Das Künstlerhaus und die Presse

Journalisten und die Medien waren für das Künstlerhaus immer von großer Bedeutung. Wie sich jedoch die Genossenschaft / Gesellschaft entwickelte, änderte sich auch die Berichterstattung über sie. Von einer ursprünglich rein beschreibenden Informationsquelle, die den Kunstliebhaber und den Künstler belehren wollte, wurde sie zum Propagandamedium, zum Werbeträger und zum Meinungsmacher. War in den Anfangsjahren der Genossenschaft die gesamte, hauptsächlich berichtende und sachliche Kunstkritik, trotz manchem, auch schon damals aufkommenden Sarkasmus meist gerecht, so wurde sie um 1900 im Zusammenhang mit der Secessionsbildung radikal, politisch und emotionell gefärbt, oft ungerecht, falsch und persönlich diffamierend; gleichzeitig auch oberflächlicher.

Die neue Kunst aber forderte eine neue Kunstkritik; das Kunstverständnis der Bevölkerung konnte mit der raschen Entwicklung nicht mehr Schritt halten, das Publikum brauchte den Kunstkritiker nicht mehr nur als Vermittler, sondern vor allem als Dolmetsch. Die fortschrittliche Kritik, wie sie von Bahr, Hevesi oder Zuckerkandl verstanden wurde, sah ihre Aufgabe darin, den Abstand zwischen Künstler und Publikum abzubauen, einen aktiven Kontakt herzustellen. “An uns ist es, den Laien für die Künstler zu erziehen”, schrieb Hermann Bahr anlässlich der ersten Ausstellung der Secession (1898), und sah seine Tätigkeit als Prozess der Geschmacksbildung, der Erziehung. Damit wurde die Kunstkritik unversehens (und manchmal sogar unverhohlen) zur Propaganda; die Kritiker nahmen Partei. [Anm.]

Diese Tendenz der bewussten Propaganda oder auch unbewusster Angriffskritik gegen das Künstlerhaus gipfelte weiter in den ersten Jahren nach dem Zerfall der Monarchie, nahm in den dreißiger Jahren ab und erreichte einen neuen Gipfel wieder um 1950. Erst in den letzten Jahren trat auch hier eine gewisse Beruhigung ein.2

Die Entstehung der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens und der Bau des Künstlerhauses 1865-1868 rief naturgemäß großes Interesse der Presse hervor, die über diese Ereignisse weit und breit äußerst wohlwollend berichtete. Die bildende Kunst wurde damals in der breiten Öffentlichkeit aller Bildungsschichten viel mehr beachtet und anerkannt, als es heute der Fall ist. Das beweisen nicht nur die lapidarischen Eintragungen in den Kassabüchern der Genossenschaft, sondern auch die oft weitschweifende Kunstkritik in den Zeitungen und Zeitschriften. Bei der Eröffnung des Künstlerhauses im Spätsommer 1868 feierte nicht nur die ganze Stadt Wien mit, die darin durch die Presse stark unterstützt wurde, sondern man war auch in Österreich, Deutschland und der deutschsprachigen Schweiz sehr interessiert.

Natürlich gab es auch schon damals manch kritische, ja sarkastische Stimme, wie die des charakteristischen, bissigen Journalisten Daniel Spitzer, doch sie prangerten die einzelnen Übelstände korrekt, nie pauschalierend an. Gerade Daniel Spitzer zeigte, wie witzig und erfrischend solche Kritik auch sein konnte, trotz aller Schärfe stets mit Niveau.

Schon das Eröffnungsfest des Künstlerhauses war Daniel Spitzer einige bissige Bemerkungen wert. Wirklich unzufrieden war er allerdings nur mit dem Festbankett:

Mir graut, wenn ich mich an das Bankett erinnere, welches der Gemeinderath der Stadt Wien in dieser Woche den deutschen Künstlern gegeben hat! Ein grauer Himmel weinte über den Lokalitäten der k.k. Gartenbau-Gesellschaft. Ich trat mit den kühnsten Erwartungen ein, denn schlechtes Wetter ist ja der schönste Hintergrund für ein Bankett. Sah ich doch in eine ideale Landschaft hinein, in der gebratene Rebhühner flogen, Goldorangen in dunklen Rehschlegeln glühten, gesottene Schille in holländischen Saucen plätscherten, und gemästete Fasane über Kompothügel dahinzogen. Wie bald wurde ich enttäuscht, als ich zu den Tischen trat, und die öden Stilleben darauf sah, die hier melancholisch ihrer Dessertentpuppung harrten. Ach, diese müden, im Dienste ergrauten Chocoladekrapfen!

Das Fest begann, denn das Orchester stimmte Wagner’s Tannhäuser-Ouverture an. Eine schöne Zukunft, dachte ich, zu der ihr hier Musik macht! Da sah ich plötzlich vor mir den Teller gefüllt, ein rauher Septemberwind hatte herbstlich dürres Laub in meine Suppe gestreut – in der Menusprache wurde das Juliensuppe genannt.

Nach der Suppe trat eine lange Pause ein, die ein Maler mir gegenüber dazu benützte, eine historische Skizze aus der Zeit des Abfalls der Niederlande zu entwerfen. Namentlich Egmont war zum Sprechen getroffen, allerdings aber hatte der Künstler hinlänglich Muße zur Aufführung desselben gehabt. Man sah, daß Egmont sein trauriges Los ahnte, – da wurde Gänseleber herumgereicht, eine oberflächlich hingekleckste Skizze der Leber einer asketischen Gans. Sie schmeckte nach Kolophonium, was mich aber nicht wunderte, denn der Sherry, welchen ein Kellner mit malitiösem Lächeln dazu einschenkte, war reiner Theatersherry, Sherry für die vierte Galerie, Zuckerwasser für die Eingeweihten.

Wieder trat eine unheimliche Pause ein. Ich fragte meinen Nachbarn, um ihn zu trösten, ob er “Ugolino” gelesen habe, und erzählte ihm, daß ich eine Geschichte wisse, deren Held durch vierzehn Tage nichts zu sich genommen hatte, und doch nicht verhungert war. Mein armer Freund dankte mir mit einem matten Lächeln für meinen guten Willen. Ich rief nach einem Kellner, mit einem “ich bitte gleich” entzog er sich auf eine halbe Stunde meiner Gesellschaft. Da erschien endlich, und das Orchester fiel dazu mit heiteren Tanzweisen ein, das so lange verloren geglaubte Roastbeef. Roastbeef? Erbärmliche Menulüge! Die Sprache des Menu ist wahrhaftig dazu da, um die Speisen zu verbergen. Ich habe noch nie einen Ochsen mit so unzureichenden Fleischmitteln ein Roastbeef spielen gesehen.

