Das Budget

Eines der nur auf den ersten Blick uninteressantesten Kapitel der Künstlerhausgeschichte betrifft die Vereinsfinanzierung. So etwas profanes, wie Geld, interessiert kaum einen Kunsthistoriker. Und doch sind die einfachen Zahlen äußerst aussagekräftig; man kann aus ihnen schneller und mehr über die wirtschaftliche und soziale Lage der Vereinigung erfahren, als dies durch viele Worte möglich wäre. Man kann aus ihnen rasch die Höhepunkte und die Tiefen des Hauses sehen; man kann manche auf den ersten Blick unverständliche Entscheidung verstehen; man kann die einfache oder im Gegenteil aufwendige Ausstattung von Ausstellungen, der Kataloge, der Plakate anders als nur kunsthistorisch und stilistisch beurteilen. Die Ziffern berichten über die gerade herrschenden Kunstzustände und die Kulturpolitik, wie auch über das Ansehen der bildenden Kunst in der Gesellschaft überhaupt.

Die “Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens” war schon bald nach ihrer Gründung eine verhältnismäßig reiche Institution. Dank ihrer Mäzene, ihrer angesehenen Mitglieder, des regen gesellschaftlichen Lebens im Haus und des schwunghaften Kunsthandels, verfügte sie über ausreichende Einnahmen und konnte selbst im Laufe der Zeit neben dem Bau und der laufenden Instandhaltung des Künstlerhauses trotz der damals fehlenden öffentlichen Subventionierung aus allgemeinen Steuermitteln bald bedeutende, privatfinanzierte Fonds gründen. Die Fonds kamen oft allen bildenden Künstlern Wiens, also nicht nur den Mitgliedern, zugute. Die bildende Kunst und ihre Schöpfer waren allgemein anerkannt und respektiert, die Kunst durfte auch etwas kosten. Die Künstler verlangten keine Förderung, sie waren keine Bettler, sondern gleichberechtigte Geschäftspartner, die bildende Kunst war auch wertvolle, akzeptierte und geschätzte Ware.

Die Vereinseinnahmen, die sich natürlich mit der Inbetriebnahme des Künstlerhauses vervielfacht haben, stiegen zunächst stetig bis zum Weltausstellungsjahr und dem wirtschaftlichem Krach von 1873. Die folgenden Budgets wurden von dieser Krise beeinflusst. Erst 1885 wurden die Einnahmen von 1873 überschritten, kurze Zeit vorher wurde das Künstlerhaus durch Zubauten ergänzt und seine Ausstellungsflächen bedeutend vergrößert. Das Jubiläumsjahr 1888 brachte dann schon einen noch nie da gewesenen Rekordhöhepunkt der Einnahmen.

Die letzen Kriegsjahre 1917-1918, der Zusammenbruch der Monarchie und ihr Zerfall brachten eine starke Inflation, die alle absoluten Vergleiche erschwert, wenn nicht unmöglich macht. Nach der Einführung der Schillingwährung 1925 stiegen die Vereinseinnahmen langsam bis 1930; dann machte sich wieder die schwere wirtschaftliche Krise bemerkbar, bis 1937 ein katastrophales Tief erreicht wurde. Doch trotz vieler Sorgen und ständiger Engpässe dieser Zeit, waren die Bilanzen stets ausgeglichen, auch wenn man öfters vom drohenden Bankrott sprach und zweimal sogar Hilfsaktionen zur Unterstützung des Hauses startete. Damals hatte man allerdings keine Vorstellung davon, welche Schrecken und welches Leid die Zukunft noch bringen sollte.

Wirtschaftlich brachten die Jahre 1938 bis 1943 dem Künstlerhaus einen Geldregen. Die bildende Kunst diente der Staatspropaganda und wurde dementsprechend groß unterstützt, wie dies in totalitären Regimen zur Ablenkung anderer Probleme allgemein üblich ist. Weniger verständlich ist allerdings schon der damals sprunghaft angestiegene private Kunsteinkauf. Das kann nicht nur mit dem Gefallen des Publikums an realistischer, bodenständiger, optimistischer Kunst erklärt werden. Eine bedeutende Rolle wird hier sicher – gleichzeitig mit dem schwindenden Vertrauen an die wirkliche Dauer des „Tausendjährigen Reiches“ – das Bestreben einer beständigen Wertanlage spielen. Obwohl man den Ersten Weltkrieg mit dem Zweiten nicht so ohne weiteres vergleichen kann, zu verschieden waren die wirtschaftlichen Ausgangspunkte, die Kriegsgewinne und die Bevölkerungsumschichtungen, ja “Völkerwanderungen”, so kann man doch auch schon etwa zwischen 1916 und 1919 eine ähnlich große Kauflust feststellen.

1945 stand man dann vor dem Nichts: sowohl die Vereinigung, wie auch ihre Mitglieder. Es gab keine staatlichen Subventionen mehr, es gab keine Käufer. Das 1949 eröffnete Kino brachte zwar dem Haus einen wesentlich höheren bilanzierten Umsatz, aber überraschenderweise nur einen mäßigen Gewinn. 1951 schloss die Kinobilanz sogar mit einem rechnerischen Verlust ab. Trotzdem gelang es der Künstlerhausführung diese finanziellen Engpässe der Nachkriegszeit aus eigenen Kräften zu meistern. Erst Mitte der fünfziger Jahre kamen die ersten höheren, zweckgebundenen Subventionen zur baulichen Sanierung des seit 1940 vernachlässigten Hauses. 1960 fand die erste steuerliche Überprüfung in der Geschichte der Gesellschaft überhaupt statt – ohne wesentliche Beanstandungen.

Die Jahre nach 1975 brachten durch eine sprunghaft erhöhte, jedoch nicht abgesicherte Aktivität des Präsidenten Hans Mayr hohe finanzielle Verluste, die 1977 zu einer Ausgleichsanmeldung führten. Doch Hans Mayr gelang es mit Hilfe der öffentlichen Hand die Gesellschaft wieder zu sanieren und neue Einnahmequellen ausfindig zu machen. Die Ausstellungsstruktur veränderte sich dadurch allerdings stark: statt großer Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, die ursprünglich und bis 1975 die Hauptaufgabe des Künstlerhauses waren, dominierten nun aufwendige Vermietungen mit anderen, meist geschichtlichen Themen. Zeitweise auftretende Budgetlöcher wurden durch Verkäufe aus den hauseigenen Kunstsammlungen gestopft.

Doch die Einnahmestruktur der Gesellschaft hat sich nicht erst unter Präsident Hans Mayr gewandelt; unter ihm war die Veränderung jedoch am radikalsten. Leicht verfolgbar wird dieser Strukturwandel im jahresmäßig berechneten prozentuellen Vergleich aller Einnahmequellen der Gesellschaft. So waren 1869, dem ersten Jahr nach dem Bezug des Künstlerhauses, die wichtigsten Einnahmen die Jahresmitgliedsbeiträge, die Eintrittsgelder, die Provisionen aus den im Künstlerhaus verkauften Kunstwerken und der Katalogverkauf. Diese Aktiva gingen im Laufe der Zeit nach und nach zurück und wurden durch Vermietungen und Subventionen der öffentlichen Hand ersetzt.

