerie bald weitere Mitglieder, während das Haus selbst immer öfters für fremde Ausstellungen vermietet wurde.

In der im Dezember 1975 – Jänner 1976 gezeigten und von der “Neuen Galerie der Stadt Linz” übernommenen Ausstellung “Oberösterreichs Avantgarde” zeigte Valie Export als ein Objekt sechs in Wachs eingegossene Wellensittiche (Kat. Nr. 34: “Wer begreift hat Flügel”). Die Präsentation dieses Objekts weckte Proteste mehrerer Besucher, die sich zu einem wahren Sturm steigerten, als bekannt wurde, dass es zur Herstellung des Objekts auch noch einen Film gab. Darin wurde der Eindruck erweckt, als würde die Künstlerin lebende Vögel mit heißem Wachs eingießen, bis sie ersticken. Ab dem 1. Mai 1975 gab es bereits bei der Staatsanwaltschaft Wien eine diesbezügliche Anzeige der Tierschutzaktion “Der blaue Kreis” wegen Tierquälerei. Das ausgestellte Objekt, zwei Sperlinge und vier Sittiche, war das Ergebnis der gefilmten Aktion. Jetzt glaubte man allgemein, dass die Künstlerin schon öfters auf solche “künstlerische” Art Vögel zu Tode gemartert hatte. Dieser Eindruck wurde von Valie Export selbst noch durch die von ihr herausgegebene Beschreibung der Aktion verstärkt.139

Es hagelte Zeitungsberichte und Protestbriefe; bei Valie Export private Telefonanrufe mit Drohungen und Beschimpfungen. Die Künstlerin bekam aber auch Anrufe aus den Ministerien und dem Gewerkschaftsbund, die ihre Aktionen subventioniert hatten, eine Bank sperrte ihr monatelang einen bereits bewilligten Kredit, den sie zur Fertigstellung ihres Films benötigte. Aus Protest gegen diese Art der “Kunst” trat aus dem Künstlerhaus das außerordentliche Mitglied Dr. Jörg Böhler aus. Das ausgestellte Objekt war nach späteren Aussagen von Frau Export aus von Belgien importierten und von Tierpräparatoren bereits ausgestopften Vögeln gemacht. Die von Valie Export gefilmte Aktion brachte, wie sie beteuerte, den Tod keines einzigen Vogels, sondern sie verwendete nur normale, durchaus übliche Filmtricks. Sie schnitt Aufnahmen eines lebenden und eines toten Vogels zusammen. Sowohl die Aktion, als auch das Objekt, haben der Künstlerin in der Öffentlichkeit sehr geschadet – der Künstlerin, bei der man nach ihren erotisch provokanten Aktionen und Filmen schon einiges gewohnt war. Sex war in Wien der sechziger und siebziger Jahre aber etwas anderes als Tierquälerei, wenn auch angeblich nur angedeutete. Valie Export wurde 1977 zu einer Geldstrafe von 10 000 S wegen Vergehens der Tierquälerei verurteilt.140

Der neue Präsident Hans Mayr veränderte sowohl das Gesellschaftsleben, wie auch das ganze Gesicht des Künstlerhauses. Die vielfältigen Ausstellungen wurden für das breite Publikum immer interessanter, wenn auch die zeitgenössische Kunst der Mitglieder scheinbar immer mehr vernachlässigt wurde. Es gab definitiv keine Jahres- bzw. Frühjahrausstellungen mehr, wo sich die “Jungen” und “Alten” gemeinsam messen konnten; eine weitgehende Entfremdung unter den Mitgliedern trat ein. Wenn eine Kollektivausstellung gezeigt wurde, so meist nur einer Gruppe, einer Fachsektion. Fotoausstellungen nahmen zu, vielleicht auch deshalb, weil der Präsident selbst Fotograf war. Das altgediente Personal wurde fast zur Gänze ausgewechselt.

Im Juni 1975 gab es in der “Künstlerhausgalerie” eine Ausstellung der Meisterklasse für Gebrauchsgraphik der Höheren Graphischen Bundes-, Lehr- und Versuchsanstalt; ein Jahr später wurde diese Ausstellung wiederholt. Das Haus stellte die Räume kostenlos zur Verfügung, die Graphische revanchierte sich mit der Übernahme von Druckaufträgen und ähnlichem. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit war auch die Schaffung des neuen Hausemblems, des “KH”.

Im Februar 1977 fand im Künstlerhaus die “Internationale Kunstmesse K 45 – Kunst nach 1945″ statt. Sie entstand aus einem Streit des Galeristen Herbert Gras mit den Organisatoren der Kunstmesse 1976 im Bauzentrum Liechtensteinpalais in der Rossau. Gras hatte die Bauzentrum-Messegesellschaft “Offerta” künstlerisch beraten, ärgerte sich aber im Nachhinein über die Kommerzideen der Veranstalter. Davon hörte Hans Mayr und lud Gras ein, die Messe künftig im Künstlerhaus weiterzumachen. Da aber auch das Bauzentrum nicht daran dachte, sich eine Messe wegnehmen zu lassen, gab es 1977 zwei Kunstmessen. Im Bauzentrum – dem heruntergekommenen Liechtensteinpalais – präsentierten 40 mehrheitlich österreichische Galerien die “Interkunst”, eine “Internationale Messe für Kunst des 20. Jahrhunderts” mit hauptsächlich realistischen und publikumsnahen Stilrichtungen. Im Künstlerhaus zeigten 40 überwiegend ausländische Kunsthändler die “K 45 – Kunst nach 1945″, vor allem Avantgarde. Auf der Strecke blieb Alfred Hrdlicka, der weder von der “Interkunst”, noch von der “K 45″ ausgestellt wurde. Er wehrte sich mit Leserbriefen, in denen er das Künstlerhaus als eine nationalsozialistische Vereinigung darstellte. Das war die übliche, pauschale Verurteilung, zu der die Kritiker griffen, wenn ihnen stichhaltige Argumente ausgingen. Dabei hatte die Presse gerade in diesem Jahr das Künstlerhaus allgemein höchst positiv beurteilt. Hrdlicka war zu dieser Zeit ein glühender Anhänger der Deutschen Demokratischen Republik. Die Turbulenzen, die durch die Veranstaltung von zwei Messen gleichzeitig entstanden waren, schadeten dem Künstlerhaus nicht, ja im Gegenteil, sie nützten seinem neuen Image.

Ganz anders sah die Presse die Wiederholung der Kunstmesse ein Jahr später 1978: viele Kritiker bemängelten ein nachlassendes Niveau. Man hatte auch in diesem Jahr etwas zum Vergleichen: die “Kunstmesse 1978″ in der Secession, veranstaltet vom Verband österreichischer Galerien moderner Kunst. Das Bauzentrum befand sich in kommerziellen Schwierigkeiten. 1979 gab es überhaupt keine Messe mehr.

Mit Herbert Gras hatte die Gesellschaft allerdings noch Probleme. Nach einem am 23. April 1976 abgeschlossenen Vertrag wurde Gras die allgemeine Organisation der Kunstmessen übertragen, vorgesehen war jedes Jahr eine. Nach dem geringen Erfolg der Veranstaltung 1978 und im Hinblick auf die finanziellen Schwierigkeiten des Hauses, die zum Ausgleich geführt haben, kündigte der Vorstand am 6. Juli 1978 diesen Vertrag. Die Gesellschaft war an einer Fortsetzung der von Gras organisierten Messen nicht mehr interessiert. Während die Mitglieder und auch viele Freunde um den Fortbestand des Künstlerhauses bangten, klagte Herbert Gras die Gesellschaft auf Zahlung seines Honorars für die Messe 1979, wie es hieß, “vorerst” auf 603 827,52 S. Die Verhandlungen zogen sich bis zum 19. Jänner 1979; einem außergerichtlichen Vergleich zwischen Gras und Gesellschaft zufolge wurden ihm schließlich 177 000 S überwiesen, auch das eine astronomische Summe, die einem durchschnittlichen Jahresgehalt entsprach und das für Nichts.

Im März 1977 wurde eine andere für Wien sehr bedeutende Ausstellung zeitgenössischer Kunst im Künstlerhaus eröffnet: “Sammlung Ludwig, Die Kunst um 1970″. Wie die Messen, hatte auch diese Ausstellung ein großes Presseecho, das sich noch steigerte, als der Sammler, der deutsche Schokoladenindustrielle Dr. Peter Ludwig-Aachen seine Absicht bekannt gab, die im Künstlerhaus gezeigten Kunstwerke für immer in Wien belassen zu wollen. Österreich müsste für sie allerdings eine würdige Präsentationsstätte finden oder errichten. Nach Wien geführt hat diesen, einen der größten und eigenwilligsten europäischen Kunstsammler des 20. Jahrhunderts Präsident Hans Mayr, der Ludwig im Oktober 1975 in Köln kennenlernte.

Die Künstlerhausausstellung gab den Anstoß zur Entstehung des “Museums moderner Kunst” im damals leer stehenden und stark devastierten Sommerpalais Liechtenstein in der Rossau als eine Ergänzung des bereits beim Südbahnhof bestehenden “Museums des 20. Jahrhunderts”. Das Liechtensteinpalais zeigte sich als Zentrum moderner Kunst allerdings völlig ungeeignet, zu gegensätzlich wirkte die barocke Architektur zum Inhalt der in ihr präsentiert wurde. Nach der Übersiedlung der Moderne in das aus den Hofstallungen entstandene „Museumsquartier“ kehrte 2004 die im Palais bereits früher gewesene alte private Liechtensteingalerie aus Vaduz dorthin zurück.

Peter Ludwig-Aachen und seine Frau Irene blieben dem Künstlerhaus und insbesondere Präsident Hans Mayr die Jahre hindurch persönlich freundschaftlich verbunden, sie organisierten gemeinsam noch viele Ausstellungen und sie wurden auch beide zu Ehrenmitgliedern der Gesellschaft. Das Wiener Künstlerhaus wurde zu einem Sprungbrett für die Ludwig’sche Expansion in den Osten: die Sammlung Ludwig kam durch Vermittlung Hans Mayrs und des Künstlerhauses in die kommunistischen Länder, nach Ungarn, Bulgarien und in die Sowjetunion. Im Gegenzug erwarb Ludwig dafür viele Werke kommunistischer, aber auch Regime-Kritischer Künstler, die er in den Westen brachte.141

Die Ausstellung “Kunst um 1970″ war die erste der Neuzeit, die wegen ihres hohen Versicherungswertes von der Polizei Tag und Nacht besonders bewacht wurde; die Polizeibeamten schliefen sogar im Künstlerhaus.

Um große Publicity sorgten Plakate mit einer Farbabbildung des Objekts “Liegende” von John de Andrea, eines Frauenaktes aus Kunststoff. Als Hans Mayr das Plakat affichieren lassen wollte, wurde er von der Gewista, der Plakatunternehmung der Gemeinde, aufmerksam gemacht, dass er durch die öffentliche Präsentation der realistisch dargestellten, sogar mit Körperhaaren versehenen, nackten Plastikdame in Schwierigkeiten geraten könnte. Das reizte Hans Mayr zu einer Provokation und er ließ die Anstoß erregende dunkle Schamhaarstelle von vornherein rot durchkreuzen. Das Künstlerhaus bekam dadurch eine noch wirksamere Reklame; zu Ehre der die Sitten überwachenden Beamten muss aber gesagt werden, dass sie nicht eingeschritten haben und das sogar beide Plakatversionen, die “zensurierte” und die unzensurierte gemeinsam nebeneinander plakatiert werden konnten. Das zeigte sich besonders werbewirksam, das Plakat war Tagesgespräch.