Neuerdings trat die mehrfach erwähnte beängstigend lange Pause ein. Doch ich male zu schwarz, diesmal nicht beängstigend, die Zeit ließ ja über die traurige kulinarische Vergangenheit Gras wachsen, welches auch wirklich mit Croquettes als Auflage aufgetragen wurde. Ich stützte das Haupt in die Hand, und horchte den Klängen der Gounod’schen Musik. Das waren die bekannten Weisen aus Romeo und Julie. Der Mond geht auf, aus den Büschen klingen berauschende Liebeslieder, über den Balkon neigt sich die schöne Julie, und unten harrt Romeo. Die Liebenden plaudern zu lange. War das die Lerche oder die Nachtigall? Nein, es ist ein ganz elender Kapaun, der mich aus meinen Träumen weckt!

Wieder verschwinden die Kellner von dem weiten Plan, an dem Ministertische wird es lebendig, die erduldeten Entbehrungen haben den Mannesmuth des Herrn Bürgermeisters nicht zu brechen vermocht, und mit lächelndem Gesichte bringt er einen Toast der deutschen Kunst. Nach ihm spricht Se. Excellenz der Herr Unterrichtsminister Hasner, und er bemerkt, daß die Kunst mit der Politik nichts zu schaffen habe. Es wurde stürmisch Beifall geklatscht, aber dennoch gab sich eine allgemeine Enttäuschung kund. Man hatte die beruhigende Versicherung erwartet, daß die Kunst mit dem Essen nichts zu schaffen habe! [Anm.]

Soweit Daniel Spitzer von den Festlichkeiten zur Eröffnung des Künstlerhauses im September 1868. Von Anfang an wurden die Journalisten über alle größeren oder bedeutenderen Aktionen der Genossenschaft rechtzeitig informiert, sie wurden zu allen Ausstellungseröffnungen eingeladen, zu allen Festen und zu allen Hauptversammlungen. Nicht selten lud man sie auch zu engeren Zusammenkünften ein, über deren Verlauf die Öffentlichkeit informiert werden sollte. Wurde solche Versammlung dann nur für die Mitglieder bestimmt, erklärte man sie für vertraulich und die Journalisten verliessen den Saal. Bei allen Versammlungen wurde ihnen ein besonderer Tisch zur Verfügung gestellt, auf dem sie sich ihre Notizen machen konnten. Zur Protokollierung wichtiger Hauptversammlungen wurden geschulte Berufstenographen angestellt, etwa aus dem Parlament.

Im Laufe der Zeit änderte sich die Behandlung der Ausstellungskritiker, ebenso ihre Art zu schreiben. Manchmal konnten sie schon während des Aufbaus die Säle betreten, dann wieder wurden sie erst zur fertigen Ausstellung geladen. Einige kamen zur festlichen Eröffnung, die meist der Kaiser vornahm, einige wiederholten ihren Besuch noch später und brachten darüber seitenlange Zeitungsberichte. Erst um die Jahrhundertwende entstand die Praxis besonderer Pressekonferenzen kurz vor der festlichen Eröffnung.

Grundsätzlich informiert wurde die Presse nur durch den Ausschuss, den Vorstand und den Sekretär. Einzelne Künstler wurden nur zu ihren eigenen Werken befragt, doch das war eher selten der Fall. In überwiegender Mehrheit war die Kunstkritik berichtend, wenn auch subjektiv und mit persönlichen Stellungsnahmen. Die Genossenschaft als Institution wurde in den ersten Dezennien kaum angegriffen, die Presse stand ihr wohlwollend gegenüber.

Das zeigte sich während der Konfliktsituationen, die sich unter Künstler immer wieder ergaben, so z. B. in den achtziger Jahren bei der Entstehung des “Salons der Zurückgewiesenen”.4 Erst in der Zeit der Secession kam es zum ersten Mal zur Spaltung der Kunstkritiker in zwei Lager und zu pauschalen, ungeprüften Anschuldigungen der gesamten Genossenschaft – nicht wie bisher üblich eines namentlich bekannten, bestimmten Funktionärs oder Komitees.

Natürlich gab es auch davor Kritik einzelner Werke oder der Tätigkeit einzelner Kommissionen, manchmal auch recht bissige. Sehr oft prangerte man auch das unerschöpfliche Thema der allgemeinen Ungunst der Zeit, die katastrophalen Kunstzustände der jeweiligen Gegenwart an. Eine ernstzunehmende historische Quelle sind solche Äußerungen kaum.

Fast zu jeder Ausstellung waren pro und contra Kritiken erschienen, so wie sie der persönlichen Meinung jedes einzelnen Kritikers entsprachen. Doch alle Journalisten urteilten in der Regel nach ihrem bestem Wissen und Gewissen. Dass man heute über manche Kritiken anderer Meinung ist, so etwa bei der Beurteilung der Werke Feuerbachs oder Romakos, liegt nur in der Subjektivität der Anschauung; des persönlichen, durch die Zeitmode beeinflussten künstlerischen Empfindens.

Anton Romako wurde von seinen Kollegen und auch von vielen Kunstsammlern bereits damals hoch geschätzt. Trotzdem schrieb der uns heute völlig unbekannte Kritiker Isidor Krsnjavi anlässlich der 12. Jahresausstellung 1881: “Romako’s unglückliche Experimente haben mehr pathologisches Interesse als Kunstwert.”5 Romako war in der damaligen Ausstellung mit den Gemälden “Viktoria”, “Scharf geladen” und “Die Jungfrau von Orleans besiegt die Engländer” vertreten. Wie bekannt ist, war unter den Käufern und Besitzern Romakos Bilder auch Kaiser Franz Josef!

Bis zum Ende der Monarchie war die Kunstkritik bzw. die Berichterstattung der Tageszeitungen für unsere Begriffe besonders umfangreich. Artikel und Feuilletons über die Jahresausstellungen sind in der Regel in Fortsetzungen über mehrere Nummern erschienen. Man schrieb über jedes wichtigere Kunstwerk. Auch da erlaubte sich Daniel Spitzer einige Seitenhiebe. Hier ein Beispiel aus “Eine Minute im Salon” vom 18. April 1869:

Ich habe nur einen flüchtigen Spaziergang durch die Räume des Künstlerhauses gemacht, aber doch Gelegenheit gefunden, einige interessante Compositionen zu bewundern: blaue Gesichter und abgehärmte Himmel, blutige Sonnenuntergänge und harmlose Schlachten, erbitterte Kämpfe zwischen den Studienköpfen und den Thierstücken um den Vorrang rücksichtlich der Intelligenz des Gesichtsausdruckes, Damen, die eine hochgradige Gelbsucht als den geeignetsten Moment, sich porträtieren lassen, abgewartet haben, historische Charaktere, welche brütend in ein Caminfeuer schauen, um ihre rothe Nase zu entschuldigen, in Nachdenken versunkenes Obst, und von Weltschmerz angekränkelte Zimmer-Einrichtungen usf., usf.