Bis zur Fertigstellung des Künstlerhauses – der Bau belastete die Genossenschaftsbilanzen stark – bildeten die Mitgliedsbeiträge überhaupt den höchsten Einnahmeposten: 1868 waren es 87 % aller Einkünfte. Nach dem Bezug des Künstlerhauses sank dieser Anteil auf bescheidene 17 % und bewegte sich um diese Größe bis zum Ersten Weltkrieg. Kleinere Schwankungen ergaben sich weniger durch Veränderungen des Mitgliederstandes, als vielmehr durch ihre Zahlungsmoral. In Jahren mit Mahnaktionen stiegen die Einzahlungen, in anderen Jahren sanken sie. In den wirtschaftlich schwachen Jahren der Ersten Republik und die aus sozialen Überlegungen nicht der Geldentwertung angepassten Jahresbeiträge sank der Anteil der Mitgliedszahlungen rasch und lag 1939 schon bei 6,3 %, 1945 sogar bei 2,7 % aller Vereinseinnahmen.

Nach der Eröffnung des Künstlerhauskinos, das die Bilanz wieder stark veränderte, verloren die Mitgliedsbeiträge weiter an Bedeutung: 1952 bildeten sie nur noch 0,47 % der Einnahmen, 1976 lagen sie bei 0,6 %. Die Mitgliedsbeiträge, in den ersten 50 Jahren des Hausbestehens kaum verändert, stiegen auch in der Republik unverhältnismäßig langsam, ja sie waren über viele Jahre fast eingefroren. Die ordentlichen Mitglieder zahlten bis zum Ersten Weltkrieg 20 fl. jährlich; die Kunstfreunde, die damals als Teilnehmer bezeichnet wurden, zahlten das Doppelte. Später wurde es umgekehrt, die Kunstfreunde zahlten weniger, als die ordentlichen Mitglieder.

Ähnlich den Mitgliedsbeiträgen sank auch der Anteil der Verkaufsprovision, obwohl die Verkaufsabgabe einige Male hinaufgesetzt wurde. Die Ursache dieser Entwicklung lag im schwindenden Verkauf der Kunstwerke durch das Künstlerhaus – heute vermittelt die Gesellschaft überhaupt keine Verkäufe oder Aufträge mehr – und in den fallenden Preisen.

Ab 1869 behielt die Genossenschaft von Mitgliedern 2,5 % des Verkaufspreises als Provision, bei Nichtmitgliedern 5 %. Ab 1879 waren es 5 und 7,5 %. In der Hauptversammlung am 29. November 1905 wurde dieser Satz auf 6 % bei Mitgliedern und 15 % bei den aus dem Ausland kommenden Nichtmitgliedern erhöht; der Satz der Nichtmitglieder aus Österreich-Ungarn wurde mit 10 % beziffert.

Obwohl man nach dem Zerfall der Monarchie öfters über ein weiteres Hinaufsetzen dieser Abgabe sprach, führte man am 22. Jänner 1922 nur eine neue Gebühr für die bei den Jahresausstellungen als unverkäuflich bezeichnete Kunstwerke, das waren hauptsächlich Porträts, ein: bei Mitgliedern 8 %, bei Gästen 15 % des Versicherungswertes. Die als unverkäuflich bezeichneten Werke waren meist bereits nicht mehr im Besitz des Künstlers und nahmen den verkäuflichen Arbeiten nur den Platz weg; so empfand man diese Gebühr als gerecht. Die meisten Künstlerhausausstellungen waren als Verkaufsausstellungen konzipiert. Die Abgabe blieb bis zum 6. Jänner 1943 in Gebrauch, dann wurde sie abgeschafft.

Am 19. Februar 1926 erhöhte man die allgemeine Verkaufsprovision auf 17 % bei Mitgliedern und 25 % bei Fremden. Für die in der praktisch nur durch Mitglieder beschickten Ständigen Ausstellung verkauften Werke sollten es einheitlich 20 % werden; doch nachdem es zu Verrechnungsproblemen und Protesten der Mitglieder kam, ermäßigte die Hauptversammlung vom 23. November 1926 diesen Satz auch auf 17 %.

Durch den Zerfall der Monarchie hatten die Mitglieder mehr mit der wirtschaftlichen Stagnation zu kämpfen als das Künstlerhaus selbst. Die Verkaufsprovision wurde oft als schmerzlich empfunden, insbesondere, da auch der Gesamtverkauf zurückging. Trotzdem ist aus diesen Jahren kein einziger Fall einer betrügerischen Umgehung der Provision bekannt. Die Mitgliedermoral war damals immer noch sehr hoch, das Künstlerhaus diente schließlich allen, man konnte, wollte und durfte es einfach nicht betrügen.

In der Hauptversammlung am 30. März 1927 wurde die Verkaufsabgabe auf 15 % bei Mitgliedern und 20 % bei Gästen ermäßigt. In diesen Jahren der zunehmenden wirtschaftlichen Not war jedes Prozent gut. In vielen diesbezüglichen Debatten schlug man sogar eine Staffelung der Provision nach Objekt und Thema vor, ob es sich um einen spontanen Ankauf oder eine Auftragsarbeit handelt u.ä. Vor allem die Bildhauer fühlten sich benachteiligt, da ihre Materialkosten wesentlich höher lagen, als jene der Maler.

Am 22. Mai 1930 wurde die Provision neuerlich auf 12 und 15 %, gesenkt. Gleichzeitig hatte der Leitende Ausschuss zum ersten Mal in die freie Preisbildung eingegriffen: die Preise der in der Ständigen Ausstellung angebotenen Werke sollten stets mindestens um 25 % tiefer liegen, als in den Jahresausstellungen. Die Verkaufsabgabe der Bildhauerarbeiten wurde wegen der hohen Materialkosten zum ersten Mal in der Hauptversammlung vom 29. Mai 1940 begünstigt: ihre Provision sank auf 6-8 % bei Mitgliedern und 8-10 % bei Nichtmitgliedern. Die Malerprovision blieb unverändert bei 12 bzw. 15 %.

Bis zu dieser Zeit gehörten von der Provision 2 % jeweils dem Sekretariatsbeamten, der den Verkauf abgeschlossen hatte. Diese Provision wurde zur besseren Betreuung der Kunden 1870 eingeführt und blieb bis 1945 in Gebrauch. Durch Personalwechsel und auch durch abnehmende Verkäufe bedingt, hatte man auf diese 2 % nach dem Zweiten Weltkrieg vergessen. Bei der Neuregelung der Verkaufsabgabe am 8. Juli 1954 wurden die 2 % für die Angestellten gar nicht mehr erwähnt; die Provisionshöhe lag bei Mitgliedern bei 10 % (Maler) und 8 % (Bildhauer), bei Fremden 15 % (Maler) und 10 % (Bildhauer). Für alle in den Frühjahrsausstellungen als unverkäuflich bezeichneten Werke musste von nun an die gleiche Abgabe geleistet werden.