Die “Liegende” war keine Statue im klassischen Sinn, sondern eine besonders realistisch ausgearbeitete Glasfieberplastik in natürlichen Hautfarben, sogar die helleren Sonnenstreifen des nicht vorhandenen Badeanzugs fehlten nicht; nur das Leben und die Seele waren nicht vorhanden, die Plastik wirkte auf viele Betrachter tot. Der Amerikaner John de Andrea gehörte als Hyperrealist zu den ungewöhnlichsten Bildhauern dieser Zeit.142 Während die Behörden keinen Anlass zum Einschreiten fanden, wurde das Plakat bald zum Angriffsziel aggressiver Feministinnen. Das schwarze Haardreieck wurde mit vorgedruckten, mitgebrachten Aufklebern “Frauenfeindlich” überklebt, das Plakat und seine Umgebung mit handgeschriebenen Parolen gegen sexistische Werbung und die Vermarktung des nackten Frauenkörpers versehen. Sogar das Künstlerhaus selbst wurde als frauenfeindlich erklärt. Diese Inschriften und Proteste sorgten um weitere Werbung. 25 Jahre später, im Herbst 2001, warb die Sammlung Ludwig im neueröffneten Museumsquartier mit demselben Kunstobjekt, diesmal schon in aller Stille. Neuerlich plakatiert wurde die Nackte im Sommer 2006 anlässlich der Feiern der 25 Jahre der Österreichischen Ludwig Stiftung, nun auch ohne jeder negativen Reaktion.

Die im Künstlerhaus aus der Verlassenschaft von J. M. Ranftl stammenden Rembrandt-Radierungen wurden 1977 zu einer Ausstellung nach Wiener Neustadt geliehen; das war der Beginn einer langen Ausstellungsreihe, die anschließend durch ganz Europa und die USA führte.

Mit der Ausstellung “Borobodur, Kunst und Religion im alten Java” begannen staatlich hochdotierte und von der Gesellschaft organisierte Ausstellungen mit kunsthistorischen und völkerkundlichen Themen. In der Folge übernahm das Künstlerhaus auch die Organisation der Ausstellungen, die in anderen Gebäuden stattfanden, meist im Museum für Völkerkunde in der Neuen Hofburg. Die Ausstellung “Borobudur” bemühte sich für die UNESCO um die Rettung des alten Bauwerks, kam aus Amsterdam und wurde anschließend noch in anderen weiteren europäischen Städten gezeigt. Um den Reinertrag zu erhöhen, wurden in der Ausstellung indonesische Textilien und andere Erzeugnisse verkauft; in einem Buffet gab es indonesische Speisen und Getränke. In Zusammenarbeit mit dem Reisebüro American-Express wurden Studienreisen nach Indonesien angeboten und es gab auch ein Preisausschreiben. Noch eine Neuheit gab es in dieser Ausstellung: zum ersten Mal wurden in Räumen des Künstlerhauses politische Flugblätter der “Amnesty International” verteilt, die gegen das Vorgehen der indonesischen Behörden gegenüber der heimischen Opposition protestierten. Ähnliche Proteste von Privaten gab es später auch gegen Bulgarien und gegen die Sowjet-Union, als sich die Hausausstellungen immer mehr der „Ostblock-Kunst“ zuwandten; zuletzt auch gegen China.

Hans Mayr führte ab 1975 Kollektivausstellungen ein, die in einzelnen Sälen des Hauses gezeigt wurden. Es kam vor, dass am selben Abend gleichzeitig, zusammen, manchmal aber auch nacheinander mehrere Ausstellungen eröffnet wurden, die entweder frei oder mit einem gemeinsamen Eintritt besichtigt werden konnten. Später achtete man mehr auf eine Überlappung von wenigen Tagen, um dem Hauspersonal den fließenden Ab- und Aufbau zu ermöglichen. Die Eruierung der Besucherzahlen solcher Ausstellungen ist deshalb kaum möglich und wurde meist nur geschätzt. Die Zahl der Ausstellungstage im Künstlerhaus nahm aber wesentlich zu.

Die Auswirkungen des Ausgleichs von 1978 brachten vorerst eine Beschränkung der Kollektionen; nachdem die Schulden zum Großteil durch öffentliche Subventionen abgedeckt wurden, wurde das Künstlerhaus immer mehr von den Ministerien und der Gemeinde zu Großausstellungen herangezogen. Der Präsident war vor allem an einer vertraglichen Absicherung des Ausstellungsbetriebes interessiert; die Vermietungen sollten die Kosten der eigenen, zumeist defizitären Ausstellungen decken. Die Defizite stiegen rechnerisch, nachdem von nun an in die Gesamtabrechnungen auch die sogenannten Bereitstellungskosten der Säle einbezogen wurden, also Miete der Ausstellungsräume, die früher in der Buchhaltung nicht aufschien. Dass die Vermietungen finanziell für das Haus notwendig wurden, verstanden in ihrer Selbstüberschätzung viele, sich persönlich benachteiligt fühlenden Mitglieder nicht. Die Vermietungen wurden zum Zankapfel kommender Jahrzehnte.

Die Galerie von Frau Zimmer-Lehman wurde eingestellt und die Räume an das Land Niederösterreich vermietet, das dort die “NÖ-Art Galerie” eröffnete. Der Mietvertrag wurde am 2. März 1978 unterzeichnet, die diesbezüglichen Verhandlungen begannen aber bereits im Herbst 1977. Die “Niederösterreichische Gesellschaft für Kunst und Kultur” war im Künstlerhaus schon mit einer Frank L. Wright-Ausstellung als Mitorganisator und mit moderner Kunst auf der K 45 im Februar 1978 vertreten. Im Laufe der Gespräche bot Präsident Mayr dem Landeshauptmannstellvertreter Siegfried Ludwig eine ständige Vermietung einiger Säle an. Zu Beginn dachten beide noch an Einmietungen für einzelne Projekte. Schließlich ergab sich als die günstigste Lösung die Übernahme der ehemaligen Künstlerhausgalerie, die nahe beim Eingang lag und durch ihr Programm ohnehin schon getrennt vom sonstigen Künstlerhaus lief. Von ihrem günstigen Image wollte nun die NÖ Gesellschaft für Kunst und Kultur profitieren. Auch sie hatte vor, hier die Kollektivausstellungen junger Künstler durchzuführen. Die monatliche Miete betrug 16 200 S inkl. MwSt.

Die NÖ Gesellschaft war erst ein Jahr alt, sie hatte sich aber bereits im kulturellen Leben Wiens und Niederösterreichs durchgesetzt. 1977 fanden durch sie in Wien und neunzehn weiteren Gemeinden 34 Veranstaltungen statt; die NÖ-Art Galerie im Künstlerhaus sollte ihrer Tätigkeit eine fixe Basis geben. Eröffnet wurde die neue Galerie am 10. Oktober 1978 durch den Landeshauptmann Andreas Maurer mit einer Schau von Jürgen Messensee. Geleitet wurde die Galerie von Frau Dr. Erika Patka, die vorher in der Galerie nächst St. Stephan tätig war. Die NÖ-Art Galerie war vom Künstlerhaus völlig unabhängig, machte ihre Ausstellungen ganz selbständig und informierte über sie meist nicht einmal den Vorstand. Natürlich wurden auch dem Archiv – trotz vieler Bemühungen des Archivars – oft keine Belegstücke zur Verfügung gestellt. Manche Ausstellungen wanderten anschließend durch viele Orte Niederösterreichs.

Als sich dann die Künstlerhausgesellschaft nach und nach vom Ausgleich erholte und das Künstlerhaus fast ständig durch große, viel Fläche beanspruchenden Ausstellungen gefüllt wurde, sah man auf beiden Seiten ein, dass die Dauervermietung doch keine ideale Lösung war. Sowohl die Niederösterreicher, als auch die Gesellschaft bildender Künstler fühlten sich gegenseitig behindert und in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt. Mit dem 30. Juni 1986 verließ die “NÖ-Art Galerie” das Künstlerhaus, das ihr über ihre ersten Jahre Obdach gewährt hatte.

1978 erschien das Wiener Veranstaltungsstättengesetz, wonach im § 4 Abs. 9 alle Verkehrswege in einer Ausstellung stets gefahrlos begehbar sein mussten, insbesondere bei Einengungen. Damit wurde die Mitnahme von Kinderwägen in Ausstellungen verboten. Diese Bestimmung wurde damit begründet, dass es im Panikfall durch Entstehung von Staubereichen, insbesondere bei Stiegen oder Türen, sowohl für die Kinder in Kinderwägen, als auch für die übrigen Besucher zu einer Gefährdung kommen könnte, was sicher stimmte. Demgegenüber ergänzend wurde jedoch auch kundgemacht, dass die gleichzeitige Anwesenheit von 30 Kinderwägen(!) samt Begleitpersonen allein, also ohne weitere Besucher möglich war.

Die Festwochen 1979 sollten unter dem Motto “Wien 1848-1918″ stehen. Für das Künstlerhaus war dies wieder eine Chance, endlich seine Geschichte zu präsentieren, nachdem dies 1961 nicht geglückt und 1968 gar nicht beabsichtigt war. So entstand im Sommer 1978 die Idee einer – möglichst billigen – Ausstellung “Kaiser Franz Josef I. und das Künstlerhaus”. Frau Vizebürgermeister und Kulturstadtrat Gertrude Fröhlich-Sandner waren mit dem Thema einverstanden. Der Intendant der Wiener Festwochen Direktor Gerhard Freund wurde informiert, der Hausarchivar mit Erhebungen betraut. Doch dann wiederholte sich die Geschichte vom Beginn der sechziger Jahre: plötzlich war man allgemein der Meinung, dass die Künstlerhausausstellung für die Festwochen nicht anziehend genug gewesen wäre. Die Präsentation “Künstlerhaus” wurde raummäßig stark verkleinert und themenmäßig um die “Ringstraße” erweitert. Die Autorschaft dieses zweiten Teils übernahm der Liebhaber des Historismus und Kulturchef der Kronenzeitung Dr. Karlheinz Roschitz. Obwohl anfangs auch nicht vorgesehen, wurde ein modernes Architektenteam bestellt: Partner R. M. Stieg und Hammerschmied. Das brachte die ursprüngliche Idee endgültig zum scheitern.

Stieg und Hammerschmied besaßen überhaupt keinen Bezug zur Geschichte und präsentierten die Künstlerhausvergangenheit mit zum Teil in der breiteren Öffentlichkeit noch nie gesehenen, interessanten und einmaligen Objekten aus den Depots als satirische Paraphrase. Sie brachten eine moderne politische Ideologie hinein, die mit dem vorgesehenen Ausstellungsprogramm nicht harmonieren konnte. Dementsprechend verwirrt reagierten die Besucher und die PresseKritik. Für die damalige Zeit charakteristisch war die aufrichtige Entgegnung der Architekten in der Zeitschrift Profil: “…als Designer können wir für uns verbuchen, die Gefahr einer euphorischen, Kritiklosen Wiederentdeckung jener Epoche erkannt und, im Rahmen der uns gegebenen Möglichkeiten, diese in besagter Ausstellung abgewendet zu haben!”143

Die nicht wegen ihres fachlichen Könnens, sondern nur durch persönlich-politische Beziehungen herangezogenen Architekten wurden so zu Totengräbern der Ausstellung. Nur der Katalog, obwohl aus Kostengründen stark gekürzt und sehr schlecht gedruckt, ließ etwas von der ursprünglichen Ausstellungsidee erahnen. Die Architekten waren aber indirekt auch noch an einigen Hausverlusten schuld. Durch die Verwendung von eng aneinander gestellten Platten entstanden unübersichtliche Gänge, in denen die Besucher kaum überwacht werden konnten – wie es sonst in den großen, ursprünglich vorgesehenen Sälen leicht möglich gewesen wäre. Mehrere Diebstähle waren die Folge. Als wertvollstes Objekt wurde das Aquarell “Bibliothek im Palais Dumba” von Rudolf v. Alt gestohlen; weiters das Genregemälde von Rudolf Hausleithner “Blumenverkäuferin” und die Radierung “Schützengilde” von Luigi Kasimir.