Nr. 3: Die Kraniche des Ibykus. Der bekannte Götterfreund Ibykus hat bei der Eile, mit welcher er nach der korinthischen Landenge sich begab, um noch einen Platz zum Kampf der Wagen und Gesänge zu erhalten, vergessen, Wäsche anzulegen, und wird in diesem Zustande von zwei Mördern erschlagen. Der Hautfarbe nach zu schließen, dürften Ibykus stets im Schatten gesungen und die beiden Uebelthäter stets im stärksten Sonnenbrande gemordet haben.6

Nr. 34: Die Pforte einer Moschee, vor welcher die abgeschlagenen Köpfe einiger Beys liegen. In den gesitteten Staaten hat man nicht Gelegenheit, die Köpfe von Staatsmännern ohne jedes störende Beiwerk zu studiren. 7

Nr. 43: Ein Hinterhalt zur Zeit Heinrich III. von Frankreich. Besondere Beachtung verdient die zarte Gestalt zur Rechten. Eine Dame hat offenbar Männerkleider angelegt, um den fortgesetzten Sticheleien über ihren ziemlich entwickelten Schnurrbart zu entgehen.8

Nr. 53: Lieber sterben. Eine Dame im Negligée nimmt den Anlauf, aus dem Fenster zu springen aus Furcht vor den ins Zimmer dringenden feindlichen Kriegern. Weibliche Unüberlegtheit! Die Lucretia brauchte nur Licht zu machen, um vor jedem Angriff auf ihre Tugend sicher zu sein. 9

Nr. 60: Leda. Eine Dame, welche, dem Stückchen feiner Wäsche nach zu schließen, das sich auf dem Schauplatze befindet, den besseren Ständen anzugehören scheint, erwartet einen auf sie zueilenden Schwan. Ich glaube, daß der Schwan sich diesmal nicht als Jupiter, sondern als Husaren-Rittmeister entpuppen wird. 10

Nr. 102: Porträt eines Hof- und Gerichts-Advocaten.11 Trotz der Freigebung der Advocatur scheint diese ihren Mann noch immer gut zu nähren.12

Vor solchen Satiren wurden auch die prominentesten Künstler nicht verschont, wie etwa Anselm Feuerbach im Künstlerhaus am 8. Februar 1874. Das folgende Zitat zeigt aber auch, wie eingehend man sich damals mit einem einzigen Kunstwerk beschäftigte, wie viel Zeit man bereit war, seiner Betrachtung zu widmen:

Die Amazonenschlacht Feuerbachs13 erregt dort noch immer Aufsehen. Ich habe nie daran geglaubt, daß die alten Amazonen ihren Namen daher haben, weil sie ihren schönen Busen verstümmelten, um den Bogen besser spannen zu können, denn es schien mir unwahrscheinlich, daß die Damen, die doch den Chignon und den Cul de Paris erfunden und der Natur auch auf anderen Gebieten durch Kautschuk nachzuhelfen verstanden haben, einstens in das entgegensetzte Extrem verfallen sein sollten. Viel lieber habe ich mich jener Ansicht angeschlossen, nach welcher Amazone aus dem Tscherkessischen maza, Mond, käme, denn daß es Damen gibt, die mondsüchtig sind, ist leider nur zu wahr; daß es aber Damen gibt, welche die Sucht haben, ihren Busen loszuwerden, wird auch der erbitterste Feind des weiblichen Geschlechtes nicht behaupten wollen. Auch Feuerbach tritt für den vollen Busen der Amazonen ein, doch hat der besorgte Meister ihn bei der Mehrzahl der Kriegerinnen, die er uns vorführt, so geschickt situirt, daß er den Besitzerinnen unmöglich mehr beim Spannen des Bogens hinderlich zu sein vermag.

Das Wetter ist düster, und man sieht es dem Himmel an, daß es bald Chocolade regnen wird. Wahrscheinlich hat es sogar schon geregnet, denn die armen Amazonen sind so schmutzigbraun, daß sie bis auf die Haut naß geworden zu sein scheinen. Das Meer jedoch ist ein Philosoph, es nimmt von dem chocoladefarbigen Himmel keine Notiz und ist in seliger Erinnerung an den gestrigen blauen Himmel von einer rührenden Bläue. Weder die Krieger noch die Amazonen geben einen Laut von sich, keiner öffnet den Mund – so habe ich mir in meinen Träumen immer eine Schlacht in einem Taubstummen-Institut vorgestellt. Aber es geht deshalb doch sehr heiß her, da wird Mann an Weib gerungen und selbst die Linien sind im hitzigsten Handgemenge. Die nackte Frau im Hintergrunde hätte auch besser daran gethan, einen Amazonen-Arzt zu fragen, ob das Getümmel einer Schlacht für ihren Zustand nicht bedenklich sein werde. Da liegt sie nun, und ich fürchte, die allgemeine Stille wird bald durch ein kleines Geschrei unterbrochen werden. Der schlaue Mohr hinter ihr benützt die hilflose Lage der Unglücklichen zu einer gewissenhaften Prüfung, ob sie einen Chignon trage oder ihr eigenes Haar. Wer wird auch Galanterie gegen Damen bei einem Mohren suchen? Musterhaft benimmt sich in dieser Beziehung der Krieger im linken Vordergrunde, welcher das Pferd gefaßt hat. Er wartet in der gewinnendsten Weise ab, daß die Dame, die mit der Streitaxt gegen ihn ausgeholt hat, ihn zuerst niederschlage. Dieser Krieger wird, wenn er in einem Tramwaywagen Platz genommen hat, gewiß nicht dulden, daß eine Dame stehe, sondern ihr sofort seinen Sitz anbieten.

Im Hintergrunde rechts hat eine Amazone ein Pferd Fernkorn’scher Race bestiegen. Es bleibt auf den beiden Hinterfüßen stehen und schnaubt dabei fürchterlich. Ob Roß und Reiterin mit Oel gemalt sind oder mit Karlsbader Sprudel, wage ich nicht zu entscheiden. Die Amazone auf derselben Seite vorne scheint fürchterliche Schmerzen auszustehen. Es geschieht ihr aber ganz recht. Welche vernünftige Frau wird sich auch bei so rauhem Wetter ganz entkleidet auf die kalten Steine setzen, namentlich wenn sie in so vorgerückten Jahren und so hinfällig ist! Von den drei nackten Amazonen ganz vorne ist die auf der äußersten Linken zwar ganz ehrenhaft, aber höchst scandalös gefallen. Sie trägt ihre Wunde auf der Brust und eine solche ehrt die Kriegerin, aber sie schlägt dabei einen Purzelbaum und – doch ich habe schon so viel geschrieben und will nicht noch eine Abhandlung über weibliche Purzelbäume zum Besten geben. [Anm.]