Die Hauptversammlung vom 3. Dezember 1970 hat die Verkaufsprovision der Maler auf 15 % bzw. 20 % erhöht, die der Bildhauer blieb in alter Höhe. Nach der Einführung der Mehrwertsteuer – 8 % für Kunstwerke – zahlten die Mitglieder für die im Künstlerhaus vermittelten Verkäufe: Maler 15 %, Bildhauer 10 %; fremde Maler 20 %, fremde Bildhauer 15 % vom Bruttoverkaufspreis (inkl. der MwSt.). Obwohl diese Bestimmung nie aufgehoben oder verändert wurde und so gilt sie bis heute, hat sie in der Gegenwart kaum Bedeutung mehr: das Künstlerhaus vermittelt kaum Verkäufe und sollte einmal ein Künstler in einer der doch zahlreichen Kollektionen etwas direkt verkauft haben, so schweigt er – auch aus Unkenntnis eines Provisionszwangs – darüber.1

Der nächste große Einnahmeposten, die Eintrittsgelder, zeigte erst nach 1900 eine abnehmende Tendenz. Ein Vergleich über die Besucherzahlen ist allerdings nicht möglich, da die Rekordbesuche von heute nicht der zeitgenössischen Kunst gelten und auch der Eintrittspreis anders kalkuliert wird. 1869 bildeten die Eintritte zu den Ausstellungen des Künstlerhauses 43 % aller Einnahmen der Genossenschaft, 1870 42 %, 1882 56,7 %, 1898 33 %, 1912 29 %. In der Republik setzte sich diese sinkende Tendenz noch rascher fort: 1925 lag der Eintritt bei 14 % der Einnahmen, 1926 10,8 %, 1933 7,1 %, 1937 7,8 %, 1939 4,7 %, 1946 1,8 %. Nach der Fertigstellung des Kinos sanken die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern zur rechnerischen Bedeutungslosigkeit herab: 1960 0,5 %.

Auch hier liegt die Ursache dieser Entwicklung neben der abnehmenden Besucherzahl in der immer billiger gewordenen Eintrittskarte. Der Eintritt in eine Jahresausstellung der Anfangszeit des Künstlerhauses kostete in der Regel fünfzig Kreuzer, in die Ständige Ausstellung dreißig. Aus gesellschaftspolitischen und sozialen Motiven wurden diese Eintrittspreise an Sonn- und Feiertagen auf die Hälfte, manchmal sogar auf ein Drittel herabgesetzt. Arbeiterbildungsvereine und Schulen erhielten oft überhaupt freien Eintritt. Daneben gab es auch Abonnementskarten, gültig stets für ein Jahr, um vier Gulden bzw. Familienkarten um acht Gulden.

Eine weitere bedeutende Einnahmequelle bildete der Katalogverkauf. In der folgenden Budgetübersicht ist allerdings nicht der Reingewinn ausgewiesen, sondern der Verkauf, von dem also die aufgewendeten Druckkosten abzuziehen sind. Bis 1918 waren die Kataloge stets ein Gewinn, erst dann stagnierte der Verkauf, obwohl die Verkaufspreise immer enger kalkuliert wurden. Ab den dreißiger Jahren bedeutete jede Katalogauflage schon ein Risiko, das nicht selten tatsächlich mit einem Verlust endete. Die übriggebliebenen Kataloge wurden durch Jahre hindurch zu gleichbleibenden Preisen weiterverkauft. Erst unter Präsident Hans Mayr kam es nach 1975 zu großen Abverkäufen der Restposten, obwohl man im Haus kaum Lagerprobleme hatte.

Die Kataloge der Monarchie kosteten in der Regel zwischen zehn und fünfzig Kreuzer; oft mussten sie wegen des großen Publikumsinteresses in mehreren Auflagen nachgedruckt werden. Ihr Absatz wurde allerdings durch die damals übliche Ausstellungsart die präsentierten Werke nur durch Ziffern zu bezeichnen, begünstigt – eine Praxis, die heute nur mehr die Auktionshäuser beibehalten haben. Beschreibende Legenden gab es bis zur Gründung der Republik überhaupt nicht.

Heute bilden den größten Anteil der Einnahmen die Subventionen der öffentlichen Hand, wie der Gemeinde, der Länder und des Bundes. Vor allem unter und nach Präsident Hans Mayr erreichten diese Subventionen Höhen, die man sich in der Anfangszeit des Künstlerhauses gar nicht hätte vorstellen können, obwohl schon für die erste Ausstellung, mit der das Künstlerhaus eröffnet wurde, das Unterrichtsministerium einen Kredit von 3000 fl. zur Verfügung stellte. Einen Kredit, den man zurückzahlen musste; es handelte sich also um keine echte Subvention im heutigen Sinn.

Das war eher schon die Steuerbefreiung von den “Zins-Gemeinde-Steuern” im Februar 1872 von 1014 fl. 38 Kreuzer.2 Die erste als solche klar deklarierte Staatssubvention bekam die Genossenschaft 1876 als Ersatz für die mit der Weltausstellung in Philadelphia verbundenen Ausgaben: 5077 fl; 1877 als Nachtrag noch 200 fl. Die erste Gemeindesubvention von 1000 fl., die man dann jährlich bekam, wurde 1879 überwiesen. Anstoß dazu gab die 1878 abgelaufene allgemeine Steuerfreiheit für Neubauten. Von Rechtswegen konnte das Magistrat die Genossenschaft von der Zahlung der Gemeindeabgaben nicht befreien; so kompensierte man die Steuer durch die pauschalierte Subvention.3 Diese Regelung wurde für die Genossenschaft zum Gewinn: statt der 1879 fälligen 720 fl. 25 Kr. bekam das Künstlerhaus tausend Gulden überwiesen. Allerdings verstand man unter Gemeindeabgaben nicht nur reine Steuern im heutigen Sinn, sondern auch Kostenersatz für Leistungen der Gemeinde, die man heute unter Betriebskosten verbuchen würde, wie etwa die Wasser- und Kanalgebühr.

Diese Gemeindesubvention, nach 1900 2000 Kronen, wurde regelmäßig bis 1908 überwiesen. Erst dann reduzierte man sie auf die Hälfte, bald darauf wurde sie völlig eingestellt. Nur noch einzelne Projekte wurden weiter subventioniert, nicht jedoch der ständige Hausbetrieb. Das Magistrat kam aber daneben der Genossenschaft auch noch in manchen anderen Dingen entgegen, wie z. B. am 5. Mai 1885 durch die Befreiung von “Licitacionsprocenten bei Kunstauctionen”. 1911 widmete die Gemeinde der Genossenschaft anlässlich ihres fünfzigjährigen Jubiläums tausend Kronen, sie wurden dem Pensionsfond überwiesen.