Alle Werke waren an den Wandplatten angeschraubt, auf Drängen des Archivars sogar mit verschiedenartigen Schraubenköpfen, die die Mitnahme von geeignetem Werkzeug notwendig machten. Die Versicherung “Union AG” im Konzern der “Wiener Städtischen Wechselseitigen Versicherungsanstalt” weigerte sich die volle Versicherungssumme zu zahlen und warf der Künstlerhausleitung ungenügende Überwachung vor. Im Kulanzweg bot sie zuerst die Hälfte der vereinbarten Summe an und als der Leihgeber des gestohlenen Aquarells von R. v. Alt, das Historische Museum der Stadt Wien, darauf nicht einging, verweigerte die Versicherung die Auszahlung vollständig. Mitarbeiter des Museums besichtigten die fehlende Stelle und fanden keine Versäumnisse des Künstlerhauses vor. Trotzdem bot Direktor Otto Staininger dem Historischen Museum als moralische Entschädigung drei(!) hauseigene Alt-Aquarelle an, worauf dieses naturgemäß einging. Nur wenige Tage später fand ein ähnlicher Diebstahl in der Hermesvilla statt;144 das Künstlerhaus war in den Augen der Museumshistoriker voll rehabilitiert. Die Versicherungsgesellschaft wurde von der Gesellschaft nie mehr beauftragt. Die Ausstellung selbst wurde noch um drei Wochen, bis zum 15. Juni 1979, verlängert. Obwohl der Katalogpreis von Direktor Staininger sehr hoch angesetzt wurde, 120 S, verkauften sich immerhin während der Ausstellung 548 Stück, die Restauflage wurde später verbilligt vollständig ausverkauft. Eröffnet wurde die Ausstellung durch ein Konzert der Gardemusik des österreichischen Bundesheeres.

Im Sommer 1979 fand die “1. freie Wiener Kunstausstellung” statt – eigentlich ein falscher, irreführender, politisch motivitierter Titel. Frei waren alle Jahresausstellungen seit der Eröffnung des Hauses; nur der Menge der Einsendungen wegen musste die Jury da und dort strenger vorgehen, als es vielleicht erwünscht gewesen wäre. An den Jahresausstellungen konnte jeder teilnehmen, der wollte, nur eine gewisse künstlerische Mindestqualität war Voraussetzung. Bei der “1. freien Wiener Kunstausstellung” gab es keine Qualitätsmessungen; es wurde alles ausgestellt, was hereinkam, begrenzt wurde dafür die Zahl der Aussteller, womit sich die angepriesene Freiheit selbst ad absurdum führte.

Was es dabei für Probleme gab, schildert der Ausstellungskommissär Mag. Kurt Ingerl. Um möglichst viele Aussteller ins Künstlerhaus „hineinstopfen“ zu können, zeichnete er immer kleinere Kojen, bis er ganz verzweifelt beim WC-Format angelangt war (die Jahresausstellungen der Vergangenheit hatten in der Regel keine, oder nur wenige Einbauten; dafür waren sie auch in den Sälen, die später durch den Kino- und Theatereinbau den Ausstellungszwecken entfremdet wurden). Dann hatte Ingerl die rettende Idee: eine Koje muss nicht drei Wände haben, es genügten, diagonal aufgestellt, auch zwei. Die X-förmige Kojenstruktur war gefunden, an einer freistehenden „Säule“ hatten vier Aussteller Platz. Für schließlich 204 Aussteller – etwa 160 mussten abgewiesen und auf das nächste Jahr vertröstet werden – gab es je zehn Quadratmeter Hängefläche. Dafür konnte jeder in seiner Koje zeigen was und wie er es wollte. Die Reihung der Kojenplätze wurde von Kulturstadtrat Prof. Dr. Helmut Zilk am 18. Juli 1979 im Ranftlzimmer öffentlich ausgelost.

Die Ausstellung war eine Aktion des Kulturamtes. Die Idee zu ihr kam aus Zürich. Ende 1978 wurde im Künstlerhaus die “Kunstszene Zürich” gezeigt, eine von der Schweiz hochdotierte Ausstellung. Die Stadt Zürich mietete das dortige Messegelände und in hunderten von Kojen durfte jeder, der wollte, seine “Kunstwerke” ausstellen. Aus diesem reichen Angebot wurde dann die Wiener Ausstellung selektiert. Als bei der Vernissage im Künstlerhaus von dieser Massenveranstaltung berichtet wurde, sagte die anwesende Frau Vizebürgermeister Gertrude Fröhlich-Sandner spontan “das mache ich auch”. Und sie initiierte die “1. freie Wiener Kunstausstellung”. Was sie nicht sah, waren die in der Schweiz aussortierten “Künstler”.

An der 1. Freien haben sich hauptsächlich Hobbykünstler beteiligt, Laien und Anfänger, die sonst kaum Gelegenheit hatten, mit ihren Werken vor eine breitere Öffentlichkeit zu treten; nur da und dort gab es dazwischen auch einen akademisch ausgebildeten Künstler. Die Ausstellung wurde von Vorträgen und Einzelworkshops begleitet. Auf Grund des großen Interesses an der Weiterführung einzelner Kurse entstand unter der Leitung Kurt Ingerls ab dem 8. Jänner 1980 in 20 Abenden zu je zwei Stunden ein Aktkurs, der dann mehrmals, auch von anderen Vortragenden, wiederholt wurde. Ursprünglich im Ranftlzimmer, wurde er später in einen besonders hergerichteten, wohltemperierten Raum im Souterrain verlegt. Unter der Leitung der „Gemeinschaft bildender Künstler“ wurden die Aktkurse zu einer ständigen Einrichtung.

Der Katalog der Freien Ausstellung bestand aus Einzelblättern, die innerhalb eines Musters von den Ausstellern selbst gestaltet wurden. In jeder Koje lagen freie Blätter (200 Stk. + Nachdrucke), die der Besucher sammeln und sich so selbst in einer Mappe einen Katalog zusammenstellen konnte – eine Aktion, die Kontakte und Gespräche mit den Ausstellern forderte. Natürlich gab es daneben auch komplette, alphabetische geordnete Kataloge zu kaufen; alle waren noch während der Ausstellung vergriffen.

Auf Grund dieses Interesses entschloss man sich die Ausstellung 1980 zu wiederholen. Dabei war es mit der “Freiheit” aber endgültig vorbei. Da sich diesmal 600 Teilnehmer gemeldet hatten, wurde man zu rigorosen Beschränkungen gezwungen. Jeder Aussteller durfte nur noch drei Arbeiten einsenden und auch das Thema wurde begrenzt: “Der Mensch”, und dazu noch nur in schwarz-weiß. Durch die schwer zu zeichnende Darstellung des menschlichen Körpers versprach man sich schon von vorn herein eine künstlerische Selektion der Interessenten; daneben sollte die Ausstellung ein einheitliches Bild bekommen – ein Problem, an dem die alten Jahresausstellungen letztlich gescheitert sind.

Die Hängung erfolgte diesmal nach dem Alphabet der Aussteller, aufgeteilt auf drei Gruppen. Die Darstellungen des einzelnen Menschen durch schwarze Stellwände, das Paar durch rote und die Gruppe durch blaue Wände signalisiert. Durch die Themenvorgabe und die Beschränkung auf Graphik wurde die Ausstellung allerdings zu einem künstlerischen Fiasko. Nur wenige Hobbykünstler schafften es, den menschlichen Körper zu zeichnen; was man sonst durch Farben vertuschen konnte, offenbarte sich jetzt unbarmherzig. Die Ausstellung wurde zur großen Schau des Nichtkönnens. Trotz dieses Debakels muss man die “freien” Ausstellungen im Großen und Ganzen positiv sehen. Manche Hobbykünstler wurden erst durch sie zu wirklichen, ja hauptberuflichen Künstlern; für sie waren diese Ausstellungen der Beginn ihrer Kariere, sie gaben ihnen das notwendige Selbstvertrauen.

Unangenehm fiel der Künstler Gerhard Kny auf. Im Rahmen einer Aktion hatten alle Aussteller die Möglichkeit, sich an einem “kollektiven Kunstwerk – dem längsten Bild der Welt” von H. Prigann zu beteiligen. Das tat auch Gerhard Kny, dem sein Werk aber dann nicht gefiel und er es übermalen wollte. Dabei ärgerte er sich so über das ihm zuschauende Publikum, dass er es mit weißer Farbe bespritzte und übergoss. Die Folge: vier amtshandelnde Polizisten und Schadenersatzansprüche, die sich noch über Monate hinzogen und mehrere Rechtsanwälte beschäftigten.

Die dritte und vierte Freie Ausstellung fand 1981 und 1982 noch im Künstlerhaus statt, die fünfte 1983 wurde ins Rathaus verlegt. Ursprünglich im Arkadenhof geplant, fand sie an einem einzigen Tag, den 24. September, während des “Tags der offenen Tür” in den Arkaden der Felderstraße statt. Die Aussteller mussten ihre Werke selbst betreuen, das Künstlerhaus lieferte die Logistik und half beim Aufbau.145 Ähnlich war es bei der 6. Freien Ausstellung am 22. September 1984. Die Planung und Oberaufsicht hatte stets der bewährte Kurt Ingerl. Damit endete die Serie der Freien Ausstellungen. Das politische Schlagwort “frei” erwies sich als leerer Begriff, unvereinbar mit der Kunst, wie sie die Vergangenheit verstand und die stets elitär bleibt.

Im September 1979 wurde im Künstlerhaus ein weiterer Teil der großen Sammlung zeitgenössischer Kunst von Peter Ludwig gezeigt: “Kunst heute in der DDR”. Proteste gegen das DDR Wappen und die Flagge hielten sich diesmal in Grenzen, aber es gab sie noch. Die erst wenige Monate alte Fußgängerzone um das Künstlerhaus, eine weite Fläche aus Kunststeinplatten mit Betoneinfassungen wurde mit Inschriften wie “DDR=Mauer=KZ”, gleichzeitig mit kommunistischen und Nazisymbolen beschmiert; der Zeit entsprechend bereits aus Spraydosen. Die DDR-Flagge blieb hängen.

Die im November 1979 in der großen U-Bahnpassage unter der Kärntnerstraße durchgeführte Aktion “Bloody Nostalgie” von Otto Dressler mit liegenden toten Soldatenfiguren, die von Dressler durch rote Farbe übergossen wurden, stieß eher auf Desinteresse und Unverständnis des vorbeieilenden Publikums, als auf Proteste. Die naturalistisch geformten Soldaten in amerikanischer, englischer, französischer, russischer und deutscher Uniform, bezeichnet mit “Getötet in Deutschland” regten das Wiener Publikum nicht viel zum Nachdenken an.