Im März 1873 besuchte Spitzer das Künstlerhaus, um sich über die zur Weltausstellung angemeldeten Kunstwerke zu informieren. Dort sah er einen “Nero” von Gustav Wertheimer, dem er in seinem Artikel vom 23. März 1873 mehrere Absätze widmete – der aber von der Jury nicht angenommen worden war und demzufolge damals auch nicht ausgestellt wurde. Das im Feuilleton erwähnte Bild von Hans Makart war unter der Einsendung der Kunsthändler Miethke und Wawra, die für die Dauer der Weltausstellung den gesamten ersten Stock des Künstlerhauses gemietet hatten:15

Im Künstlerhause hat Herr Wertheimer einen “Nero” ausgestellt, welcher “inmitten eines bacchantischen Gelages” angeblich den Brand Trojas besingt. Der Wütherich zeigt ein verschwollenes Gesicht und hat sich wahrscheinlich aus diesem Anlasse einige Tage nicht rasiren lassen. Es ist wahr, das Ungeheuer sieht scheußlich aus, aber die nackte Blondine hat deshalb keinen Grund, ihm so demonstrativ den Rücken zuzukehren. Wenn man selber solche Beine hat, sollte man die Schwächen Anderer etwas nachsichtiger beurtheilen. Obwohl die Dame splitternackt ist, ist sie doch tadellos frisirt, so daß wir leicht errathen, sie beabsichtige, nach dem Concert auf den Ball zu gehen. Ein Tiger von einer leider nicht mehr existirenden Spielart streckt sich etwas abseits. Der Arme hat wahrscheinlich aus Versehen Roßhaare gefressen, denn es sieht zum Sprechen ausgestopft aus. Ein ziemlich neugebornes Kind – wir werden wohl keinen groben Fehler begehen, wenn wir trotz der Jugend desselben annehmen, es sei todt – vermittelt den Uebergang vom Tiger zu einem ältern Manne, der weiter unten kauert. Er dürfte, dem Aussehen nach zu schließen, vor Kurzem verschüttet und aus dem Schutte wieder ausgegraben worden sein. Der Mann scheint überhaupt Pech zu haben, denn trügen uns nicht alle Anzeichen, so muß derselbe erst neulich eine große Hungersnoth überstanden haben. Und auf dieses Bild menschlicher Hinfälligkeit, das sich selbst kaum weiter zu schleppen vermag, stützt sich ein nackter, aber häßlicher Knabe – vermuthlich eine Bekanntschaft aus dem Spital. Ob der Alte ein Wollüstling ist oder bloß ein Pädagoge, vermögen wir nicht zu entscheiden. Auch dürfen die Ansichten über den länglichen, dünnen Gegenstand, den derselbe in der Hand hält, weit auseinander gehen. Wir schließen uns nicht der Bleistift-Partei, sondern Jenen an, welche das Streitobject für eine halbgerauchte Virginier-Cigarre halten. Auf dem Boden liegen mit vornehmer Nachlässigkeit ein abgestandener Fisch und mehrere ältere Melonen – für ein Bacchanal ein sehr bescheidenes Menu! Schreiten wir nun über einen Kopf und eine Hand, da wir nicht wissen, ob sie zu den daneben liegenden Beinen gehören, ohne weitere Bemerkung nach links. Himmel, was ist denn das? Wenn sonst nirgends, so trifft man doch gewiß auf so einem neuen Oelgemälde immer wieder die alten Bekannten. Da ist ja die gute liebe “Pest in Florenz” von Makart auf einem Fleck beisammen. Die Entfernung zwischen Florenz und Rom ist nicht groß, und bei so lustigen Bacchanten jagt ein Scherz den andern. Kaum ist das Bacchanale in Florenz vorüber, so packen sie ihre sieben Todsünden zusammen und machen eine Spritzfahrt nach Rom, um hier das Bacchanale nicht zu versäumen. Seid uns Alle recht herzlich willkommen! Aber die nackte Frau mit dem rothen Haar ist alt geworden. Was liegt endlich daran? Ihrem Anbeter gefällt sie trotzdem, sonst würde er sich wahrscheinlich nicht so unanständig gegen sie betragen. Und die rückwärts schnäbeln in gewohnter Weise wie die Tauben. Auch ist der Täuberich kurzsichtig wie früher und sucht den Schnabel der Täubin noch immer weiß Gott wo? Wenn übrigens nicht ein geharnischter und behelmter Krieger aus einem Becher ein bischen trinken würde, könnte man bei dem Bacchanale verschmachten. Der arme Teufel hält noch einen Reserve-Becher in der Linken, er scheint sich ein bacchantisches Gelage etwas splendider vorgestellt zu haben. Zu bemerken wäre schließlich, daß die beiden Becher, sowie Schild und Helm aus demselben Metall sind und also zu einer Garnitur gehören. [Anm.]

Man konnte Spitzer für seine Übertreibungen nicht lange böse sein. So lebten die Künstler mit den sie kritisierenden Journalisten jahrzehntelang mehr oder minder in Eintracht, nicht selten auch in echter persönlicher Freundschaft. Man war für ihre Berichte und Kritiken dankbar und die Genossenschaft dankte ihnen in allen Jahresberichten. Es gab kaum unlösbare Konflikte zwischen ihnen.

Das änderte sich erst mit der Entstehung der Secession in den letzten Jahren vor der Jahrhundertwende. Mit der Künstlerschaft spaltete sich auch die Presse. Zur Secession gingen damals gerade die schlagkräftigsten Journalisten über und sie wurden satirisch, ja persönlich boshaft. Sie waren es, die an dem bisher kaum angetasteten Image der Genossenschaft zu kratzen begannen und die Genossenschaft wurde bald zum Ziel schwerer, emotionell geladener Angriffe. Die Künstler der Secession waren sich der Macht der Tagespresse sehr wohl bewusst und konnten sie geschickt für sich ausnützen. Vor allem Franz Servaes, Bertha Zuckerkandl,17 Ludwig Hevesi, Richard Muther und Hermann Bahr wurden plötzlich zu den größten Gegnern des Künstlerhauses. Sie taten der bildenden Kunst und den Künstlern nichts Gutes.

Wie wir heute, im Abstand von einem Jahrhundert an Hand verlässlicher Quellen beurteilen können, waren die meisten ihrer Attacken ungerecht; gefördert wurden sie durch falsche Information, Missverständnisse, und vor allem durch Unkenntnis der tatsächlichen Rolle, der Ziele und des Wirkens der Genossenschaft. Die Secession war keine gesunde Konkurrenz mit gleichen Zielen; sie leitete in der breiten öffentlichen Meinung den Niedergang der bildenden Künste ein. Die damals erfolgte Teilung der Presse in zwei Lager verunsicherte die Käufer. Das Künstlerhaus bekam, unabhängig von seiner Mitgliedschaft, den Stempel des Rückständigen, die Secession des Fortschrittlichen. Der Hagenbund lag irgendwo dazwischen. Diese Polarisierung besteht im Unterbewusstsein der Wiener Kunstwelt praktisch bis heute.

Hermann Bahr nahm den Kampf mit der Genossenschaft von der sportlichen Seite.

Die Secession hatte gerade ihre 6. Ausstellung geschlossen, und war noch keineswegs allgemein anerkannt, da war für Bahr der Kampf schon zu Ende. Er stellte seine Kritikensammlung unter dem lapidaren Titel “Secession” zusammen, widmete das Buch “Meister Olbrich in froher Bewunderung”, erzählte “lustig von manchen Siegen, die wir gewonnen haben” – und wandte sich anderen Dingen zu. [Anm.]