Während des Weltkriegs versiegten die Gemeindesubventionen überhaupt und setzten erst allmählich mit der Schillingwährung wieder ein: man bekam zwischen 3000 und 6000 Schilling jährlich. Die Subventionspolitik der Gemeinde wurde in diesen turbulenten Jahren um 1930 wegen der offensichtlichen Bevorzugung sozialistischer Einrichtungen zum Ziel allgemeiner öffentlicher Kritik. So erhielt z. B. 1931 der “Rote Bühnenverein” 20 000 Schilling, “Jugendheim” 36 000, “Arbeiterabstinnentenbund” 12 000 Schilling. Demgegenüber hatte die Gemeinde nur 1000 Schilling für die Wiener Philharmoniker oder 500(!) Schilling für die Renovierung der Karlskirche. Die Genossenschaft erhielt 1931 von der Gemeinde 4000 Schilling, die Secession 7000.

Während der nationalsozialistischen Jahre 1938-1945 stiegen die Subventionen sprunghaft an. Man bekam einen regelmäßigen Jahresetat von 120 000 RM vom Staat und 80 000 RM von der Gemeinde, wozu noch Einnahmen aus verschiedenen politisch motivierten Vermietungen kamen. Zum Ausgleich dafür bekam das Künstlerhaus nach 1945 von der öffentlichen Hand lange Zeit wiederum überhaupt nichts.

Erst 1950 begann das Kulturamt der Gemeinde Wien in seinen Subventionsberechnungen auch das Künstlerhaus zu berücksichtigen, vor allem durch Bemühungen des Stadtrats Hans Mandl. Diese Subventionen waren fast immer zweckgebunden; von einer Pauschalzahlung, wie in der Monarchie und im Dritten Reich üblich, konnte keine Rede mehr sein. Obwohl die Beträge langsam zunahmen, handelte es sich stets nur um einen Bruchteil dessen, was die Gemeinde an Steuern von der Gesellschaft einnahm. Die Abgaben von den Festen und dem Kino allein waren gewaltig.

Der Staat, repräsentiert durch das Unterrichtsministerium, beteiligte sich an der Subventionierung der Genossenschaft anfangs überhaupt nicht. Abgesehen von dem bereits erwähnten Kredit von 1868 bekam die Genossenschaft nur Zuschüsse oder Spesenvergütungen zu einzelnen großen Ausstellungen, sei es schon im Künstlerhaus selbst, oder im Auftrag des Ministeriums im Ausland organisierten Ausstellungsbeteiligungen. Die Genossenschaft vertrat im Ausland über vierzig Jahre lang die gesamte Künstlerschaft Österreichs. Erst nach der Entstehung der Secession und weiterer Vereine wurde ihr diese Stellung strittig gemacht; die Subventionen splitterten, die innerkünstlerischen Konflikte wuchsen.

In der Ausschusssitzung vom 14. Mai 1902 sprach sich der Bildhauer Wilhelm Seib für die Einführung ständiger Subventionen aus, also für eine größere Förderung der Kunst durch den Staat. Seib schlug auch einen Neubau des Künstlerhauses vor, dessen Räume finanziell attraktiver wären. Der damalige Vorstand – Architekt Andreas Streit – war in seiner Antwort gegen eine ständige pauschalierte Staatsubventionierung, da dadurch die Genossenschaft ihre vor allem moralische Unabhängigkeit und Selbständigkeit verlieren würde. Er meinte außerdem, dass der Kaiser ohnedies für das Künstlerhaus alles Mögliche getan hatte und noch immer viel tut und dass noch nie so viel für die bildende Kunst geschehen war wie unter der Regierung Franz Josefs. Womit er recht hatte.

Während des Ersten Weltkriegs und noch Jahre nachher erhielt das Künstlerhaus kaum staatliche Unterstützungen. Kamen später welche, so doch nur zweckgebunden für bestimmte Vorhaben. Einen Beteiligungsschlüssel zwischen der Gemeinde und dem Staat, wonach das Magistrat und das Ministerium sich zu einem bestimmten Prozentsatz die Subventionierung teilen würden, gab es nicht, obwohl man öfters von einem solchen Modell sprach.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die erste Subvention des “Staatsamtes für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung, und für Kultusangelegenheiten” angesichts der trostlosen Lage des Künstlerhauses am 29. Dezember 1945 bewilligt und am 3. Jänner 1946 überwiesen; es handelte sich um drei tausend Schilling. Ein Jahr drauf kamen weitere fünf tausend. Die Geldüberweisungen waren diesmal nicht ausschließlich zweckgebunden, sie konnten auch zur Deckung des laufenden Betriebs verwendet werden. Mitte der fünfziger Jahre hatte man mit einem relativ hohen Betrag die bauliche Sanierung des Hauses ermöglicht.

Trotz all dieser öffentlichen Subventionen, an die die “Gesellschaft bildender Künstler Wiens, Künstlerhaus” keinen Rechtsanspruch hatte, darf nicht vergessen werden, dass die gesamten steuerlichen Abgaben an den Bund und an die Gemeinde die Gesamtsumme der bewilligten Subventionen um ein vielfaches überstiegen. So fiel die Genossenschaft bzw. Gesellschaft bildender Künstler bis zur Ära Hans Mayr der öffentlichen Hand nie zur Last, ja im Gegenteil, sie brachte auch finanziell stets Gewinne:

1949 bekam das Künstlerhaus überhaupt keine Subventionen, weder vom Staat, noch von der Gemeinde, zahlte dafür aber insgesamt 578 282 Schilling an Steuern und Abgaben. 1950 bekam das Künstlerhaus 127 500 Schilling an Subventionen, zahlte gleichzeitig aber 774 143 Schilling an Steuern. 1951 bekam das Künstlerhaus 308 770 Schilling für die Ausstellungen und für die Jubiläumschronik “Das Wiener Künstlerhaus” von Rudolf Schmidt; zahlte aber 829 509 Schilling Steuer!

Erst unter Präsident Hans Mayr kam es zu einem solchen Ansteigen der Subventionen, direkt und indirekt durch Vermietungen an den Staat und die Gemeinde, dass sich die Steuern und Abgaben die Waage hielten. Das Künstlerhaus entfernte sich damals weit von einem Vereinshaus; es hatte durch seine geänderte Funktion auch einen neuen, allgemeinen Bildungsauftrag zu erfüllen. Stärker subventioniert wurden nur noch die gemeindeeigenen Unternehmungen; so bewilligte z. B. am 17. Jänner 1997 der Gemeinderatsausschuss eine jährliche Subvention zur Abdeckung der Verwaltungs- und Veranstaltungskosten der neuen, gegenüberliegenden „Kunsthalle Wien“ von 53 550 000 S; wozu noch Zuschüsse zu den Kosten einzelner Ausstellungen kamen. In der Relation zu anderen Gemeindeausgaben waren die Aufwendungen für bildende Kunst jedoch nach wie vor lächerlich gering; etwa die Reinigung der von Drogensüchtigen bevölkerten U-Bahnpassage Karlsplatz allein kostete jährlich über 15 Millionen Schilling.