Vereinzelte, wenn auch zum Teil dann heftige Diskussionen wandten sich viel mehr gegen Otto Dressler und die Art seiner “künstlerischen Aktion”, als gegen das Objekt selbst. In die darauffolgende Ausstellung Dresslers im Künstlerhaus “Im Namen des Volkes” kamen nur wenige Besucher, so dass in den Ausstellungsräumen selbst keine Diskussionsgruppen entstehen konnten. Dafür gab es Proteste gegen einzelne Ausstellungsobjekte anderer beteiligter Künstler, vor allem gegen das Objekt “Erste Heilige Kommunion” von Hermann Nitsch mit “blutigen” Damenbinden in Kreuzform. Das Objekt wurde ausgestellt, obwohl Nitsch deswegen bereits einmal, 1966, und mit ihm der Galerist Josef Dvorak zu sechs Monaten bedingt verurteilt wurde.146

Zu einem politischen Konflikt kam es am Staatsfeiertag den 26. Oktober 1979, während einer Feier anlässlich des 25. jährigen Jubiläums des Verbandes der Österreichischen Volksbildungswerke. Die auftretenden Kärntner Tanz- und Gesanggruppen wurden durch Wiener “Literaten” aus dem Arbeitskreis “Literatur” durch Rufe gestört, die sich zu Pauschalbeleidigungen des gesamten Kärntens und seiner Bevölkerung als „Nazis“ steigerten. Die Kärntner Delegation von etwa 120 Personen verließ daraufhin das Künstlerhaus; ihr schlossen sich auch Delegierte anderer Bundesländer an. Eine später offiziell erfolgte Entschuldigung des Wiener Volksbildungswerkes und seine Distanzierung von den Vorkommnissen konnten die Gefühle der Kärntner für Wien allerdings kaum verbessern. Das am folgenden Samstag gegebene Konzert der Kärntner im burgenländischen Illmitz wurde von der dortigen Bevölkerung begeistert aufgenommen.

Im Dezember 1979 widmete Baumeister Alois Pillhofer zehn jeweils drei Meter hohe steirische Tannen als Christbäume, die von den Mitgliedern geschmückt und anschließend zugunsten der Kinderübernahmestelle der Stadt Wien – Julius Tandler Heim, verkauft werden sollten. Die Patronanz der Aktion übernahm Frau Vizebürgermeister Gertrude Fröhlich-Sandner. Als Kunden bzw. Sponsoren erwartete man vor allem Firmen, bei denen man tatsächlich vorerst auf viel Verständnis stieß. Bereits vor ihrer Fertigstellung wurden alle Bäume um je 10 000 Schilling verkauft; zusätzlich spendete die Tageszeitung Kurier eine Woche Skiurlaub in den Energieferien für 30-50 Kinder, die Firma Brunswick-Bowling über 50 Spiele. Am 12. Dezember 1979 um zehn Uhr wurden die Bäume den Käufern-Sponsoren feierlich übergeben, die anwesenden 50 Kinder wurden anschließend von der Stadthalle zum Mittagessen und der Nachmittagsvorstellung “Winnetou” eingeladen. Die Übergabe der ungeschaut, im Voraus gekauften Bäume gestaltete sich allerdings äußerst peinlich. Wie es sich zeigte, haben manche der, die Christbäume schmückenden, Künstler ihre Aufgabe gründlich missverstanden. Ihre Werke hätten vielleicht einen sexorientierten Sammler moderner Kunst angesprochen, sicher aber kein Kinderherz. Der Baum von Isolde Jurina etwa, mit einem Frauenakt in Lebensgröße mit stark überdimensionierter, behaarter, weit offener Vulva, wurde vom Käufer nicht übernommen und, wie sich die Künstlerin in einem Brief an den Vorstand später beschwert, vom Künstlerhaus als Abfall entsorgt.147

1980 wurde die Aktion wiederholt, diesmal sogar vor Publikum in der Karlsplatzpassage. Die zwölf vorgesehenen Bäume hatten die Bildhauer Monika Bauer und Wolfgang Haidinger am 24. November 1980 im Steinbruch Lindabrunn geschlägert. Haidinger brachte sie anschließend ins Künstlerhaus. Am 25. November wurden die Bäume, drei Meter hohe Föhren, in die Kreuze montiert und man begann sie ab 15.00 Uhr zu schmücken. Wie in der Einladung vom Kommissär der Aktion Vizepräsident Kurt Ingerl diesmal ausdrücklich verlangt, sollten die Bäume so gestaltet werden, dass sie auch für Kinder als Weihnachtsbäume erkennbar blieben. Nach den Erfahrungen des Vorjahres wollte man keine sozialkritische oder sexuelle Komplexe ihrer Schöpfer verratende Objekte, sondern originelle Gestaltung der Bäume im traditionellen Stil. Es handelte sich ja um Weihnachten und um Kinder. Trotzdem haben sich diesmal nur fünf Bäume verkauft; die Kunden hatten nämlich jetzt die Möglichkeit, die Bäume vor dem Kauf zu sehen. Mit Hilfe eines privaten Sponsors konnte der Reinerlös von doch 55 195 Schilling dem Julius Tandler Heim überwiesen werden; die Kinder selbst waren bei der Aktion anwesend. Bewacht wurde die Aktion vom privaten Sicherheitsdienst Securop.

Anschließend ab dem 6. Dezember 1980 fand im Künstlerhaus der “Weihnachtskunstmarkt” statt, eine Fortsetzung der alten Kulturamtsaktion “Das gute Bild für jeden”. In den vergangenen Jahren wurde diese Veranstaltung unter dem Titel “Chancen für den Sammler” in der Galerie an der Stubenbastei durchgeführt, die dem Berufsverband der bildenden Künstler Österreichs (BVÖ) gehörte. Die Galerie war klein und ihre Lage auch nicht repräsentativ genug, um alle Wiener Künstler zufriedenzustellen und so kam das Kulturamt in das Künstlerhaus zurück. Am Weihnachtsmarkt hatten sich diesmal neben den eigenen Mitgliedern und der Secession noch 57 Künstler des Berufsverbands und 21 der Berufsvereinigung beteiligt; weiters der Hauptverband des österreichischen Buchhandels, der Verband der österreichischen Galerien moderner Kunst mit 26 Galerien und das NÖ Kulturforum. Die Kojen wurden ausgelost, als Kommissär fungierte der in solchen Aktionen bewährte Kurt Ingerl. Die Hängung besorgten die Aussteller selbst. Im Gegensatz zur Vergangenheit waren diesmal alle freien, keiner Organisation oder Galerie angehörenden Künstler von der Teilnahme ausgeschlossen. Das Preislimit bewegte sich bei 10 000 Schilling für Aquarelle, 25 000 S für Ölgemälde, 2500 Schilling bei Druckgraphik.

Am 10. März 1980 konnte eine neue Galerie ihrer Bestimmung übergeben werden: die “Passagegalerie” im Souterrain, beim Abgang in die U-Bahn und unter dem Vorplatz Ecke Akademiestraße. Die Galerie entstand als ein Nebenprodukt des U-Bahnbaues und wurde durch Glas-Schiebetüren von der terrassenförmigen Absenkung, dem sogenannten Forum, abgeteilt. Durch diese Türen bekam sie, trotz ihrer tiefen Lage, genügend Tageslicht. Eröffnet wurde die Galerie durch die Ausstellung “Hans Mayr, Aussagen zu einer Person” nach einer Idee von Charlotte Seidl. 28 Künstler karikierten darin ihren widersprüchlichen Präsidenten, der kurz davor wiedergewählt wurde.

Ursprünglich war in der Galerie ein Mischbetrieb vorgesehen, beteiligt war auch der gemeindeeigene Wiener Verkehrs-Verein, mit dem die Gesellschaft einen Mietvertrag abschließen sollte. Im Laufe des Jahres 1980 zeigte sich der Verein an der Galerie jedoch immer weniger interessiert, die Vertragsunterzeichnung verzögerte sich von Monat zu Monat, bis mit dem 30. November 1980 der Verein überhaupt seine Tätigkeit als beendet ansah. Dafür kam es zu einem Abkommen mit der MA 7, wonach in der Passagegalerie auf Kosten der Gemeinde junge Künstler gezeigt werden sollten, die in Wien noch keine Personalausstellung hatten. Das stufenartige Forum vor der Galerie, die “Arena” sollte während der warmen Jahreszeit als freier Spielort jungen Gruppen zur Verfügung gestellt werden. Die Galerie hatte aber nicht den Erfolg, den man sich von ihr versprach. In den folgenden Jahren kam es deshalb noch zu manchen Änderungen. Ab Ende 1987 wird die Passagegalerie ausschließlich durch das Künstlerhaus betreut.148 Die Arena wurde so gut wie nie bespielt, ihre Anlage war eine Fehlplanung.

Die Passagegalerie liegt strategisch günstig, täglich eilen tausende Passanten vorbei, die sich durch die großen Glaswände über den Inhalt der Galerie rasch informieren können. Trotzdem ist die Galerie bei den Künstlern nicht besonders beliebt. Das Publikum eilt vorbei, es sind kaum Kunstinteressenten darunter. Die ganze architektonische Situation der gesamten Karlsplatzpassagen ist nicht glücklich gelöst, beide verslumen; die große in Fortsetzung der Opernpassage, in der die Dressler- und die Weihnachtsaktionen stattfanden, wurde überdies bald – mit Förderung der Gemeinde – zum Treffpunkt der drogen- und alkoholsüchtigen Jugend und Obdachloser.

Mitte Juli 1980 kam es zu einer kleinen Änderung im Parterre des Hauses: die im ersten Sekretariats raum seit dem Ausgleich als Mieter siedelnde “Viennale” zog einen Stock tiefer, in das ehemalige Stoffdepot, das durch den Bau des Forums Tageslicht bekam und zu einem schönen Büroraum wurde. Das Sekretariat erfreute sich seines neu-alten Zimmers jedoch nicht lange, kurz darauf wurde der Raum an die Buchhandlung “Wolfrum” vermietet, die die Wände und den Raum durch moderne, dunkle Holzeinbauten repräsentativ ausstattete. Die Fachbuchhandlung Wolfrum wurde beim Publikum zum großen Erfolg, da sie zu jeder Ausstellung ihrem Thema entsprechend stets ein neues, besonders reichhaltiges Buch- und Publikationssortiment in vielen Sprachen aus der ganzen Welt zusammenstellte.

Anfang der neunziger Jahre wurde auf Drängen des Kunsthistorischen Museums, das seine Ausstellungen auch souvenir- und literaturmäßig selbst betreuen wollte, der Vertrag mit Wolfrum gelöst. Der Souvenirshop des Kunsthistorischen Museums – um mehr handelte es sich nicht – stand während der Ausstellungen im Foyer vor dem Stiftersaal und in den ersten Raum links zog wieder das Sekretariat ein. Ergänzende Fachliteratur zu den Ausstellungen gab es nun kaum mehr; Interessenten konnten vom Personal höchstens nur an das Haupthaus des Verlags Wolfrum in der Augustinerstraße verwiesen werden. Für die Ausstellung “Raum” ab dem 30. Juni 1998 zog in das Künstlerhaus die Buchhandlung Prachner ein, konnte aber nicht an die Erfolge von Wolfrum anschließen und verließ das Künstlerhaus bald wieder.

Auch die Viennale blieb dem Künstlerhaus als Mieter nicht lange erhalten.149 Nach ihrem Auszug wurde in das Souterrain die hauseigene Buchhaltung verlegt. Durch die Verlegung der Buchhaltung verbesserte sich das Arbeitsklima im Künstlerhaus wesentlich – sind die Buchhalterinnen von allfälligen Besuchern, die das Sekretariat oder den Präsidenten besuchen kamen, nun zum ersten Mal in der Hausgeschichte voll abgeschirmt.