Um den falschen Berichten der Secessionisten entgegenzuwirken, schlug am 6. Februar 1899 Vorstand der Genossenschaft Rudolf Weyr die Bildung eines ständigen Pressebüros im Künstlerhaus vor, das aus Mitgliedern bestehen und die Presse über die Genossenschaft richtig und gezielt informieren sollte. Innerhalb der Genossenschaft war man allerdings über die positive Wirkungsweise eines solchen Komitees nicht überzeugt. Viele Mitglieder standen auf dem Standpunkt, dass jedes Dementi unnötig wäre; die von den Secessionisten verbreiteten Unwahrheiten glaubt ohnehin Niemand. Dieser Standpunkt erinnert an die Meinung des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand von Österreich-Este. Auch dieser wehrte sich nie, dementierte nichts und war der Meinung, dass die Wahrheit allein, von sich aus ans Tageslicht kommen muss. Dass dies allerdings auch ein Jahrhundert dauern kann, hatte er nicht angenommen.

So dauerte es auch in der Genossenschaft bis zum Frühjahr 1906, bis ein Pressekomitee aus Ernst Gotthilf, Karl F. Gsur, Adolf Karpellus, Rudolf Quittner, Hans Rathausky, Johann N. Geller, Max Hegele und Julius Hirsch gebildet wurde. Doch fast wie nicht anders erwartet, fanden schon die ersten Pressemitteilungen des publizistischen Komitees nicht bei allen Mitgliedern volle Zustimmung. Am 30. Juni 1906 wurde beschlossen, dass alle ausgehenden Berichte dem Leitenden Ausschuss vorgelegt werden müssen.

Diese “Zensur” hemmte die Initiative, aktuelle Nachrichten verzögerten sich, das Wirken des Komitees stagnierte. Dazu kam, dass der Hauptgrund seiner Entstehung, die radikalen Attacken der Secession, inzwischen entfallen war. Die Secession selbst wurde nach dem Austritt der Klimtgruppe in ihren Presseaussendungen gemäßigter, ja zahm. In der Monatsversammlung am 30. April 1907 wurde das publizistische Komitee auf Vorschlag des Malers Rudolf Quittner aufgelöst.19

Im Dezember 1914 wurde der Schriftsteller Paul Wilhelm mit dem Verfassen der an die Presse ausgehenden Notizen beauftragt. Abgesehen von dem Sekretär Walz, zu dessen Aufgaben seinerzeit auch die Informierung der Presse zählte, war er der erste tatsächliche Pressereferent des Künstlerhauses. Er blieb nur einige wenige Wochen; schon im Jänner 1915 hatte man an seine Stelle den Schriftsteller Raoul Auernheimer vorgeschlagen, der jedoch von dieser undankbaren Aufgabe nichts hören wollte. Im Dezember 1916 übernahm der Teilnehmer und Schriftsteller Siegfried Loewy die Redakteurtätigkeit für die Genossenschaft.20

In der Hauptversammlung vom 24. Mai 1919 wurde als Reaktion auf die kommunistischen und sozialistischen Presseangriffe gegen das Künstlerhaus – nun ging es nicht mehr um harmlose Kunstanschauungsfragen, sondern um einen beinhart politisch motivierten Feldzug zur Enteignung des Hauses – ein “Propaganda-Abwehr-Komitee” durch Viktor Scharf und Jehudo Epstein gegründet. Das “reiche” Künstlerhaus sollte damals den “hungernden”, von der Genossenschaft bisher “unterdrückten” Künstler-Proletariern übergeben werden. Es dauerte Jahre, bis sich diese durch die Nachkriegsnot und den revolutionären Neid hervorgerufenen Wogen wieder halbwegs geglättet haben.21

Die Journalistik kehrte aber nie mehr zu der berichtenden Art des neunzehnten Jahrhunderts zurück. Sie gewöhnte sich daran Emotionen und Stimmungen zu verkaufen. Die Zeit sorgfältiger Recherchen und langer Beschreibungen war endgültig vorbei. Auch die Gschnasfeste, früher eingehend beschrieben, wurden für die Presse uninteressant. Genaue Saalbeschreibungen, früher unabkömmlicher Teil jedes Artikels, fehlten nun völlig.

Nirgendwo äußert sich die damals entstandene Überheblichkeit mancher Journalisten so deutlich, wie in der Zitierung von Personennamen. Kaum ein Maler- oder Bildhauername wurde in den Zeitungen nun richtig geschrieben. Die einst gefeierten Namen großer Meister und jedem gebildeten Menschen bekannten kunsthistorischen Begriffe sagten den modernen republikanischen Journalisten nichts. Daneben wurde auch die wachsende Überheblichkeit der Kunstkritiker bzw. Journalisten, die sich als Kunstkritiker für berufen hielten, deutlich.22

Erst gegen Ende 1922 begann die Genossenschaft wieder Kunstnachrichten an die Presse zu versenden. Sie wurden vom Sekretariat verfasst. Im Jänner 1924 stellte sich der Regierungsrat und Redakteur Ludwig Basch zur Verfügung, doch legte er diese Stelle vier Wochen später wieder nieder. Im Jänner 1927 begann man mit dem Schriftsteller Josef Soyka zu verhandeln, konnte ihm aber im Hinblick auf die schlechte finanzielle Lage des Hauses keine Honorare anbieten. Trotzdem übernahm Soyka im November 1927 die Stelle des Künstlerhaus-Pressereferenten, völlig unentgeltlich.23

Am 6. Juni 1925 gab es für die Genossenschaft eine Premiere: Hans Ranzoni sprach zum ersten Mal in einem neuen Medium, dem Rundfunk. Ranzoni musste zu seinem Vortrag überredet werden, anfangs lehnte er diese Idee ab. Der Erfolg seiner Rede durfte aber überwältigend gewesen sein, da ihm der Ausschuss am 10. Juni 1925 ein “Ehrenhonorar” von 500 Schilling bewilligte: der kränkelnde Ranzoni sollte sich mit diesem Geld eine Kur in Bad Gastein leisten.24

Nun war das Eis gebrochen, Ranzoni hatte gegen den Rundfunk nichts mehr einzuwenden. Weitere Radiovorträge machte er, zusammen mit Alexander D. Goltz, in der Form von Ausstellungsbesprechungen in den Jahren 1927, 1929, 1930 und 1931.

Der Bericht über die Frühjahrsausstellung, vorgetragen von Alexander D. Goltz am 2. Mai 1927, wurde mit 22 Bildern im sogenannten “Radio-Bild” präsentiert. Das war vor der Erfindung des Fernsehens eine interessante Neuigkeit. Um auch den Radiohörern einen optischen Genuss zu bereiten, erschienen vor den jeweiligen Sendungen, meist Vorträgen, entsprechende Bilder auf schmalen Streifen, die man durch ein spezielles Gerät, “Guckkasten”, anschauen konnte. Dazu gab es kurze Beschreibungen. Die Bilder konnten während des Livevortrags durch das optische Gerät geschoben und angeschaut werden.

Zu weiteren Rundfunkvorträgen über das Künstlerhaus kam es im Juni 1948 anlässlich des 80jährigen Jubiläums (21. Juni, 26. Juni, 3. Juli); der Autor war Rudolf Schmidt. Prof. Dr. Walter M. Neuwirth schrieb im Mai 1963 für den Rundfunk die “Guckkastenbilder aus dem Künstlerhausarchiv” (gesendet am 2. Juli, 9. Juli, 16. Juli, 23. Juli 1963). Doch da gehörte das Radio bereits zur Selbstverständlichkeit, Rezensionen und Kurzberichte aus dem Künstlerhaus gab es nun auch im Fernsehen. Filmbeiträge in den Kino-Wochenschauen über das Künstlerhaus gab es ab Ende der dreißiger Jahre, vor allem über die großen Ausstellungen und Gschnasfeste.

