Die korrespondierenden Mitglieder

Die korrespondierenden Mitglieder wurden mit den Statuten vom 17. Juni 1872 eingeführt und ihr Status im § 12 geregelt. Es handelte sich um Künstler, die in auswärtigen Orten die Interessen der Genossenschaft wahrzunehmen und zu fördern bereit waren. Gleichzeitig betrachtete man die Ernennung auch als eine Auszeichnung, nicht jeder konnte ein korrespondierendes Mitglied werden.

Die Aufnahme bzw. Ernennung der korrespondierenden Mitglieder fand über Antrag des Leitenden Ausschusses in den Monats- und Generalversammlungen statt. Da von Wien abwesend, waren sie von der Beitragszahlung befreit; bei ihrer vorübergehenden Anwesenheit in Wien genossen sie die Rechte der Teilnehmer, d. h. den freien Eintritt in die Ausstellungen, in das Casino, Verbilligungen bei Festen u. ä. Die korrespondierenden Mitglieder vertraten die Genossenschaft dort, wo es keine Delegierten aus Wien gab, die kamen anlässlich auswärtiger Ausstellungen, als Gesandte zu Feiern, Begräbnissen etc. Wie schon ihre Bezeichnung sagt, korrespondierten sie mit Wien; sie informierten die Genossenschaft über auswärtige Kunstverhältnisse, über die Ausschreibung von Wettbewerben, schickten Einladungen zu Ausstellungen usw.

Den direkten Anlass zur Einführung der Sektion der korrespondierenden Mitglieder gab die Aufnahme des Xylographen Hugo Kaeseberg in Leipzig am 14. Dezember 1871. Zum zweiten korrespondierenden Mitglied wurde am 24. Oktober 1874 der in Brüssel lebende Maler Franz Richard Unterberger. In den Mitgliederverzeichnissen dieser Zeit wurden sie nach den ordentlichen Mitgliedern geführt, jedoch vor der Rubrik der von Wien abwesenden ordentlichen Mitglieder. Am 28. Februar 1880 wurde der in München lebende Maler Ludwig Willroider zum korrespondierenden Mitglied, am 27. Oktober 1883 der in Meran wirkende Maler Josef Büche und der in Tremezzo am Comersee lebende Maler Pierre Tetar van Elven. Die Aufnahmen von korrespondierenden Mitgliedern erfolgten langsam, stets nach längeren engeren Kontakten mit dem Betreffenden oder anlässlich einer Begebenheit, wie die notwendig gewordene Vertretung der Genossenschaft etc.

Im Oktober 1886 überlegte man im Ausschuss, ob die Genossenschaft nicht überhaupt in allen größeren Städten durch korrespondierende Mitglieder vertreten sein sollte. Die Idee hatte viel für sich; war doch die Genossenschaft damals durch ihre Ausstellungen international sehr orientiert. Der Gedanke wurde aber nicht verwirklicht, anscheinend deshalb, weil man sich auf die eigenen Ausstellungskomitees verließ und bei allen Entscheidungen vom Ausland unabhängig bleiben wollte. Auch in den folgenden Jahren gab es kaum Aufnahmen bzw. Ernennungen von korrespondierenden – wirklich im Sine der Genossenschaft für sie arbeitenden – Mitgliedern.
Erst das Jahr 1900 brachte einen gewaltigen Sprung: zu Jahresende hatte die Genossenschaft plötzlich 38 korrespondierende Mitglieder in der ganzen Welt. Ursache dieser Aufnahmen lag im damals plötzlich aufgeflammten Konkurrenzkampf mit der Secession, konkret mit ihrer Praxis der Mitgliedsaufnahme. Die Secession ernannte einfach alle bedeutenden Künstler zu ihren Mitgliedern – oft ohne sie vorher überhaupt gefragt zu haben – um sie daraufhin schamlos für ihre Werbezwecke zu missbrauchen. 1900 wollte die Genossenschaft nicht zurückstehen, auch sie wollte sich mit einiger Prominenz der damaligen Kunstwelt schmücken. Dieses Ernennungsjahr 1900 blieb eine Ausnahme.