Die Ausstellungsräume des Künstlerhauses wurden 1980 besonders stark beansprucht. Es gab kaum Leerzeiten, die Ausstellungen wechselten einander rasch ab. Zweimal wurde das Künstlerhaus auch zu Filmdreharbeiten verwendet: das Rantflzimmer für einen Film von Madavi-Mansu als ein Anwaltsbüro entfremdet und der Plastikersaal mit dem rechten Mittelsaal zu Secessionsräumen für eine Großproduktion über Egon Schiele umfunktioniert. Im Künstlerhaus wurde zu diesem Zweck die XIV. Secessionsausstellung mit dem Beethovenfries nachgebaut, eine der wichtigsten Secessionsausstellungen überhaupt. Am 28. Oktober 1980 fand die Weltpremiere des Films im Künstlerhauskino statt; in der Kinogalerie waren zu diesem Anlass Faksimile von Schieleblättern zu sehen.

Zu den größten Ereignissen des Jahres 1980 zählte ohne Zweifel die Ausstellung “Schmuck International”, obwohl sie praktisch nur von Fachleuten besucht wurde. Die Ausstellung fand anlässlich des World Crafts Congresses in Wien statt, eines Kongresses der Kunstgewerbetreibenden. Sie präsentierte europäischen Schmuck der vergangenen Jahrzehnte, zurück bis zum Jugendstil. Es gab Konzerte, Filmvorführungen und Sonderführungen. Der Größe der Ausstellung, 168 Künstler aus 14 Ländern, zeigte sich der Ausstellungskommissär jedoch nicht gewachsen. Es kam zu unnötigen Mehrausgaben und unvermuteten Problemen, die sich auf weitere Mitarbeiter übertrugen. Der aufwendige Katalog wurde erst drei Wochen nach der Eröffnung(!) fertig und wurde kaum gekauft, was natürlich zum unerwartet hohen Defizit beitrug. Der Ausstellungskommissär wurde gezwungen auf einen Teil seiner Honorarforderungen zu verzichten. Diese negativen Erfahrungen führten zur Ausarbeitung neuer, verbindlicher Richtlinien für die Ausstellungskommissäre, eines neuen Ausstellungsreglements, das in der Versammlung am 18. Dezember 1980 angenommen wurde.

Als besonders aufwendig zeigte sich auch ein neues Vitrinensystem nach einem Patent des Künstlerhausmitgliedes Paul T. Tilley, das für die Ausstellung angeschafft wurde. Die Vitrinen waren wie Baukastenteile zusammenbaubar und für kurzfristige Ausstellungen auch sehr gut verwendbar. Störend zeigten sich nur bei größeren Objekten die durch den Zusammenbau entstandenen Mittelsprossen.

Einen bitteren Eindruck im Künstlerhaus hinterließ der deutsche Künstler Jürgen Vogdt, der hier im Dezember 1980 ausstellte. Er wurde von der Gesellschaft zur Vernissage und zum Ausstellungsaufbau eingeladen; versprochen wurden ihm mehrere Nächtigungen im Hotel Sacher. Nach seiner Abreise kam die Hotelrechnung mit außerordentlich hohen Restaurant- und Telefonspesen, mit denen man in der Buchhaltung nicht gerechnet hatte. Für den Künstler waren sie selbstverständliche “Kleinigkeiten”, über die man nicht spricht; diese Kleinigkeiten waren aber um einiges höher, als die an und für sich schon hohen Logiekosten in diesem noblen Wiener Hotel.

Im Dezember 1980 wollte man eine Auktion zugunsten der Erdbebenopfer Italiens veranstalten. Es kamen tatsächlich viele Widmungen. Wie bei ähnlichen Aktionen der Vergangenheit haben auch diesmal die Künstler geholfen. Enttäuscht hat allerdings die weitere Durchführung; eine geplante eigene Auktion wurde abgesagt, im Frühjahr 1981 übernahm die Werke das Dorotheum zur Versteigerung. Doch im Dorotheum kam es zu keiner Auktion mehr; mangels Aktualität fürchtete man ein, bei moderner Kunst immerhin leicht mögliches Fiasko. Die Werke gab man den Spendern schließlich zurück.

Die zeitgenössische Kunst wurde in den Künstlerhausausstellungen dieser Zeit als unverkäuflich und für breitere Publikumsschichten uninteressant zurückgedrängt, während man das Haus selbst immer mehr für historische und retrospektive Großausstellungen beanspruchte. Zwar wurde das Künstlerhaus vom Publikum wieder mehr frequentiert, seine ursprüngliche Aufgabe – Vermittlung allgemeiner Information über das zeitgenössische Kunstschaffen – ging jedoch verloren.

Präsident Hans Mayr stellte – wie fast alles – auch die Buchhaltung um, in jede Ausstellungsabrechnung kamen die früher nicht ausgewiesenen sogenannten “Haus- bzw. Bereitstellungskosten”. Durch die neue Abrechnungsart wurde praktisch jede Ausstellung optisch hoch defizitär; die Verluste wurden jetzt meist durch Subventionen abgedeckt. Auch die Besucherzahlen wurden nun anders berechnet. Während früher tatsächlich nur zahlende Besucher in der Ausstellungsstatistik aufschienen, also Personen, die eine Eintrittskarte gelöst hatten, ging man jetzt zu einer Gesamtzählung über: man schätzte das Vernissagepublikum, alle Sonderführungen – etwa von Schulen – und nicht zahlende Prominente mit Ehreneinladungen. Dadurch ergaben sich viel “schönere” Ziffern, als jemals vorher. Diese Abrechnungsart wurde damals allerdings auch in anderen Ausstellungshäusern und Museen üblich. Im Künstlerhaus zählte man z. B. bei der großen Ausstellung 1996 „Die Sammlung Essl“ 27 477 Besucher, davon waren aber nur 12 158 voll zahlende; 14 415 mit ermäßigter Karte, 904 frei. Ähnlich verrechnet wurden auch historische Ausstellungen: „Der Traum vom Glück“: 45 468 Besucher insgesamt, davon 14 327 voll zahlende, 25 945 mit Ermäßigung und 5196 frei. Unbestritten bleibt jedoch, dass Präsident Mayr ins Künstlerhaus neue Bevölkerungsschichten brachte.

Ab 1981 wurden die Kontakte zum europäischen Osten intensiviert. Mit Unterstützung der Bundesministerien tauschte man auch offizielle Besuche auf höchsten Ebenen aus. Gäste aus dem “fortschrittlichen” Ostblock, die in der Regel über keine eigenen finanziellen Mittel verfügten, wurden nicht nur auf Kosten des Hauses bzw. der Republik Österreich eingeladen, sie bekamen auch ein Taschengeld, ein Taggeld von etwa 300-350 S pro Tag und Person ausgehändigt. Solcherart wurden später alle Reisen verrechnet, auch die der Besucher aus dem Westen bzw. Reisen eigener Funktionäre in das Ausland.

Im November 1981 wurde eine neue Ausstellungsmöglichkeit für die Mitglieder geschaffen und zwar im neugestalteten “Tea Room”, einem Teil des Restaurants. Aus lokalpolitischen Gründen wurde die neue Galerie mit Londoner Aquarellen von Robert Schmitt (Referent für bildende Kunst im Kulturamt der Stadt Wien, Secessionsmitglied) eröffnet. Die im Tea Room durchgeführten Ausstellungen organisierte Frau Gisela Beinrücker-Fleck, die Galerie blieb jedoch nur von kurzer Dauer. Im kommenden Jahr verließ der Pächter aus finanziellen Gründen das Künstlerhaus, eine Neuorganisation des Restaurantbetriebes war die Folge.

Den meist historischen Großausstellungen zum Opfer fielen manche eigene geplante Veranstaltungen, andere wurden immer wieder verschoben. So konnte etwa der “Internationale Holzschnitt 1982″ erst nach sechsmaliger(!) Terminverschiebung durchgeführt werden, wobei die letzte Verschiebung besonders unangenehm war, es handelte sich um eine Vorverlegung um vier Wochen. Jedes Mal mussten 130 Künstler aus neun Ländern benachrichtigt werden. Einige Werke kamen wegen der Vorverlegung zuletzt überhaupt nicht mehr rechtzeitig an und wurden nur auf Katalogzusatzblättern berücksichtigt.150 Dazu war ursprünglich das ganze Haus für die Ausstellung vorgesehen, dann stand letztlich nur der erste Stock zur Verfügung. Diese Raumreduktion bedeutete das Aussortieren von 500 Werken, das waren 33 % der eingegangenen Arbeiten.

Während der Eröffnungsfeier der Literaturwoche für junge Leser und der Verleihung der Jugendbuchpreise der Stadt Wien am Freitag, den 23. April 1982, kam es zu einem Wasserrohrbruch, der die Garderobe überschwemmte. Dabei wurde auch ein Medienkoffer zu Zeitgeschichte I. beschädigt; die Versicherung zahlte nicht, da nach der Gesetzeslage keine Haftung des Hauseigentümers für Wasserrohrbrüche bzw. Folgeschäden, gegeben war.151

Eine interessante Ausstellung fand im Mai 1982 in der Passagegalerie statt: “Bemalte Hydranten”. Helmut Wittmann, Michael Schmidl, Jutta Breitenfelder und Felicitas Schachinger hatten im Herbst 1981 am Wiedener Bramsplatz – ohne jemanden zu fragen – zwei Hydranten in leuchtenden Farben angestrichen: den einen orange und türkis gestreift, den anderen gelb und schwarz leopardengefleckt. Im Gegensatz zu den erst in Mode kommenden Spraygrafittis wurden beide Hydranten von der Bevölkerung gut aufgenommen und oft blieben Passanten stehen, um die kleinen Kunstwerke zu bewundern. Einige Monate später, als die Jugendlichen einen weiteren Hydrant in der Mayerhofgasse bunt streichen wollten, wurden sie von der Polizei überrascht und wegen Sachbeschädigung angezeigt. Die Hydranten wurden von den Wiener Wasserwerken wieder in das ursprüngliche eintönige grau verwandelt, die Künstler bekamen die Rechnung von 3000 S präsentiert. Die Jugendlichen wandten sich nun an die Wiener Politiker, ihnen das Bemalen doch zu ermöglichen; einer von ihnen, Dr. Helmut Zilk, ließ das Strafverfahren einstellen, bezahlte die Rechnung der Wasserwerke und lud die Künstler ein in der Passagegalerie des Künstlerhauses ihre Entwürfe auszustellen. Gleichzeitig wurde ihnen erlaubt, Hydranten in der Nähe des Künstlerhauses zu bemalen. Die Ausstellung bekam eine gute Presse und man sprach – nicht nur in KünstlerKreisen – von ihr. Eine Schule hatte sie jedoch nicht gemacht; die Aktion blieb eine Eintagsfliege, die Stadthydranten werden auch heute noch monotongrau angestrichen.

Die bedeutendste Ausstellung des Jahres 1982, die über Madrid und München ins Künstlerhaus kam, war “Von Greco bis Goya”, vier Jahrhunderte Spanische Malerei. Die Ausstellung wurde zum großen Erfolg und man ließ sich dazu auch einiges einfallen. Das Haus wurde vorher gründlich instandgesetzt, die Wände mit dezenten Farben ausgemalt und aufeinander abgestimmt; auf aufwendige Architektur wurde aber bewusst verzichtet. Die spanischen Kunstwerke hatten sie auch gar nicht nötig, sie sprachen für sich und lockten über 70 000 zahlende Besucher ein, mit allen Gratisgehern über 100 000. Gleichzeitig mit der Ausstellung fanden im Kurhaus Oberlaa Spanische Wochen statt. In Zusammenarbeit mit der Handelsagentur Hispano wurde ein Preisausschreiben organisiert, zu gewinnen waren Reisen nach Madrid und Mallorca, Kartons mit spanischen Getränken, Dinner-Bons und Ausstellungskataloge.