Um die Wirksamkeit der Künstlerhauswerbung zu verbessern, schlug am 26. Mai 1925 der Maler Hans Larwin die Einführung von Pressebanketten vor jeder Ausstellungseröffnung vor. Das war keine schlechte Idee, mit vollem Magen erscheint die Welt immer rosiger. Die Verwirklichung scheiterte jedoch an der Kostenfrage. Bis dahin gab es keine “Kritikerbestechungen”, obwohl auch schon in der Monarchie ab und zu kleine Buffets, zum ersten Mal 1899, angeboten wurden.

Im Mai 1926 versuchte man, vergeblich, Dr. Ernst Benedikt, den Herausgeber der Neuen Freien Presse, zur Schaffung einer wöchentlichen Kunstbeilage zu animieren. Die bildende Kunst verschwand mit der Monarchie aus den Tageszeitungen, mit den seinerzeitigen seitenlangen Berichten und Feuilletons war es endgültig vorbei.

1927 bemühte sich der Ausschuss um persönliche Werbung der Wienbesucher in den Hotels. Den Hotelportieren wurden ab 1922 Plakate und Kataloge zur Verfügung gestellt, nun beteiligte man sie sogar finanziell durch eine Provision am Umsatz verkaufter Kunstwerke, anfangs sogar mit relativ gutem Erfolg.25 Die angesprochene Zielgruppe waren hauptsächlich Amerikaner, die damals verstärkt nach Europa reisten. Ein nach einer Initiative von Bertold Löffler gebildetes Werbebüro sollte sich außerdem um Kataloginserate bemühen.

Der Redakteur Josef Soyka hatte sich im Künstlerhaus gut eingeführt. Im Oktober 1928 bekam er sogar einen eigenen Raum zur Verfügung, das nur selten benützte Stachezimmer im ersten Stock. Ab dem 1. November 1928 zahlte man ihm pauschal 200 Schilling monatlich. Fast genau ein Jahr später kam es allerdings zu gewissen Spannungen zwischen Soyka und Hans Ranzoni, der kurz vorher zum Präsidenten gewählt wurde. Ranzoni sprach sich für die Kündigung Soykas aus, der Ausschuss gab nach.26

Die erschienenen Rezensionen über im Haus durchgeführte Ausstellungen wurden zeitweise zur Information der Mitglieder auf einer Tafel im Casino angebracht. Bei der Einrichtung des Lazaretts 1914 ging man davon aus Platzmangel wieder ab. Ab November 1931 wurden auf Vorschlag des Sekretärs Carl Gerold die Pressekritiken auf einer Tafel im Vestibül angeschlagen, sie waren zum ersten Mal also auch den Ausstellungsbesuchern zugänglich.

Diese “Öffentlichkeit” dürfte manches Mitglied als störend empfunden haben, denn die Hauptversammlung am 25. Mai 1932 hatte das Anschlagen im Foyer wieder verboten. Später, ab dem Beginn der fünfziger Jahre bis zum Präsidentenwechsel 1975, hängte man die Kritiken im Sekretariat aus. Heute werden sie fallweise wieder im Vestibül angebracht,27 vor allem bei großen Ausstellungen.

Im Oktober 1935 schlug der Bildhauer Rudolf Schmidt dem Präsidenten Hans Ranzoni vor, den befreundeten Redakteur Rudolf Alexander Moissl als Pressereferenten zu gewinnen. Doch Ranzoni schien von dieser Idee nicht begeistert gewesen sein, denn Moissl wurde erst unter dem nächsten Präsidenten Leopold Blauensteiner, am 14. Dezember 1937, zum Hausredakteur. Zu seiner Unterstützung wurde damals auch noch ein Presseunterausschuss aus Igo Pötsch und Hermann Kutschera gebildet.

Moissl arbeitete für das Künstlerhaus ehrenamtlich. Hauptberuflich war er Pressechef der NÖ Landesregierung und hatte somit ohnehin die besten Kontakte zur Presse. Er bemühte sich um das Künstlerhaus auch noch zu Beginn des Krieges; dann wurden alle Aussendungen wieder vom Ausschuss konzipiert. Anfang Februar 1943 ordnete die Reichskunstkammer aus wirtschaftlichen Überlegungen eine Einschränkung der Drucksorten an.28

Nach dem Krieg wurde der Maler Karl Langer für einige Jahre zum Pressereferenten des Künstlerhauses. Seine Hauptaufgabe in dieser Zeit war die Propagierung des Kinos. Nachdem es im Mai 1952 gegen ihn zu mehreren Unmutsäußerungen durch Mitglieder gekommen war, legte er seine Stelle nieder.

Im März 1953 kam es auf Anregung von Albert Janesch, der um Verbesserung der Kontakte zwischen den Künstlern und den Journalisten bemüht war, zu einer gemeinsamen Einladung aller – also Künstler und Journalisten gleichzeitig – für den sogenannten “Firnistag”. An diesem Tag vor der Eröffnung der Jahresausstellung wurden die Gemälde früher manchmal noch frisch gefirnisst, damit sie bei der Ausstellungseröffnung besonders leuchteten.

Doch die Zusammenkunft der Künstler mit der Presse ging an diesem Märztag 1953 nicht ganz im Sinne Janeschs auf. Zu Beginn der fünfziger Jahre wurde das Künstlerhaus – im Gegensatz zum Art-Club oder der Föderation – von manchen Journalisten, wie um die Jahrhundertwende, als rückständig bezeichnet. Nun nützten mehrere Künstler diesen, von Janesch initiierten, gemeinsamen Firnistag zu persönlichen Gesprächen mit den anwesenden Journalisten. Doch nur die wenigsten Kunstkritiker waren bereit über ihre Schreibweise persönlich Rede und Antwort zu stehen, die meisten verließen nach kurzen verbalen Kontroversen fluchtartig und auch feige das Haus. Die alten Zeiten, in denen Künstler und Journalisten die Vernissagen gemeinsam besucht hatten, waren endgültig vorbei. Von nun an wurden ins Künstlerhaus nie mehr die Aussteller und Journalisten gleichzeitig eingeladen.

Obwohl man im Ausschuss im Oktober 1957 von einer möglichen Übernahme der seit langem vakanten Pressestelle durch den im Künstlerhaus bekannten Journalisten Dr. Walter M. Neuwirth gesprochen hatte, wurde im November 1959 der Pressemanager der benachbarten Philharmoniker- und Konzerthausgesellschaft Rudolf Klein zum Pressereferenten bestellt. Klein blieb nur kurze Zeit: mit dem 1. Jänner 1962 übernahm dann doch W. M. Neuwirth die Pressebetreuung.