Dass die Genossenschaft mit den Ernennungen korrespondierender Mitglieder allgemein sehr vorsichtig umging, dürfte u. a. auch an den Schwierigkeiten liegen, die man mit dem Maler Josef Büche hatte. Das korrespondierende Mitglied Büche übersiedelte 1889 von Meran nach Wien: musste also die Aufgaben der auswärtigen korrespondierenden Mitglieder nicht mehr erfüllen, zahlte auch jetzt keinen Jahresbeitrag und suchte um die Übertragung der Mitgliedschaft in die Rubrik der ordentlichen Mitglieder nicht an. Anlässlich der Internationalen Ausstellung 1894, also fünf Jahre später, wurden einige seiner Arbeiten von der Ausstellungsjury nicht angenommen. Statt sich damit, wie die meisten Künstler in ähnlicher Situation, abzufinden, reklamierte Büche und stellte an die Ausstellungskommission unerfüllbare Bedingungen. Außerdem ließ er unter dem Datum 16. Februar 1894 Flugblätter drucken, in den er die Arbeit der Ausstellungsjury kritisierte und in denen er sich als Mitglied der Genossenschaft bezeichnete.

Nun begann sich mit ihm neben der Jury auch der Ausschuss der Genossenschaft zu beschäftigen und kam dabei auf die Unklarheit seines Statuts. So wurde Büche benachrichtigt, dass er, nachdem er nach Wien übersiedelt worden war und in Wien seinen ständigen ordentlichen Wohnsitz aufgeschlagen hatte, kein korrespondierendes Mitglied der Genossenschaft mehr sei. Ordentliches war er ohnehin nicht, nachdem er fünf Jahre lang keinen Mitgliedsbeitrag gezahlt hatte.

Büche hat gegen diese “neuerliche Zumutung”, wie er sich ausdrückte, heftigst protestiert und machte sich dadurch in den Wiener Künstlerkreisen nun gänzlich unbeliebt. Am 10. Dezember 1894 wurde er aus der Liste der korrespondierenden Mitglieder gestrichen. Büche suchte daraufhin um Aufnahme als ordentliches Mitglied in die Genossenschaft an, was er gleich nach seiner Übersiedlung hätte machen sollen. Durch die Vorgeschichte beeinflusst, fiel die Abstimmung des Mitglieder-Aufnahme-Komitees am 23. Jänner 1895 mit 7:2 Stimmen gegen Büche aus; am folgenden Tag wurde Büche die Ablehnung schriftlich mitgeteilt. Damit gab sich Büche nicht zufrieden und erstattete bei der Polizei, Bezirkskommissariat Innere Stadt, gegen das Vorgehen der Genossenschaft Anzeige. Bei der Polizei konnte die Angelegenheit durch Sekretär Karl B. Walz rasch geklärt werden; eine interne Vereinsangelegenheit ging die Polizei ohnehin nichts an. Doch Büche hatte bei der Genossenschaft nun endgültig verspielt. Seine weiteren Zuschriften wurden anfangs noch höflich beantwortet, doch nachdem ihre Anzahl nicht abnahm, schließlich unbeantwortet gelassen und gleich ad acta gelegt. Am 26. Juli 1900 wurde Büche vom Vorstand noch einmal offiziell mitgeteilt, dass er nie ordentliches Mitglied gewesen war und korrespondierendes nicht sein kann, da in Wien die Genossenschaft ihre Interessen selbst vertritt.