Eine zur Ausstellung durchgeführte Besucherbefragung ergab, dass 97 % der Besucher aus Wien die Ausstellung gut gefallen hatte, 95 % aus den Bundesländern und 94 % aus dem Ausland. Bei allen drei Gruppen waren jüngere Besucher Kritischer, mit zunehmendem Alter nahm die Begeisterung für die Ausstellung deutlich zu. 62 % aller Besucher kamen aus Wien, 22 % aus den Bundesländern, 16 % waren Ausländer. Von ihnen kamen 55 % aus der BRD, 7 % aus der Schweiz, nur etwas weniger aus den USA und 5 % aus Italien. Rund 24 % waren unter 24 Jahre alt, 34 % zwischen 25 und 44 Jahre, 28 % zwischen 45 und 64 Jahre, 15 % waren älter. Aus Wien kamen mehr Frauen (62 %) als Männer, unter den Fremden verringerte sich dieses Verhältnis auf 56 % Frauen und 44 % Männer.

Bei der Betrachtung der Berufsstruktur der Besucher wurde deutlich, dass die Ausstellung trotz intensivster Werbung keineswegs breitere Bevölkerungsschichten anzog, sondern nur die höher gestellten sozialen Schichten. 11 % waren Selbständige, 16 % in leitenden Positionen, 21 % gehörten dem Mittelstand an. 2 % bezeichneten sich als Facharbeiter, 1 % als Arbeiter. Hausfrauen gab es 10 %, Pensionisten 15 %, Schüler und Studenten 24 %. Die überwiegende Mehrheit der Besucher aus Wien wurde durch Zeitungsberichte (40 %) auf die Ausstellung aufmerksam, für die fremden waren Plakate das wichtigste Informationsmittel (49 %). 88 % aller Wiener Besucher waren schon früher mindestens einmal im Künstlerhaus, von den Besuchern aus den Bundesländern waren es 63 %, von den ausländischen immerhin noch 26 %. Die Ausstellung konnte trotz großer Bekanntheit nur relativ wenig neue Besucher locken; zum überwiegenden Teil kamen häufige Ausstellungsgeher. Alle äußerten sich über den Gesamteindruck der Ausstellung positiv, lobten das spanische Buffet, die Saalbeschriftungen und Saalführer sowie die klare, lichte Atmosphäre ohne elektrische Effekte. Bemängelt wurde die schlechte Luft in den Sälen und die zu hohe Raumtemperatur – ein Problem, das sich bei stärker besuchten Ausstellungen immer wieder wiederholt. Vermisst wurden Sitzgelegenheiten in den Sälen.

Sowohl vom Publikum als auch von der Presse negativ beurteilt wurde die Art der Präsentation der folgenden Ausstellung “Götter, Geister, Opfergaben”, die in Essen unter dem Titel “Ferne Völker, Ferne Zeiten” lief. Die Ausstellung wurde vom Linden-Museum in Stuttgart zusammengestellt. Die Architekten hatten bewusst auf alle Beschriftungen verzichtet, alle Exponate trugen wie in einem Auktionshaus nur Nummern, die man in Saalführern oder im aufwendigen Katalog nachschlagen konnte. Die Exponate sollten nur durch ihr Vorhandensein auf den Besucher wirken.

Unangenehme Zwischenfälle ergaben sich mit den italienischen Behörden anlässlich der Zusammenarbeit mit der römischen Galerie Aldo Mengolini. Nachdem es 1981 in der Passagegalerie eine erfolgreiche Ausstellung “Geometrie und ihre Zeichen, A. Mengolini und internationale Konstruktivisten” gab, kam die österreichische Sendung zur Gegenausstellung in Rom zu spät an und konnte, wie geplant gewesen, in der römischen Ausstellung “I Segni della geometria 1981″ nicht mehr präsentiert werden. Am 9. Jänner 1982 sollte deshalb in Rom eine neue österreichische Kollektion gezeigt werden, “Disegno, Grafica, Pittura nel Construttivismo Austriaco”, doch auch diesmal blieben die Werke beim italienischen Zoll hängen. Am 8. Jänner wusste man über ihren Verbleib am römischen Flughafen überhaupt nichts; erst am 11. Jänner, also zwei Tage nach der geplanten Eröffnung, kam die Nachricht, dass die Kisten beim Zoll liegen. Da alle von einem Inspektor für bildende Kunst besichtigt werden mussten, konnte vor dem 16. Jänner überhaupt nichts getan werden. Die Werke wurden schließlich unausgepackt wieder zurück nach Wien geschickt. Die Ausstellung war bereits angekündigt gewesen, alle Einladungen zur Vernissage verschickt worden, die Presse benachrichtigt.

Mit bürokratischen Hürden hatte man auch anlässlich einer bereits ab 1979 geplanten Richard J. Neutra Ausstellung zu kämpfen. Den Katalog sollte auf Wunsch der Witwe des großen Architekten Frau Dione Neutra der ostdeutsche Architekturhistoriker Dozent Dipl. Ing. Siegbert Langner schreiben, wozu seine Anwesenheit in Wien unerlässlich war. Bei der Ausstellungsplanung vergaß man nur auf die Eigenschaften und Art der kommunistischen Staatsführungen. Dozent Langner bekam trotz offizieller Einladung keine Ausreisegenehmigung aus der DDR. Als er sie dann nach vielen Interventionen auf höchster Ebene schließlich doch bekam, entschloss man sich aus Zeitgründen im Künstlerhaus nur ein Symposion über Neutra durchzuführen und die Ausstellung zu einem späteren Zeitpunkt im Museum des 20. Jahrhunderts zu veranstalten. Langner war als Sohn eines deutschen Fürsten – als Kriegswaise von einem Onkel Namens Langner adoptiert – für die kommunistischen Behörden untragbar, obwohl er persönlicher Freund der Familie Neutra war und als einer der profiliertesten Kenner des Werkes von Richard J. Neutra galt. Im Künstlerhauskino fand die Neutra Matinee am 28. April 1982 statt, 1983 folgte dann die Ausstellung im Museum des 20. Jahrhunderts.

Das größte Ereignis des Jahres 1983 war die von den Museen der Stadt Wien zusammengestellte historische Türkenausstellung aus Anlass der 300 Jahre seit der Belagerung 1683. Begleitet wurde die Ausstellung von einer Reihe – auch moderner – Veranstaltungen in der ganzen Stadt, private Galerien und auch Theater schlossen sich dem „Türkenthema“ an. Neu für Wien neu war die Präsentation der polnischen Entsatzheere, die tiefen Eindruck hinterließ; ungewöhnlich waren auch Konzerte alter türkischer Musik. Historische Janitscharengruppen kamen aus Istanbul. Die Hauptfassade des Künstlerhauses wurde von Hans Hollein hinter einem aufwendigen Feldzelt versteckt, am Dach standen blutrünstige Plastikfiguren; eine Figur trug die Züge des Präsidenten Hans Mayr.

1983 erhielt die Gesellschaft durch Vermittlung des Architekten Johann Staber vom Magistrat die Bewilligung (ursprünglich auf den 15. Juli bis 30. Oktober 1983 begrenzt), künftig die Fußgängerzone um das Künstlerhaus, also auch den Gemeindegrund, für Bildhauerausstellungen zu verwenden.152 Zu dieser Zeit befanden sich hier einige Objekte von Hubert Wilfan; die unter der Bronzeplastik “Arm des hl. Othmar” befindliche Marmorplatte wurde allerdings gleich zweimal – aus Übermut – gebrochen.153 Mit Bescheid vom 17. Jänner 1984 wurde diese Bewilligung auf Dauer erteilt, nur wegen allfälliger Schneeräumung jeweils für die Zeit vom 1. April bis 30. November begrenzt.

Am 17. und am 18. Februar 1984 wurden aus der Textilausstellung “Teppiche der Manufaktur Halle” zwei Applikationsstickereien von 35 x 31 und 21 x 41 cm entwendet.

Am 5. September 1984 wurde mit der Ausstellung “Werner Rischanek” der Belgische Saal im Parterre als ständige Mitgliedergalerie eröffnet. Sie wurde offiziell als “Galerie im Belgischen Saal” bezeichnet, während die ehemalige NÖ-Art Galerie als “Hausgalerie” genannt wurde. In beiden Galerien fanden oft gleichzeitig mit den Großvermietungen des Hauses eigene Mitgliederausstellungen statt, wodurch sich manchmal nicht gerade ideale Kontraste ergaben. Auf der anderen Seite zogen die Vermietungen viele Besucher an, die dann auch die Mitgliederausstellungen besichtigten.

Für auswärtige Mitarbeiter der durch das Künstlerhaus organisierten und im Museum für Völkerkunde in der Neuen Hofburg gezeigten Ausstellung “Chinas sensationeller Fund” wurde vom 1. Mai 1985 eine möblierte Vierzimmer-Wohnung in 1060 Wien, Ägidigasse 20/10 gemietet. Die Wohnung wurde anschließend bis in die 90-Jahre Besuchern vor allem aus dem Ostblock zur Verfügung gestellt. In dieser Zeit sprach man auch von einer eventuellen Außenstelle des Künstlerhauses im vom Baumeister Alois Pillhofer gepachteten Schloss Süssenbrunn im Marchfeld. Zu einer Verwirklichung des Projekts kam es nicht.154 Die China-Ausstellung zeigte die erst später berühmten Tonfiguren chinesischer Krieger und das im Original!
1985 präsentierte das Historische Museum der Stadt Wien im Künstlerhaus die Ausstellung “Traum und Wirklichkeit, Wien 1870-1930″, in der die magische Zeit der Jahrhundertwende dargestellt wurde. Der Architekt Hans Hollein schreckte wieder vor keinen, auch den aufwendigsten Effekten zurück; am Dach des Künstlerhauses wurde sogar ein Teil des Karl-Marx-Hofes aufgebaut. Aufwendige Einbauten gab es auch im Hausinneren; Leihgaben wurden aus der ganzen Welt geholt. Die einst weltberühmte „Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens“ und ihre berühmten Mitglieder wurden dagegen keines Wortes gewürdigt und totgeschwiegen.

Am 15. April 1986 nachmittags stand das Künstlerhaus kurz im Mittelpunkt des Interesses der Boulevardpresse: Prinz Charles of Wales und Lady Diana eröffneten – eigentlich besuchten – die Ausstellung British Design. Dabei kam es zu einer kleinen Panne, als Vizekanzler Norbert Steger mit den Hoheiten die Besichtigungstour begann, ehe man merkte, dass der auch angesagte Bundespräsident Rudolf Kirchschläger noch fehlt. Man machte kehrt und wartete seine Ankunft ab. Die Ausstellung vermittelte die enorme Vielfalt der britischen Produktion. Prinz Charles bekam das Künstlerhausbuch 1861-1986 des Verlags Wolfrum geschenkt.