Die Namensänderung der Gesellschaft am 22. Dezember 1976 ist – auf den ersten Blick etwas unverständlich – direkt mit der Subventionierung durch die öffentliche Hand verbunden. Aus der “Gesellschaft bildender Künstler Wiens” wurde damals die “Gesellschaft bildender Künstler Österreichs” – Präsident Mayr wollte neben dem Bund und der Gemeinde Wien auch die übrigen Bundesländer und Städte ansprechen. Der Ursprung dieses “Schachzugs” ist allerdings älter. Bis zum Zusammenbruch der Monarchie und der anschließenden aus politischen, sozialdemokratischen Motiven durchgeführten Trennung Wiens vom Land Niederösterreich beteiligte sich auch der Niederösterreichische Landtag an diversen Künstlerhausaktionen. Diese Quelle fiel nach der Entstehung des Bundeslandes Wien weg. Trotzdem fiel es damals noch niemandem auf bzw. man zog aus dieser Trennung jahrzehntelang keine Konsequenzen. Erst in der Ausschusssitzung am 22. Juni 1954 schlug Altpräsident Rudolf Hermann Eisenmenger die Ergänzung des Vereinsnamens in “Gesellschaft bildender Künstler Wiens und Niederösterreichs” vor, was eigentlich auch immer der Wirklichkeit entsprach. Doch dieser Name war lang, ungewohnt, und der Vorschlag Eisenmengers wurde nicht angenommen. Auf die Möglichkeit, nur “Wien” durch “Österreich” zu ersetzen, kam damals keiner der Anwesenden; vielleicht klang es ihnen auch allzu großspurig.

Eine besondere Form der Subventionierung, die kaum der Genossenschaft / Gesellschaft, sondern vor allem den einzelnen Künstlern zugutekam, waren die Staats- und Gemeindeankäufe. Am Spektakulärsten waren die Bestellungen der Plastiken für die Künstlerhausfassade.4 Eine ähnliche Funktion der öffentlichen Kunstförderung hatten auch die Medaillen- und Preisverleihungen.5 Direkt dem Künstlerhaus zugutekamen die Briefmarkenaktionen 1947 und 1948.6

In der folgenden tabellarischen Übersicht sind unter einzelnen Jahren die tatsächlich eingegangenen Zahlungen vermerkt. Manche Subventionen erstreckten sich über mehrere Jahre und wurden ratenweise gezahlt. Angeführt wurden auch Subventionen fremder Regierungen (bei Auslandsausstellungen bzw. Ausstellungen fremder Künstler im Künstlerhaus) und weiterer öffentlicher Stellen, vor allem des Landes Niederösterreich.

Die in der Übersicht angeführten Steuern betreffen stets das Ausstellungshaus allein, ohne weitere Aktionen wie Gschnasfeste, auch ohne Restaurant und Kino. Diese wurden stets separat abgerechnet. Der Reingewinn bzw. Verlust dieser Unternehmungen befindet sich in der Rubrik Einnahmen. Die steuerlichen Belastungen der Gesellschaft änderten sich im Laufe der Zeit wesentlich. Auch hier sind die tatsächlichen Zahlungen angeführt, die von den Vorschreibungen abweichen konnten. Es gab Jahre, in denen man manche Abgaben schuldig blieb und sie erst später auf einmal bezahlt hatte – wodurch natürlich kurzfristig auch die Bilanzen verschoben wurden. Die Steuern der Monarchie betrugen rund fünf Prozent der Gesamteinnahmen der Genossenschaft; darunter sind die diversen Gemeindeabgaben (Wasser, Kanal) bereits inbegriffen. Während des Ersten Weltkriegs und der anschließenden Inflationsjahre sanken die von der Genossenschaft tatsächlich bezahlten Steuern bis auf etwa 0,5 % aller Einnahmen. Nach der Einführung der Schillingwährung stiegen sie wieder, bewegten sich aber noch längere Zeit bei 3 – 4 % (1937 6,5 %, 1938 5,7 %, 1939 4,3 %). Nach dem Zweiten Weltkrieg stiegen die Abgaben auf etwa 5 – 8 %. Nicht enthalten sind in diesen optisch geringen Abgaben, wie erwähnt, die erst in der Republik eingeführten hohen Versteuerungen der Feste, des Kinos und der Gastronomie, sowie die nun getrennt berechneten Betriebskosten.

Unverhältnismäßig stark angestiegen sind die Personalkosten. Neben der natürlichen Steigerung der Löhne und Gehälter war es vor allem die Anzahl der Beschäftigten, die sich hier wiederspiegelt. Im alten Lokal des “Albrecht Dürer Vereins” auf der Laimgrube kam man noch mit zwei “Dienern” zurecht, im neuen Künstlerhaus begann man schon mit einem Sekretär, einem Kassier, einem Portier, drei Dienern, einem Tischler und einem Hausknecht. Diese acht Männer wurden durch Reinigungsfrauen ergänzt; auch die Anzahl der Sekretariatsbeamten erhöhte sich bald. 1914 beschäftigte die Genossenschaft ständig rund 15 Kräfte. Dabei wurden die meisten großen Arbeiten, wie Ausstellungsarchitektur oder Gschnasfestaufbauten, fremden Firmen übertragen. In der Zwischenkriegszeit schrumpfte die Anzahl der Beschäftigten. 1940 musste man mit zehn auskommen, trotz der damals zwei betriebenen Häuser – des Künstlerhauses und der Secession. Erst nach dem Krieg kam es wieder zum Anwachsen des Personals, vor allem nach der Eröffnung des Kinos und in allerletzter Zeit durch die stark anwachsende Ausstellungstätigkeit.7

In der Monarchie bewegten sich die Ausgaben für Löhne und Gehälter bei 15 % der Gesamteinnahmen, stiegen in der Republik auf etwa 20 % und bewegten sich knapp über dieser Höhe bis zum “Anschluss”. Die Krisenjahre 1937 mit 48 %, 1938 43 %, 1939 40 %, 1940 50 %, 1945 55 % (!) aller Einnahmen bilden Ausnahmen. In den Jahren 1941 bis 1944 bewegten sich die Personalkosten um 30 %, 1946 sanken sie auf 25 %, stiegen dann aber langsam wieder auf 30 %.