Von Büche kamen nun in den Jahren 1901 – 1902 sogar durch Rechtsanwälte Dr. Moriz Beck und Dr. Friedrich Morz neue Beschwerden und Klagen über angebliche Statutenverletzungen durch die Genossenschaft; der Ausschuss konnte jedes mal auf seinen, mit den Statuten konform gehenden, Standpunkt verweisen. Am 22. März 1902 verschickte Büche an sämtliche Mitglieder der Genossenschaft und an die Tageszeitungen gedruckte Flugblätter, in dem er seine Vorwürfe wiederholte und durch die Statuten angeblich begründete Forderungen stellte. Dieser Aufruf wurde zum Teil in der “Extrapost” am 21. April 1902 veröffentlicht.
Da auch weitere Zuschriften an das Sekretariat, persönliche Interventionen, sowie zwei weitere von ihm zumindest initiierte Artikel in der “Extrapost” nicht den erhofften Erfolg hatten, klagte Büche neuerlich die Genossenschaft beim Vereinsbüro der Polizeidirektion an. Sein scheinbares Recht bekräftigte er durch die Erwähnung der Austritte der Secessions- und Hagenbundmitglieder. Aus dieser Klage entstand ein Gerichtsverfahren, das schließlich alle drei Instanzen durchlief und wo stets der Genossenschaft Recht gegeben wurde. Als ausgesprochene Frechheit empfand der Ausschuss das abschließende Ansuchen des Rechtsanwaltes Dr. Alexander Pupovac, in dem er am 27. Juni 1903 um den hochherzigen Verzicht auf den der Genossenschaft zustehenden Kostenersatz der Gerichtsgebühren von 142,56 K ersuchte. Vorstand Baurat Andreas Streit lehnte “im Interesse des Selbstschutzes” gleich ab. Die Genossenschaft hätte sicher mit diesem, für sie unbedeutenden, Betrag ihr Budget belasten können, doch man durfte Büche keineswegs irgendwie entgegenkommen, da er daraus wieder ein “Recht” ableiten hätte können. Die Worte Streits waren wahr; schon am 11. Juli 1903 schrieb Büche einen weiteren seiner üblichen Briefe. Vizesekretär Anton Lukasch antwortete Büche dezidiert, dass “der Herr Vorstand außer Stande ist, irgendwelche Verbindung in dieser Korrespondenz mit Ihnen aufrecht zu erhalten, ihre ferneren Briefe an die Genossenschaft werden daher selbstverständlich unbeachtet bleiben”.

Der nächste Brief Büches ist auf den 15. Juli 1903 datiert: er bat darin um Bewilligung einer Ratenweisen Zahlung seiner Prozesskosten, 50 Kronen legte er bei. Die Raten wurden ihm in der Hoffnung, dass damit die Sache endgültig erledigt sei, genehmigt. Man täuschte sich: am 21. Dezember 1903 suchte Büche neuerlich um Aufnahme in die Genossenschaft als ordentliches Mitglied an! Der Rechtsberater Dr. Ernst Plutzar riet das Ansuchen trotz der bereits einmal erfolgten Ablehnung neuerlich dem Mitglieder-Aufnahmekomitee vorzulegen. Das Komitee trat am 12. Jänner 1904 zusammen und lehnte das Ansuchen Büches ab, diesmal sogar einstimmig. Obwohl sich im Archiv keine weiteren Schriftstücke Büches befinden, ist es nicht anzunehmen, dass er nicht geschrieben hätte: allem Anschein nach wurden ihm seine Briefe ungeöffnet zurückgeschickt. Endgültig erledigt wurde der Fall Büche mit seinem Tod am 13. August 1917 in Wien. Er wurde weder Mitglied der Secession noch des Hagenbundes. Im Künstlerhaus hatte er 1893 zum letzten Mal ausgestellt.1