Eine weitere interessante und bedeutende Ausstellung wurde unverdient von einem Teil des Publikums boykottiert: die “Lichtjahre”. Sie präsentierte die geschichtliche Entwicklung der Verwendung des elektrischen Stroms; doch 1986 war die Elektrizität zwar jedem selbstverständlich, jeder nützte sie, doch man wollte einen weiteren Ausbau der Kraftwerke nicht so ohne weiteres hinnehmen. So wurde die Ausstellung nicht so aufgenommen, wie sie es verdient hätte und wie sie nur wenige Jahre früher aufgenommen worden wäre. Ja die Ausstellung wurde sogar zum Ziel diverser Störaktionen, so etwa des damals stadtbekannten Stadtdichters Helmut Seethaler mit Hang zur Freiluftveröffentlichung – er klebte überall, wo er nur konnte, seine auf Zettel geschriebene literarischen Werke an. Vor dem Künstlerhaus beschrieb er mit Filzstift eine Parabolantenne. Obwohl Seethaler von Dr. H. Zilk Bäume und Wände zur Verfügung gestellt bekam, reizte Seethaler ausschließlich nur fremdes Eigentum und das Verbotene. Andere Täter zerstörten den in Form einer Glühbirne geschneiderten, innen beleuchteten Luftballon. Schäden gab es auch in den Ausstellungsräumen selbst, aber anscheinend mehr durch unvorsichtige Besucher, als durch absichtliche Störaktionen. Am 9. Juni 1986 fielen Spiegel aus einem kinetischen Objekt von Christian Megert heraus, der Schaden betrug 60 000 S; am 20. Juni wurde eine kinetische Graphik von Karly Kovacs durchgestoßen, Schaden 30 000 S.

Während der Ausstellung gab es ein Preisausschreiben; die Besucher mussten ein Kreuzworträtsel lösen, das Wort auf eine Postkarte schreiben und einschicken. Die Preise im Wert von 75 000 S widmete die Firma Philips. Am 29. August 1986 war die Ziehung von 258 richtigen Einsendungen durch ein kleines Mädchen, am 31. August 1986 16.00 im Ranftlzimmer die Preisübergabe durch Minister Dr. Herbert Moritz. Erster Preis Stereoanlage Combi-Set 260 CD ging an Frau Helga Prüser aus Wien; 2. Preis Videorecorder VR 6860 Hifi an Manfred Elser aus Krems; 3. Preis TV-Gerät FSQ Vision 2690 an Frau Susanne Berger aus Wien, 4. Preis Laser Sound Machine CD 555 an Frau Waltraud Withofner aus Wien.

Am 16. März 1987 sprach Präsident Hans Mayr auf Einladung des Direktors der benachbarten Handelsakademie Dr. Schuster vor Schülern der Klasse Frau Prof. Dkfm. Petzmann über die Funktion eines Ausstellungshauses; was alles geschehen muss, bis eine Ausstellung eröffnet werden kann?

Anlässlich des unglücklichen Bundespräsidentenwahlkampfs 1987 entstand auch im Künstlerhaus ein Anti-Waldheim-Komitee aus Jana Wisniewski, Peter Kodera, Kurt Brazda und Willy Verkauf-Verlon, das mit Hubert Sielecki politische Plakate produzierte. Gedruckt wurden sie von Profildruck. Das Künstlerhaus selbst wurde durch diese Tätigkeit nicht beeinträchtigt.155

1989 intensivierten sich Überlegungen zur besseren Nutzung der Passagegalerie. An Zugkraft gewann der Gedanke einer ständigen Verkaufsgalerie für die vierte Sektion der angewandten Kunst; kurz davor wurde die renommierte “Galerie am Graben” der Frau Inge Asenbaum156 geschlossen. Um überhaupt einen möglichen Überblick über das vorhandene Material zu gewinnen, startete man eine Fragebogenaktion; die Mitglieder wurden um Mitteilungen gebeten, welche Kommissionsstücke sie zur Verfügung stellen könnten. Als Verkaufsprovision für das Haus wurde 25 % vorgeschlagen. Etwa die Hälfte der Mitglieder der vierten Sektion bot ihre Arbeiten an. Trotzdem wurde, hauptsächlich wegen der ungelösten Personalprobleme, aus dem Vorhaben nichts. Problematisch blieb auch der ausschließliche Anspruch der vierten Sektion auf die Galerie; beim Erfolg wäre mit Protesten anderer Sektionen zu rechnen.

Veranstaltet wurde die Ausstellung “Neuaufnahmen 1980-1988″ mit neuen Mitgliedern des Künstlerhauses. Zum Mitmachen wurden alle ab 1980 aufgenommenen Mitglieder bis auf die Filmemacher eingeladen, da eine sinnvolle Präsentation ihrer Sektion im Rahmen dieser Ausstellung nicht möglich war. Die Ausstellung wurde notwendig, da man in der letzten Zeit mangels Jahresausstellungen jeden Überblick über das Schaffen der Mitgliedschaft verlor. Man entschloss sich zu einer gemeinsamen Präsentation, obwohl solche “salonartigen” Ausstellungen seit Jahren in Misskredit gekommen waren. Diesmal wurden in dem gegebenen Zeitrahmen weder Personen noch Werke juriert, alle denkbaren Stilrichtungen und Verfahren waren vertreten. Die Einsendungen wurden von den Künstlerinnen und Künstlern selbst ausgewählt und sollten ihrer eigenen Ansicht nach ihrer Arbeit am besten entsprechen. Die Ausstellung wurde allgemein gut aufgenommen, bis auf Kritik einiger Mitglieder wegen angeblicher “Überfüllung” – eine Kritik, die bei einem solchen Thema nicht ausbleiben konnte.

Im Herbst 1989 fand die große ostdeutsche Ausstellung “Merkur & die Musen, Schätze der Weltkultur aus Leipzig” statt. Abgesehen von der großen kulturellen Schau, in der einmalige, noch nie in Wien gezeigte Objekte zu sehen waren, wurde diese Ausstellung noch durch einen weiteren Aspekt bedeutend: sie war die letzte von Kommunisten vorbereitete. Während ihrer Laufzeit kam es zur sogenannten Wende und zum Fall der Berliner Mauer. Die leitenden Beamten und Funktionäre, bei der Eröffnung noch mit dabei, waren zu Ausstellungsende arbeitslos und durch andere ersetzt. Eine Epoche – auch im Künstlerhaus – ging zu Ende. Präsident Hans Mayr erhielt bei der Vernissage noch eine der letzten hohen Auszeichnungen der DDR, den “Stern der Völkerfreundschaft”, was den ebenfalls anwesenden, jedoch nicht ausgezeichneten Erhard Busek zu einer ironischen Bemerkung veranlasste.

Als am 20. Februar 1997 im Künstlerhaus die große – unpolitische – Ausstellung der chinesischen zeitgenössischen Malerei eröffnet wurde, gab es vor dem Haus Protestierende gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik China und gegen die Besetzung des Tibets. Auch einige religiöse Aktivisten waren darunter. Sie warteten vergeblich; der chinesische Botschafter, den man angreifen wollte, kam nicht – die Ausstellung war keine staatspolitische, sie wurde nicht einmal vom kommunistischen China veranstaltet. So wurden mindestens – in dekorativer chinesischer Schrift und den Wienern unverständliche – Protestparolen an den Betonmauern der Arena gemalt.

Anlässlich dieser Ausstellung wurden zum ersten Mal Privatfirmen Veranstaltungen im Künstlerhaus angeboten. Man bot Sonderführungen zu einem Pauschalpreis von 7500 S, Sonderführungen mit anschließendem Cocktail für 14 000 S, sowie den “Abend im Künstlerhaus” mit Sonderführung und anschließendem Buffet im Ranftlzimmer um 18 000 S an. Viel Erfolg hatte diese Aktion nicht.

Ab 1991 waren mangels Personals die Aussteller in der Passagegalerie für ihre Präsentation meist selbst verantwortlich und während der ganzen Ausstellungsdauer in der Galerie entweder persönlich anwesend oder durch von ihnen bezahlte Kräfte vertreten. Das führte oft zur Beschränkung der Öffnungszeiten nur auf den späten Nachmittag oder nur auf wenige Tage bzw. sogar nur Stunden(!), was dem Image der Galerie nicht gut tat.

Die Zersplitterung des österreichischen Kunstschaffens und dessen internationale Unterbewertung führte Präsident Kodera im September 1993 zum Vorschlag einer “Österreichischen Kunstbiennale”, die alle zwei Jahre aus ganz Österreich zusammengetragen und die gesamte Breite des zeitgenössischen Kunstschaffens dokumentieren sollte. Also etwa das, was früher die Jahresausstellungen zur Aufgabe hatten. Koderas Konzept wandte sich jedoch an das Bundesministerium für Unterricht und Kunst als Veranstalter und somit schlief die Idee wieder ein.

Weitere interessante, jedoch nicht realisierte Ausstellungsprojekte dieser Zeit waren: Andy Warhol / Jean-Michel Basquiat, Reise ins Zentrum der Zeit über die Schweizer Uhrengeschichte, 100 Jahre Kino, Kinderporträt in der russischen Kunst, Der Deutsche Orden, Klini-Clowns. Für 1994 projektiert war eine Ausstellung der Picasso-Lithografien, für 1995 eine historische Ausstellung über die Normandie. Für 1998 stand eine Retrospektive Arnulf Rainers im Gespräch, eines Skulpturengartens im Resselpark am Karlsplatz und neuerlich eine der Sammlung Essl, diesmal der internationalen Malerei; 1999 eine Ausstellung des Komponisten Johann Strauß.

1992 wurde am Karlsplatz, zwischen dem Künstlerhaus, dem Historischen Museum der Stadt Wien, der Technischen Universität und der Secession der „Kunstcontainer“ des Architekten Adolf Krischanitz aufgestellt, eine “provisorische” Kunsthalle der Gemeinde Wien (eröffnet am 5. September 1992). Seine zufällig gewählten „niederösterreichischen Landesfarben“ (Blau-Gelb, Farbkonzept Oskar Putz) wurden durch einige lokale Wiener Politiker scharf Kritisiert. Die Kunsthalle Wien war eine Lieblingsidee der Kulturstadträtin Dr. Ursula Pasterk, die sich für ihre Errichtung – ohne über die tatsächlichen Wiener Ausstellungsverhältnisse und -Bedürfnisse eingehender informiert zu sein – gleich am ersten Tag ihrer Amtsbestellung Anfang November 1987 nur eines politischen Programms willens einsetzte.157

In der angeblich “billigen” Halle – im Gegensatz zur Secession und dem Künstlerhaus erfolgte die Hallenfinanzierung nicht aus Mitgliedsbeiträgen und Vermietungen, sondern ausschließlich aus Steuergeldern über einen zu diesem Zweck gegründeten Verein unter Vorsitz Pasterks; sie betrug jährlich um die 80 Millionen S – wurden meist renommierte, bereits bekannte Künstler und aktuelle, SPÖ nahe Themenausstellungen präsentiert, die die Gemeinde früher als Vermietungen158 an fremden Orten, darunter auch im Künstlerhaus zeigte. Durch den Bau der Halle gingen dem privatwirtschaftlich geführten Künstlerhaus bedeutende Mieteinnahmen verloren; die von Pasterk beanstandeten Mietkosten waren jedoch weit geringer, als die Kunsthale die Gemeinde dann tatsächlich kostete. Wirklich explodiert sind ihre Kosten nach dem Abbruch des blaugelben Containers und der Verlegung der Halle in das Museumsquartier.159 Am Karlsplatz entstand an gleicher Stelle einige Zeit später ein anderer, neuer Ausstellungsraum mit viel Glas und Licht, ergänzt durch ein viel frequentiertes Caféhaus im Grünen.