Viel interessanter ist der Vergleich der Personalkosten mit den eingezahlten Mitgliedsbeiträgen. 1867, also vor dem Bezug des Künstlerhauses, betrugen die gesamten Personalkosten 20 % der Mitgliedsbeiträge. 1869, im Künstlerhaus, machten sie schon 82 % der Beiträge aus. 1888 überschritten die Personalaufwendungen zum ersten Mal die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen, bewegten sich dann aber in dieser Höhe bis zur Jahrhundertwende. Dann allerdings begannen die Personalkosten rasch zu steigen: 1914 lag das Verhältnis bereits bei 133 %, 1920 explodierte es auf 694 % (!). 1925 und nachher machten die Löhne und Gehälter meist das Doppelte der Mitgliedsbeiträge aus; 1931 erreichten sie aber bereits das fünffache, 1942 das Achtfache, 1946 das 35fache (!). Dann besserte sich dieses Verhältnis wieder, stieg aber neuerlich in den sechziger Jahren. 1977 waren die Personalkosten 36mal höher als die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen.

Die Kanzleiausgaben, Sekretariatskosten, also Ausgaben für Papier, Drucksorten, Telefon, Post, etc. bewegten sich von Anfang an bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs um zwei Prozent der Gesamteinnahmen und stiegen erst in den letzten Jahrzehnten auf etwa 5 %, 1957 auf 7 %.

Die Ausstellungsaufbaukosten waren dagegen überhaupt nicht konstant. Es gab Jahre, in denen in die Ausstellungseinrichtung viel investiert wurde und Jahre, in denen man sparte. Ursprünglich, bis 1872, hatte man für die Ausstellungen einen separaten Fond. Die Ausstellungskomitees mussten wie eine Firma kostendeckend wirtschaften, das Haus wurde ihnen von der Genossenschaft stets nur “vermietet”. Das Risiko war hoch, die Verantwortung drückend, und so ging man 1873 von dieser Art der separaten Verrechnung ab.

Merkwürdigerweise sind in den Genossenschaftsbilanzen reine Vermietungen an fremde Künstler, Kunsthändler oder sonstige Interessenten anfangs nur schwer fassbar. Sie waren ja auch nicht so häufig. Einen Rekord brachte erst das Jahr 1873 mit eingenommenen 40 700 fl. , dies aber nur deshalb, weil der ganze erste Stock während der Weltausstellung an die Kunsthändler Miethke und Wawra vermietet worden war. Sie hatten dort das “Colossal”gemälde Hans Makarts “Venedig huldigt Catarina Cornaro” ausgestellt.

Erst in der Republik mehrten sich die Vermietungen, vor allem, nachdem Hans Ranzoni die Aufhebung der ursprünglich im Grundbuch eingetragenen beschränkenden Servitute erreicht hatte. Die Genossenschaft war gezwungen sich immer mehr nach neuen Einnahmequellen umzusehen und akzeptierte auch nichtkünstlerische Ausstellungen wie Öfen, Touristik, Zuckerbäcker. Eine Besonderheit bildeten die zwei 1970 und 1971 veranstalteten Sexmessen, die allerdings nicht so lukrativ endeten, als man sich dies anfangs vorgestellt hatte – trotz Warteschlangen beim Eingang. In den letzten Dezennien kehrte man auch bei Vermietungen wieder zur Kunst und Kultur zurück, wenn auch meist im historischen Rahmen. Die Vermietungen sind inzwischen zu den wichtigsten tragenden Säulen der Hausbudgets geworden.

Die Genossenschaft galt in der Vergangenheit und die Gesellschaft eigentlich auch noch bis vor kurzem, in den Augen fremder Künstler als eine reiche Organisation. Ja sogar noch heute kann die Gesellschaft bildender Künstler auf manche Aktiva hinweisen, wie das Künstlerhaus, den Grund, das Kino, – Werte, die keine andere Künstlervereinigung Österreichs besitzt.8 Die hauseigenen Kunstsammlungen wurden inzwischen fast zur Gänze verkauft. Dieser Reichtum gab aber in der Vergangenheit oft auch Anlass zu Neid und vielen Angriffen. Dass dieses Vermögen der Genossenschaft nicht in den Schoß gefallen war, sondern durch die Tüchtigkeit ihrer Mitglieder entstanden war, hörte man nicht mehr so gerne. Es war vor allem das Vermögen bzw. die damit verknüpfte Verpflichtung es zu erhalten, die die Künstler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammenschmelzen ließ.

Trotz dieses Reichtums befand sich die Genossenschaft bzw. Gesellschaft im Laufe ihrer Geschichte mehrmals am Rand des Untergangs. Drohten die politischen Wirren das Künstlerhaus 1919-1920, 1937-1938, 1945 von außen zu vernichten, so waren es auch mehrere wirtschaftliche Krisen, die seinen Fortbestand einige Male in Frage stellten. Daneben hatte die Genossenschaft öfters auch finanzielle Engpässe zu überwinden, die durch Optimismus und rastlose Tätigkeit der Funktionäre ohne viel Aufhebens gemeistert wurden. So war es schon 1868-1869, als man den Hausbau bezahlen musste und so war es in den wirtschaftlich schwächeren Jahren nach 1873. 1894 kam man in ernstere Schwierigkeiten, als man teurere auswärtige Ausstellungen und eine internationale Ausstellung im Künstlerhaus veranstaltete, die mit dem relativ hohen Defizit von 8000 fl. endeten. Durch Hilfe von Gönnern und Freunden konnte diese Summe damals relativ leicht hereingebracht werden. Es war vor allem Anastasia Gräfin Kielmansegg, die mehrere Sammelaktionen für das Künstlerhaus veranstaltete und auf deren Anregung die “Frauen Wiens” zum Stifter der Genossenschaft wurden.

Man hatte 1894 immerhin noch 5777 fl. bar in der Kassa. 1895 stieg dieser Kassastand, unter anderem durch die Hilfsaktionen, auf 10 890 fl. So spielte sich die Krise des Jahres 1894 mehr in den Zeitungen und Gesprächen der Mitglieder untereinander, als in der Buchhaltung selbst. Ein zur Untersuchung der Vorgänge gebildetes Komitee einigte sich an einem in der Hauptversammlung am 20. Mai 1895 vorgelesenen Gutachten, in dem die “finanzielle Gebahrung der Genossenschaft als eine sehr gute und sparsame erkannt wurde”.9 Wie man im Nachhinein sah, gingen damals die künstlich aufgeblähten Angriffe gegen den Ausschuss Hand in Hand mit persönlichen Spannungen unter den Mitgliedern, die kurz darauf in der Bildung der Secession gipfelten.

Tatsächlich ernst wurde die Lage der Genossenschaft erst durch die Inflation der Nachkriegsjahre und durch die Währungstabilisierungsmaßnahmen, während man den Krieg selbst relativ gut überstanden hatte. Nach den Verlusten durch die Errichtung des Lazaretts im Künstlerhaus traten schwere Verluste des in Wertpapieren angelegten Vermögens auf, die besonders schmerzlich wurden. Betroffen waren dadurch vor allem die Fonds und Stiftungen.