Neuwirths Neigungen entsprechend waren seine Presseberichte meist retrospektiv. Aktuelle Aussendungen über Ausstellungen machte das Sekretariat. Als Dr. Neuwirth, der außerdem Archivar und Bibliothekar des Hauses war, im Frühjahr 1972 seine Stelle aus Altersgründen zurückgelegt hatte, wurde Dr. Wladimir Aichelburg zu seinem Nachfolger in allen drei Funktionen bestimmt.

Die Ausstellungswerbung, die das Sekretariat seit 1962 machte, übernahm nach der Wahl des Präsidenten Hans Mayr 1975 für einige Jahre Frau Andrea Weissensteiner, zum ersten Mal hauptberuflich und dementsprechend hoch dotiert. Mit Ende 1980 wurde ihr Vertrag aus Kostengründen gelöst und Frau Weissensteiner nur noch einzeln für jede Pressebetreuung honoriert. Nach und nach übernahm dann wieder das Sekretariat – Frau Gerda Themel, später Frau Hannelore Gatterer-Thalburg, Ursula Mayr, Alexandra Kroath, Mag. Martina Gruber u.a. – ihre Arbeit.

Aus den retrospektiven Arbeiten Neuwirths blieben schon Ende der 60er Jahre nur noch Geburtstagsaussendungen und Nekrologe der Mitglieder. Das Desinteresse der Presse führte 1977 zur definitiven Einstellung solcher Aussendungen und diesbezügliche Benachrichtigungen wurden nur noch telefonisch der Austria Presse Agentur übermittelt. 1980 ließ man auch davon ab, das Echo der Tagespresse war äußerst gering: wenn interessierte es, dass ein Künstlerhausmitglied gerade einen runden Geburtstag feierte oder dass er verstorben war?29

Diese Entwicklung hatte nicht nur das Künstlerhaus zu spüren. Sie gilt, abgesehen von einigen wenigen “Staatskünstlern” für die gesamte bildende Kunst allgemein. Doch innerhalb dieser bereits dürftigen Presseberichterstattung kam noch ein weiteres Phänomen zutage: die Ungleichheit der Besprechungen einzelner Ausstellungsorte. Die Ausstellungen im Künstlerhaus wurden nach dem Zweiten Weltkrieg weniger ausführlich besprochen als die Ausstellungen der Secession.30

Um 1950 waren es neben einigen heute Unbekannten vor allem Dr. Jörg Mauthe und Jorg Lampe, mit denen das Künstlerhaus in Konflikt kam; später waren es Kurt Moldovan, Wieland Schmied, Dr. Alfred Schmeller, Kristian Sotriffer, Johann Muschik, Jan Tabor. Mauthe äußerte sich einmal in einer Kritik, dass das einzig zeitgemäße am Künstlerhaus sein Kino ist; Lampe verriss ab 1947 regelmäßig jede Künstlerhausausstellung, unabhängig vom Thema und der Art.

Gegen die Schreibweise von Jorg Lampe schritt am 20. Mai 1948 sogar der Ministerialrat im BMfU, Hauptreferent für Kultur, Dr. Alfred Weikert ein. Auch ihm wurden die Angriffe Lampes damals zu arg. Die von ihm kritisierte Jubiläumsausstellung 1948 präsentierte österreichische Kunst, Werte, die mindestens im retrospektiven Teil für einen Wiener unbestreitbar waren. Dr. Lampe war ein nach Wien zugereister Reichsdeutscher, der bereits vor 1945 Kulturkritiker war und der sich nach dem Krieg nicht gescheut hatte, auch für kommunistische Blätter zu schreiben – soweit Dr. Weikert in einer Stellungnahme des Unterrichtsministeriums.

Im Sommer 1949 richtete Jorg Lampe eine moderne Ausstellung im Konzerthaus ein. Etwa drei Wochen später besuchte der Maler Leopold Schölm, der damals so manche wichtige Funktionen bekleidete, in Begleitung die Ausstellung. Jorg Lampe war anwesend und bot sich an, Schölm zu führen. Eine abstrakte Landschaft, die Jorg Lampe besonders hervorhob, kam Schölm in seinem künstlerischen Empfinden als störend vor, und er bemerkte, dass sie wahrscheinlich verkehrt hängen würde. Lampe erklärte, dass dies nicht der Fall sei, und dass sie schon seit der Eröffnung so hängt. Leopold Schölm ließ sich jedoch nicht beirren, trat zur Wand und drehte das Bild um: und siehe da, Jorg Lampe musste mit rotem Kopf zugeben, dass das Gemälde tatsächlich verkehrt hing. Dieser Vorfall wurde nun rasch allgemein bekannt und führte, nicht nur im Künstlerhaus, zur allgemeinen Genugtuung. Endlich war ein alles besserwissender Kunstkritiker blamiert. Nun gab es allen Ernstes im September 1949 im Künstlerhaus Vorschläge, auch Dr. Jörg Mauthe nach diesem Beispiel eine ähnlich gebaute Falle aufzustellen. Es konnte für einen Künstler nichts Köstlicheres geben, als seine “Peiniger” zu entlarven und ihrer Unwissenheit zu überführen.31

Einige Jahre später wurde der Fall des Kunsthändlers und Malers Willy Verkauf berühmt, bei dem 1960 der Kunstpublizist und spätere Direktor des Museums des 20. Jahrhunderts Werner Hofmann auf mehrere Kunstwerke des ihm bisher unbekannten Pariser Malers André Verlon stieß. Hofmann war von der Art der Bilder begeistert und wollte mehr und mehr Werke dieses fabelhaft progressiven Künstlers sehen und kaufen. Der damals zwischen Wien und Paris pendelnde Kunsthändler Willy Verkauf konnte aber nicht so rasch liefern. Von Hofmann bedrängt gab er in einem schwachen Moment zu, dass André Verlon sein eigenes Pseudonym und er somit der Schöpfer der Bilder sei.

Das war für Werner Hofmann ein Schock mit Folgen: die ursprünglich von ihm hochgelobten französischen Bilder wurden nach diesem Outing plötzlich wertlos. Der Wiener Willy Verkauf war nicht der französische Künstler André Verlon. Hofmann fühlte sich hereingelegt und betrogen. Dementsprechend scharf war seine Reaktion. Durch dieses angebliche “Täuschungsmanöver” Willy Verkaufs, der überhaupt nicht als Betrug gedacht war und nicht als Betrug bezeichnet werden kann, sondern von Hofmann durch sein Drängen nach mehr Produktion selbst provoziert wurde, fühlten sich auch weitere Kunstkritiker in ihrer “Ehre” gekrängt. Die Stimmung in Wien schlug um: aus dem hochbegabten und gelobten Pariser André Verlon wurde nun auch bei anderen Kritikern der untalentierte, kleine Wiener Willy Verkauf.32 Verkauf gelang es dann bis zu seinem Tod 1994 nicht mehr, den Ruhm des André Verlons von 1960 zurückzugewinnen.