Durch die Errichtung weiterer Ausstellungsstätten und Galerien, so etwa durch namhafte Bankinstitute, aber auch weitere öffentliche Stellen, entstand in Wien dieser Jahre ein bisher nie da gewesenes Angebot an hochdotierten, privatwirtschaftlich nicht geführten Ausstellungsflächen.

Aufwändige, durch prominente Architekten gestaltete Ausstellungen wurden allgemein zur Regel. Auch im Künstlerhaus ging man vom Tageslicht weg, die Fenster und Oberlichter wurden fast immer verkleidet; Ausstellungsobjekte wurden in dunklen Räumen durch effektvolle elektrische Spots angestrahlt. Die einmalige historische Künstlerhausarchitektur wurde von den Architekten nicht beachtet und immer weniger in die Ausstellungen integriert. Die unter Präsident Hans Mayr mit hohen Kosten restaurierten Saalwände und Böden wurden bedenkenlos durch Verankerungen verspielter Einbauten wieder durchbohrt, aus edlem Holz vor hundert Jahren ausgeführte Türeinfassungen hemmungslos durchgenagelt; durchlöchert wurde bereits auch die mit so viel Mühe installierte Textiltapete im Ranftlzimmer. Beschränkten sich die Ausstellungen früher auf den Tapetenwechsel und das Bilderhängen, wurde man nun durch oft beengende Ausstellungsarchitektur gelotst, die in dem unter Denkmalschutz stehenden Künstlerhaus nichts verloren hat und in jeder beliebigen anonymen Betonhalle oder einem “Kunst”-Container sogar besser und einfacher hätte installiert werden können.

1995 wurde das Künstlerhaus an das Internet angeschlossen, die ursprünglich amerikanische, mit dem 30. April 1993 freigegebene und nun internationale Computervernetzung, die anfangs als reine Spielerei belächelt, rasch an Interesse und Bedeutung gewann. Das Künstlerhaus, dank des modern denkenden Mitglieds Gerhard H. Schmölzer und ebenso modern wie wirtschaftlich denkenden Geschäftsführers Dr. Walter Meisner schon ein Jahr früher ans Netz angeschlossen als etwa das Wiener Rathaus oder die staatlichen Museen, warb von nun an unter seiner ersten, noch komplizierten Adresse http://www.kunstart.co.at/kunstart/ auch für die Ausstellungen. Geboten wurden Kostproben aus den Ausstellungssälen sowie die Vorschau auf kommende Aktivitäten. Die Fachpresse nahm die mit Hilfe historischer Plakate und Ausstellungsfotos traditionell gestaltete, farblich abgestimmte, elegante Künstlerhauswebseite begeistert auf.160 Gerhard H. Schmölzer, der lange Zeit in den USA verbrachte und dort unter anderem diese aktuelle Errungenschaft kennenlernte, betreute die Internetverbindung des Künstlerhauses bis zum 30.6.1997. Fast gleichzeitig wurde durch Vermittlung des Bürgermeisters und ao. Mitglieds Dr. Helmut Zilk die ständige Außenbeleuchtung des Künstlerhauses auf Kosten der Gemeinde eingeführt und sie lässt seitdem die reichgegliederte Neorenaissancehausfassade im stimmungsvollen Licht erstrahlen.

Im Oktober 1998 wurde für eine Ausstellung von Arbeiten der ArchitekturstudentInnen an der Akademie der bildenden Künste Wien als Blickfang ein Stahlsteg über das abgesenkte Forum (Arena) in der Akademiestraße gelegt. Nach längerer Zeit war dies wieder ein Ansatz zur Neugestaltung dieses unbefriedigenden U-Bahnabgangs bzw. des Raumes vor der Passagegalerie. Der nirgendwohin führende Steg blieb bis zum Frühjahr 2000 vor dem Künstlerhaus, bis zum Beginn der Arbeiten an einer neuen U-Bahn-Wendeanlage, wo er dann sogar nach einer Aufstellung der Baustellenwände für kurze Zeit einer Nutzung zugeführt wurde. In der Passagegalerie und in der Arena davor fanden in den folgenden Jahren während der Sommermonate manche Feste des Icke Micke Clubs statt.

Mit dem 13. März 2000 wurde nach einem Mauerdurchbruch zum linken Mittelsaal die Kinogalerie zum neuen Haupteingang (durch die Ausstellungssäle) des Künstlerhauses. Man fällte entlang der ehemaligen “Zweierlinie” alle Bäume. Die entstandenen Baugruben wurden verschlossen und vor dem Künstlerhaus entstand eine große leere Fläche. 2006 wurde diese Fläche im Zuge einer neuen “Kunstzone Karlsplatz” neu asphaltiert, 2007 ein Aufzug zur U-Bahnpassage eingebaut und die angenehme Rampe durch eine für Behinderte und Kinderwägen unpassierbare Stiege ersetzt.

Mit der Vernissage von Hannes Mlenek „Initiations-Installation“ am 6. Juni 2000 im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien – Universitätskliniken begann wieder wie schon einige Male in der Vergangenheit, die “Bespielung” fremder Ausstellungsorte durch das Künstlerhaus. Das neue Allgemeine Krankenhaus wurde täglich von 25 000 Patienten, Begleitpersonen und Mitarbeitern aufgesucht. Zumindest für einige von ihnen, hauptsächlich die Wartenden, wurde ein Begegnungsraum in der direkt von der Eingangshalle aus erreichbaren Galerie eröffnet. Zum Kurator der Ausstellungsreihe wurde der aus dem Künstlerhaus bewährte Joachim Lothar Gartner bestimmt. Den Ehrenschutz übernahm an der Spitze weiterer Politiker die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer; die Oberaufsicht über die Galerie hatte die kollegiale Führung des AKH mit dem Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Wien.

Durch Beschluss der Hauptversammlung vom 16. Oktober 1996 wurde die wirtschaftliche Basis des Künstlerhauses selbst neu geregelt. Die Hauptversammlung gab ihre Zustimmung zum, vom Geschäftsführer Dr. W. Meissner ausgehandelten, Vertrag mit dem Unterrichtsministerium, wonach die Ausstellungsräume künftig jeweils sechs Monate pro Jahr diesem Ministerium für dessen kulturpolitische Präsentationen überlassen wurden. Aus der Sicht der Gesellschaft eine notwendige Maßnahme, die ihr Überleben sicherte und im Großen und Ganzen eine wesentlich elegantere Lösung bildete als es manche wirtschaftlich notwendige Vermietung an Privatfirmen in den sechziger und siebziger Jahren war. Der Vertrag wurde auf die Bedürfnisse des Kunsthistorischen Museums zugeschnitten, das hier in der Folge seine aufwendigen historischen Schauen zeigte.

Unter Präsident Nehrer, nach 1996, entfernte sich das eigene Ausstellungsprogramm immer mehr sowohl von den eigenen Mitgliedern, als auch von der klassischen bildenden Kunst; neue Ausdrucksformen und audiovisuelle Medien, die zwar bemerkenswert waren, aber mit den das Publikum oft nichts anzufangen wusste, wurden präsentiert. Unter Besucherschwund litten dann auch Kollektionen, die es nicht verdient hätten: Herbert Albrecht besichtigten 23 Personen pro Tag (5.-6.1998), Raum! (7.-8.1998) ganze zehn, Hubert Flörl (6.-7.1999) 19 Personen täglich, Zeitwenden (7.-9.2000) 33, die Festwochenausstellung(!) 2001 65, Global Tools (7.-9.2001) 38, mega (4.-7.2002) 38, Paolo Piva (10.-12.2002) 70, Site-Seeing (12.2002-2.2003) 29. Interessant wäre hier ein Vergleich mit den Gesamtkosten einer Ausstellung; wahrscheinlich wäre der Druck einer aufwendigen, langlebigen und informativeren Kunstpublikation wesentlich günstiger gewesen.

Alle hauseigenen Ausstellungen – Präsident Nehrer setzte sich für eine Hausöffnung für fremde Künstler ein, so dass die Mitgliedschaft auf allen Ebenen keine Rolle mehr spielte – wurden stark defizitär und belasteten, trotz mancher Sponsoren, das Hausbudget gewaltig. Als Anfang 2002 der mit dem Bildungsministerium ausgehandelte Mietvertrag auslief und wegen prinzipieller Unstimmigkeiten zwischen der Generalsekretärin Dr. Rothauer und Hofrat Dr. Wilfried Seipel nicht mehr erneuert wurde, trat für das Künstlerhaus eine Phase finanzieller Unsicherheit ein. Nachdem die Geschäftsführung in ihren Ausgaben von der öffentlichen Hand völlig abhängig wurde und es verabsäumt hatte, sich rechtzeitig nach neuen Geldquellen umzusehen, führte dies in den Sommern 2002 und 2003 zu drastischen Sparmaßnahmen mit Personalkündigungen. Die Geschäftsführerin verließ während dieser turbulenten Zeit dann selbst das Haus. Wegen ihrer kurzsichtigen Politik kämpfte das Künstlerhaus – zu Zeiten des allgemeinen Wohlstands(!) – ums nackte Überleben. Im September 2003 wurde das Haus mangels eines eigenen Programms sogar ganz geschlossen, im Sommer 2006 drohte sich die Situation zu wiederholen.

Präsident Nehrer dankte ab, Geschäftsführer Mag. Peter Bogner bemühte sich mit Freunden des Hauses wie Beppo Mauhart zu retten was noch zu retten war. Es fand sich aber kein Künstler, der diesen Umstand zur Präsentation eigener Werke genützt hätte, keiner war bereit im leeren Haus seine eigenen Werke selbst aufzustellen, aufzuhängen und eine auf solche Art unerwartet zustande gekommene Ausstellung selbst zu betreuen.

Inzwischen tauchten Ideen auf, nach deutschem Muster aus dem Künstlerhaus ein “Haus der Geschichte” zu machen, also ein nationales Museum, das es in Österreich nicht gibt und für das man schon ab etwa 1999 auf der Suche nach einem geeignetem Standort war. Der größte Befürworter für ein “Hauses der Geschichte” aus dem Künstlerhaus war Beppo Mauhart, Initiator und treibende Kraft der Wirtschaftsinitiative Neues Künstlerhaus WINK.161 Das Künstlerhaus, das dadurch allerdings seinem ursprünglichen Zweck, nämlich der Präsentation zeitgenössischer Kunst, entfremdet worden wäre, könnte tatsächlich ein ideales Museum werden; die Bausubstanz des unter dem Denkmalschutz stehenden Hauses würde unter einer ständigen Exposition nicht so leiden, wie sie unter den modernen rasch wechselnden, modernen, zeitlich begrenzten Ausstellungseinbauten leidet.

Was die museale Einrichtung betrifft, gehen hier die Meinungen allerdings stark auseinander; vom Standort her und für das Künstlerhaus ideal wäre eine vom Wienmuseum ausgelagerte Exposition der Ringstraße und der Makartzeit, also eine des 19. Jahrhunderts und nicht ein politisch motiviertes “Haus der Zeitgeschichte” zusammen mit einem noch weniger verstandenen “Haus der Toleranz” mit Betonung der Jahre 1934 und 1938-1945; vor allem die letzteren hätten in einem Flakturm eine würdigere Stelle. Der in finanzieller Krise befindliche Präsident Nehrer machte sich die Idee zu Eigen und wäre bereit gewesen das Künstlerhaus dem Haus der Geschichte zu opfern. Der nach dem Abgang Nehrers neugewählte Vorstand befragte das Plenum: die a. o. Hauptversammlung am 29.6.2007 lehnte die weitere Verfolgung dieser Idee ab. 2010 wurde das traditionelle „Ranftlzimmer“ im ersten Stock in „Salon“ umbenannt.

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