Gegen Ende des Jahres 1929 wurde die Lage auch für das Künstlerhaus selbst äußerst kritisch. Im April 1930 betrug der Kassastand nur noch 16 000 Schilling, was zur Fortführung eines geordneten Ausstellungsbetriebes kaum ausreichend war. Verursacht wurde dies neben der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage durch unnötig aufwendige Ausstellungsarchitekturen einiger Mitglieder der Ausstellungskommission, vor allem durch Clemens Holzmeister. Holzmeister, dem die unverantwortliche Überschreitung des Ausstellungsbudgets vorgeworfen wurde, trat am 13. März 1930 beleidigt aus der Genossenschaft aus. Dem Ausschuss blieben die finanziellen Probleme. Man kam durch: geholfen hat der unerwartet gute Besuch der im Sommer und Herbst 1930 laufenden Ausstellung “Buch und Raum der Gegenwart”. Trotzdem musste am 23. Oktober 1930 beschlossen werden, von nun an auf jede Neuanschaffung oder Reparatur zu verzichten. Obwohl man keine Schulden hatte, gab es auch kein Geld in der Kassa.

In der Sitzung am 13. November 1930 ist die erste ernste Hilfsaktion für das Künstlerhaus dokumentiert: Der Maler Erwin Puchinger rief alle Kollegen auf, für das kommende Gschnasfest je ein Bild zu widmen und diese Bilder anschließend als “Notopfer” zugunsten der Genossenschaft zu versteigern. Am 29. Dezember 1930 wurde im Künstlerhaus bekannt, dass das Ministerium für Unterricht der Genossenschaft ein unverzinsliches Darlehen von 20 000 Schilling mit fünf Jahre Laufzeit bewilligt hatte. Obwohl dies wirklich ein Entgegenkommen des Ministeriums war, handelte es sich um keine echte Unterstützung; man musste ja ab Dezember 1931 das ganze Geld in fünf Jahresraten wieder zurückzahlen. Dies war zwar kurzfristig eine Hilfe, auf die Dauer jedoch eine Belastung.

Im Winter und Frühjahr 1931 sanken die Genossenschaftseinnahmen weiter. Die Lage wurde zusehends bedrohlicher. Am 5. Juni 1931 wurde im Rahmen weiterer Sparmaßnahmen beschlossen, alle bisher durch die Genossenschaft bezogenen Zeitschriftenabonnements zu kündigen, die bisher wirklich goldenen Ehrenmedaillen nur noch als vergoldet zu verleihen und den Ausstellungsführern nicht mehr Kataloge, sondern nur noch Bürstenabzüge ohne Abbildungen zur Verfügung zu stellen. Der Antrag des Finanzreferenten Richard Beer, die “Genossenschafts-Effekte” zu verkaufen, wurde jedoch abgelehnt. Der Gedanke, an die Substanz des Hauses zu greifen, war dem Leitenden Ausschuss noch unerträglich.

Am 11. Juni 1931 war die Genossenschaftsbilanz bereits mit 23 000 Schilling im Minus. Am 2. Juli 1931 ermächtigte die außerordentliche Hauptversammlung den Ausschuss, den vorhandenen Reservefond anzugreifen. Am 1. Oktober 1931 wurde der Finanzreferent ermächtigt, die bisher als unantastbar geltenden Wertpapiere zu verkaufen. Daneben wurde in der Ausschusssitzung vom 27. August 1931 eine Bausteinhilfsaktion besprochen, eine Idee des Oberlandesgerichtsrates Dr. Robert Friedländer. Friedländer schlug vor, sogenannte Bausteine zur Rettung des Künstlerhauses zu verkaufen. Bei Abnahme von zehn Stück könnte der Käufer zusätzlich noch eine Graphik bekommen.

Der Gedanke fiel auf fruchtbaren Boden. Man sah in der Bausteinaktion einen möglichen Ausweg aus der trostlosen finanziellen Situation. Erwin Puchinger war in seiner Begeisterung und seinem Idealismus sogar für die Prägung von Silbermedaillen, die man als Bausteine verkaufen könnte. Die Monatsversammlung vom 23. Oktober 1931 war mit der Bausteinaktion einverstanden und beschloss sie, allerdings in bescheideneren Rahmen, durchzuführen. In der Ausschusssitzung am 26. Oktober 1931 wurden diesbezügliche Einzelheiten geklärt. Die Bausteine, ein Wertpapier, sollten unter dem Titel “Notschilling, gegeben zur Erhaltung des Künstlerhauses in Wien” ausgegeben werden. 15 tausend Stück zum Preis von je einem Schilling, zwei tausend zu zehn Schilling und 500 Stück zu 25 Schilling. Den Text der Legende sollte Erwin Puchinger bestimmen, Größe, Papierart und Druck sollten Leopold Hauer und Igo Pötsch auswählen. Die vorher zu versendenden Bittbriefe sollte Präsident Hans Ranzoni entwerfen. Bei Abnahme von zehn Bausteinen sollte der Käufer eine von Igo Pötsch zu schaffende Lithographie erhalten, bei Abnahme von 25 Stück eine Plakette von Rudolf Schmidt, Text: “Denkmünze zur Erhaltung des Künstlerhauses in Wien, 1932″.

Die Bausteinaktion war nach diesem Programm recht bescheiden geplant, der Verkauf aller Bausteine konnte ja maximal 47 250 Schilling bringen. Trotzdem zeigte sich bald, dass auch diese bescheidenen Erwartungen zu hoch gegriffen waren. Bis zum 31. Oktober 1932, also nach einem Jahr der laufenden Aktion, gingen der Genossenschaft nur 7267 Schilling zu; ein guter Rest der Schmid’schen Medaillen blieb im Künstlerhaus liegen.

Nur durch äußerste Sparmaßnahmen, Personalabbau und Lohnkürzungen konnte die Genossenschaft gerettet werden, wenn auch die finanzielle Situation noch über mehrere Jahre, bis zum “Anschluss” 1938, angespannt blieb. Vor allem die Personalkosten wurden sukzessive verringert; 1935 betrugen sie nur noch 54 % der Kosten des Jahres 1931. Abgesehen vom Personalabbau mussten auch die Löhne und Gehälter der im Haus verbliebenen Angestellten gekürzt werden. Einige Male wurden sie sogar in Raten ausbezahlt, da es kein Bargeld in der Kassa gab.

Nach dem “Anschluss” mussten die Vermögenswerte der Genossenschaft und aller ihrer Fonds auf Grund einer Anordnung des Gauleiters Josef Bürckel vom 29. März 1938 – unter gleichzeitiger Aufhebung des Verfügungsrechtes – angemeldet werden. Mit Erlass des Stillhaltekommissärs für Vereine vom 19. Mai 1938 wurden die Genossenschaft und mit Erlass vom 5. Jänner 1939 auch ihr Fondsvermögen freigestellt. Gleichzeitig wurde die Genossenschaft aber mit einer Abgabegebühr von 18 149 RM belastet. Alle dagegen erhobenen Einsprüche blieben anfangs erfolglos, erst Gauleiter Bürckel selbst konnte eine Herabsetzung der Abgabe auf 1500 RM durchsetzen.