Im Herbst 1948 fand im Künstlerhaus innerhalb der Feiern zum 80jährigen Jubiläum eine Ausstellung der künstlerischen Jugend Österreichs statt. Die einzige Teilnahmebedingung war die obere Altersgrenze mit 40 Jahren, die “Jungen” jurierten sich selbst. Das Publikum war allgemein zufrieden, es gab Staats- und Landespreise. Beteiligt waren Johann Avramidis, Paul Flora, Maria Lassnig, Max Weiler… Für die Pressekritik war die Ausstellung allerdings ein “Triumph der Niveaulosigkeit”.33 Sie fand eben im Künstlerhaus statt.

Es ist überflüssig, hier über die gehässige Kritik der Künstlerhausausstellungen weiterer Jahre im Einzelnen zu berichten. Wie solche Kritiken oft entstanden, zeigt deutlich ein Beschwerdebrief eines renommierten Kunstkritikers einer renommierten Wiener Tageszeitung vom 25. Oktober 1961: “Ich kam gestern Abend von der Frankfurter Buchmesse zurück und wollte mir heute neben anderen auch ihre Herbstsausstellung ansehen. Dort empfing mich der Herr Portier mit dem Wunsch nach einer Pressekarte, die ich nicht hatte, worauf er mich ins Sekretariat schicken wollte, wozu mir Lust und Zeit fehlten; ich mußte also unverrichteter Dinge wieder abziehen.”34

Dieser Kritiker wollte also über eine Ausstellung berichten, die sich in allen Sälen des Parterres befand, hatte aber keine Zeit ins Sekretariat zu gehen. Die korrekte Handlungsweise des Portiers, dem dieser Kritiker persönlich nicht bekannt war, man zahlte damals noch Eintritt, wurde von diesem als falsch angesehen. Er hätte sich außerdem eine Eintrittskarte auch kaufen können.

Wie anders formuliert ist der Brief von Karl Kraus vom 10. Jänner 1902: “Der Herausgeber der Fackel dankt für Ihre Freundlichkeit, ist aber zu seinem Bedauern nicht in der Lage, von der Jahreskarte, die er hiermit wieder zurückgibt, Gebrauch zu machen, da die Fackel von Instituten, deren Leistungen kritischer Besprechung vorbehalten bleiben, grundsätzlich keinerlei Begünstigung annimmt.”35

Rudolf Heinz Keppel trug in der Sitzung der Ausstellungskommission am 18. Jänner 1961 die Idee vor, die Zeitungskritiker zur Mitarbeit an den Katalogen einzuladen und sie durch die von ihnen geschriebenen Vorworte und Textbeiträge an das Künstlerhaus zu binden – natürlich gegen ein anständiges Honorar. Dieser Gedanke wurde aufgegriffen; die Mitarbeit der Kritiker führte in der Folge tatsächlich zur Abschwächung der Gehässigkeit, zumindest bei den betreffenden Autoren und den von ihnen betreuten Zeitungen. Andere, vor allem jüngere Journalisten kamen dann darauf, dass ihnen das Künstlerhaus als Institution auch in manchem behilflich sein könnte, sei es durch eine Empfehlung, durch eine Bestätigung, oder sogar eine Intervention: Harald Sterk etwa wurde durch die Vermittlung des Künstlerhauses der Bundesheerdienst auf eine ihm annehmbarere Zeit verschoben.

Zur weitgehenden Normalisierung der Beziehungen zwischen der Presse und dem Künstlerhaus trug die von Frau Inge Zimmer-Lehmann organisierte Künstlerhaus-Galerie bei, die fast durchwegs auf ein positives Echo stieß. Auch die großen, von der Ausstellungskommission organisierten Hausausstellungen wurden dann nicht mehr so negativ kritisiert, wie es bis dahin fast ausschließlich der Fall war. Dafür wurden sie in der Presse allerdings oft ganz verschwiegen.36

Die Wahl des Präsidenten Hans Mayr führte anfangs zur Spaltung der Presseberichterstattung in zwei Lager: in Anhänger von Frau Zimmer-Lehmann und jene von Hans Mayrs. Hans Mayr brachte ins Künstlerhaus viele große internationale Ausstellungen, die allgemein nur positives Echo haben konnten. Wenn es ab und zu noch zu einzelnen Presseangriffen kam, so nur gegen die Person des Präsidenten. Für das Haus als Ganzes blieben diese Attacken ohne Wirkung. Die größte Presse seit langem erzielte das Künstlerhaus 1977 anlässlich seines Ausgleichs.

Eine Folge hatten allerdings die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen und nur mit den secessionistischen der Jahrhundertwende vergleichbaren Angriffe doch. Durch Dezennien wurde es allgemein “in”, das Künstlerhaus als konservativ, als “Nazihort”, als rückständig zu bezeichnen. Diese Entwicklung ist interessanterweise nicht nur von außen zu beobachten, sondern auch unter den Mitgliedern selbst, die von einem sadomasochistischen Zug geplagt zu sein schienen. Frau Sabine Weiger etwa arbeitete zum Zeitpunkt ihrer Mitgliederaufnahme 1969 an einer kunsthistorischen Arbeit über die Entstehung der Secession. Statt an Hand der im Archiv doch erhaltenen Dokumente den Austritt Klimts ins rechte Licht zu rücken, wiederholte, ja bekräftigte sie die altbekannten Secessionslegenden.

Frau Jana Wisniewski, Mitglied ab 1980, neben ihrer künstlerischen Arbeit in der 4. Sektion auch journalistisch tätig, kritisierte in ihren Artikeln das Künstlerhaus zum selben Zeitpunkt, in dem sie selbst auch Funktionär der Gesellschaft und somit für ihre Entwicklung mitverantwortlich war.37 Ihre polemischen Artikel gegen die Führung des Hauses schrieb sie auch später. Sie berichtete gerne Intimes aus Sitzungen, die eigentlich für die Presse nicht bestimmt waren.38

Die Gegensätze zwischen der “progressiven” Secession und dem “konservativen” Künstlerhaus werden bis heute, ob bewusst oder unbewusst, auch von vielen Kunsthistorikern der jungen Generation getragen. So wird das Künstlerhausarchiv von ihnen gerne benützt, es handelt sich ja um das größte private Archiv zur Geschichte österreichischer Kunst überhaupt, von einer Quellenangabe will man allerdings schon nichts mehr wissen. Es kam auch schon vor, dass Abbildungen aus dem Künstlerhausarchiv als Quellenangabe den Namen der Archivbenützerin (S.P-F.) trugen oder als “Privatsammlung” bezeichnet wurden. Das Künstlerhausarchiv als Quelle anzugeben ist nicht “in”,39 das Wort „Künstlerhaus“ klingt nicht so gut wie die „Secession“.

Wie wichtig die Presseberichte zur Bildung der allgemeinen Meinung aber sind, zeigte eine Umfrage der Ausstellungsbesucher “Von Greco bis Goya” im Jahr 1982. 40 % der Besucher wurden durch Berichte in den Zeitungen auf die Ausstellung aufmerksam. 21 % erfuhren durch Plakate und 16 % durch Berichte im Rundfunk und Fernsehen über sie. 15 % ließen sich durch Gespräche mit Freunden und Bekannten zum Ausstellungsbesuch motivieren.

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