Da auch die Einlösung der Wertpapiere mit Verlusten verbunden war, schlug Finanzreferent Rudolf Zyka vor, alle Fonds zusammenzulegen, zu verkaufen und dafür ein Zinshaus zu erwerben. Sein Vorschlag wurde in der Hauptversammlung am 7. Juni 1939 angenommen. Dass das Haus schließlich doch nicht gekauft wurde, lag wahrscheinlich daran, weil so schnell kein geeignetes Objekt gefunden wurde und dann durch den weiteren Kriegsverlauf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bankguthaben der Gesellschaft am 22. Dezember 1945 zu 60 % gesperrt. Die folgenden Währungsmaßnahmen brachten der Gesellschaft laut Bilanz von 1947 einen Verlust von 52 000 öS. Dass das Künstlerhaus damals nicht zugrunde ging, ist nur der maßlosen Opferwilligkeit und dem Überlebenswillen der damaligen Mitgliedergeneration zuzuschreiben. Man war bescheiden und arbeitete für das Haus, nicht nur für sich. Finanziell viel geholfen haben zwei Briefmarkenaktionen: aus Anlass der Ersten österreichischen Kunstaustellung 1947 und des 80jährigen Hausjubiläums 1948. Nach der Kinoeröffnung und Rückzahlung der Kredite besserte sich die Situation und ab Mitte der fünfziger Jahre konnte man auch schon mit größeren staatlichen Subventionen rechnen. Trotzdem gab es auch später noch manche Verlustjahre.

1975, 1976 und 1977 wurden diese Verluste durch eine gesteigerte, jedoch nicht abgesicherte Aktivität des Präsidenten Hans Mayr so hoch, dass sie am 28. Juli 1977 zur Anmeldung eines Ausgleichs führten. Präsident Hans Mayr wurde im November 1977 vor den Ehrenrat gestellt, der ihn aber weitgehend freisprach und ihm nur einen Verweis erteilte.

In den folgenden Monaten und Jahren langwieriger Verhandlungen mit dem Bund und der Gemeinde gelang es Hans Mayr hohe Subventionszusagen zu erhalten. Gleichzeitig kamen ins Künstlerhaus diverse neue Untermieter: das Büro der Viennale und die NÖ-Art Galerie. Eine größere Rolle bei der Sanierung der Gesellschaft spielte auch das eigene Grundstück 1290/2, das die Gemeinde nach dem U-Bahnbau in die allgemein zugängliche Fußgängerzone vor dem Musikverein integrierte. Die Gesellschaft überließ dieses Grundstück der Gemeinde gegen eine Subventionszusage.

Am 13. April 1978 wurde das Künstlerhaus unter Denkmalschutz gestellt. Das Verfahren wurde ursprünglich hauptsächlich aus Angst vor Verkäufen aus der hauseigenen Kunstsammlung – über deren Größe und Qualität sich man jedoch allgemein ganz falsche Vorstellungen machte – eingeleitet. Schließlich wurde nur das Gebäude allein, ohne Inventar, unter Denkmalschutz gestellt. So konnte Präsident Hans Mayr später doch den Großteil der Kunstsammlungen verkaufen, auch die mit der Hausgeschichte verknüpften Stifterbildnisse und ein Deckengemälde von Hans Makart.10

Es war aber unbestritten die öffentliche Hand, die 1977 das Künstlerhaus durch außerordentliche Subventionen und Mietenvorauszahlungen für kommende Großveranstaltungen rettete. Die Gläubiger konnten wählen, ob sie ihre Forderungen (4,5 Millionen) zu 100 % in zwanzig Monatsraten, beginnend vier Monate nach Annahme des Ausgleichs, oder zu 75 % bis zum 31. Mai 1978 in bar beglichen haben wollten. Dem Ausgleichsverwalter Dr. Sigmund Kleifel, der auf sein Honorar zugunsten der Gesellschaft verzichtete, wurde zum Dank durch Präsident Mayr ein großes Alpenpanoramagemälde von Adolf Obermüllner übergeben, die seinerzeitige Widmung des Künstlervereins Hesperus.

In den folgenden Jahren änderte sich notgedrungen die Einnahmestruktur des Hauses grundlegend. Statt wie bisher vor allem hauseigene Mitglieder in großen Ausstellungen sowie zeitgenössische Kunst überhaupt zu präsentieren, wurde das Künstlerhaus nun für die meiste Zeit im Jahr vermietet, trotz steigender Subventionen der öffentlichen Hand und der doch beachtenswerten Zunahme von Sponsoren. 1996 gelang es dem Geschäftsführer Dr. Meissner mit dem Unterrichtsministerium einen Vertrag auf sechs Monate jährlicher Mietdauer abzuschließen; in diesen sechs Monaten wurden große historische Ausstellungen präsentiert, 1997 als erste das “Land der Bibel” des Staates Israel.

Der Ausgleich von 1977 und die damals gleichzeitig begonnenen Verhandlungen mit dem Schokoladefabrikanten Peter Ludwig-Aachen bedeuteten eine Wende in der österreichischen Subventionspolitik. Das Pendel schlug bald in eine andere Richtung aus: seit damals wurde aus öffentlichen Mitteln in die bildende Kunst so viel investiert, wie nie zuvor. Ein Extrem ersetzte das andere. Bald wurden sogar äußerst fragwürdige Projekte unter dem Titel “Kunst” finanziert, die früher überhaupt nie eine Chance auf Verwirklichung gehabt hätten.

Die Subventionspolitik, Sponsorenzuschüsse und radikal veränderte Abrechungsformen – nicht zuletzt auch durch den Einsatz von PC – machen eine jährliche übersichtliche Bilanzierung in Büchern, wie es früher im Künstlerhaus Sitte war, kaum möglich, die Finanzflüsse wurden undurchsichtig. Der 1996 mit dem Unterrichtsministerium auf fünf Jahre abgeschlossene Mietvertrag lief Anfang 2002 aus. Das Künstlerhaus wurde wieder mit finanziellen Problemen konfrontiert. Problemen, die den Ausschüssen der Vergangenheit vertraut, dem verwöhnten Management von heute aber unbekannt waren. Das Management der Jahre nach 1996 war nur im Stande nach Hilfe der öffentlichen Hand zu rufen, obwohl gerade in dieser Zeit des allgemeinen Wohlstands das Künstlerhaus gewaltige Gemeindesubventionen bekam. Damals wurde das Künstlerhaus sogar für Monate zugesperrt. Seitdem stabilisierte sich die Lage unter einer neuen Leitung.

nach oben