Kein Wunder, dass nach der 1900 aus kulturpolitischen Gründen erfolgten Massenaufnahme korrespondierender Mitglieder das Interesse der Genossenschaft an weiteren Ernennungen stagnierte. So gab es 1905 35, 1910 29, 1913 28, 1914 28, 1919 29, 1922 29 korrespondierende Mitglieder. Verstärkt aufgenommen wurden neue korrespondierende Mitglieder erst 1925; wieder aus politischen Gründen. Das Mitgliederverzeichnis von 1927 nennt sogar 59 Namen.
Die Besetzung Österreichs 1938 und die Angleichung an die deutsche Gesetzgebung brachte in der Liste der korrespondierenden Mitglieder ein Chaos. Da diese Mitglieder hauptsächlich im Ausland lebten, das bald z. T. auch feindlich werden sollte, wusste man im Künstlerhaus nicht recht, wie und nach welchen Kriterien diese Mitglieder zu behandeln wären. Ebenso wenig konnte man sie nach ihrem Ariernachweis fragen. So kam es zu keiner einzigen Streichung. Ja im Gegenteil: nach der Übernahme der Secessionsmitglieder übernahm man komplett auch ihre korrespondierenden Mitglieder, soweit sie es selbst wollten – meist Deutsche; alle wurden vorher angeschrieben. Im anlässlich der Jubiläumsausstellung am 19. Mai 1941 erschienenen gedruckten Mitgliederverzeichnis hat man allerdings die gesamte Rubrik der korrespondierenden Mitglieder vorsichtshalber ausgelassen. So wurden auch manche große Namen der deutschen Kunst nicht erwähnt, auf die man damals durchaus stolz hätte sein können.

Erst dem 1944 korrigierten Sekretariatshandexemplar ist eine schreibmaschinengeschriebene Liste der korrespondierenden Mitglieder beigefügt. Nach ihr betrachtete das Künstlerhaus nur noch 14 Künstler als korrespondierende Mitglieder, ausschließlich in Deutschland. Dass man keine Künstler aus dem feindlichen Ausland erwähnte, ist logisch; in der Liste findet sich aber auch kein einziger Name aus dem Protektorat Böhmen und Mähren, aus Ungarn, Italien oder anderen damals besetzten Gebieten.

Das erste Nachkriegsverzeichnis von 1950 bringt interessanterweise dieselbe Liste der 14 Namen nationalsozialistischer Kunst, allerdings ohne Adressen. An einen Vergleich der vorhandenen Liste mit den vor 1938 geführten korrespondierenden Mitgliedern hat damals im Sekretariat anscheinend niemand gedacht. Die Liste von 1950 durfte nicht ganz ohne Widerspruch aufgenommen worden sein, da die Mitgliederverzeichnisse folgender Jahre wieder überhaupt keine Übersichten der korrespondierenden Mitglieder mehr brachten. Zu einer Klärung kam es nicht, kein einziges Mitglied wurde angeschrieben, kein einziges schrieb an das Künstlerhaus selbst. Da sie keinen Mitgliedsbeitrag zahlten, hatte auch die Buchhaltung keine Evidenz. Trotzdem wurde ihre Sektion in den Statuten weitergeführt.

Wieder entdeckt wurde die Sektion der korrespondierenden Mitglieder vom Präsidenten Hans Mayr 1979 mit den zwei ersten Ernennungen nach dem Zweiten Weltkrieg: es handelte sich um die deutschen Künstler Bernard und Ursula Schultze. Weitere Ernennungen folgten dann rasch, ebenfalls durch Hans Mayr. 1986 hatte man schon 16 neue korrespondierende Mitglieder – namentlich wurden sie zum ersten Mal in dem im Mai dieses Jahres erschienenen Mitgliederverzeichnis angeführt. Nicht angeführt wurden darin die alten immer noch lebenden Mitglieder der Kriegs- und Vorkriegszeit – man stand mit ihnen ohnehin seit Jahrzehnten nicht in Verbindung und ihnen war es anscheinend auch egal, wie man über sie in Wien dachte. Gestrichen oder ausgeschlossen wurde jedoch kein einziges.

Heute werden die korrespondierenden Mitglieder ausschließlich als eine Ehrung betrachtet und man erwartet von ihnen keine Gegenleistung.2 In den in der Hauptversammlung vom 29. September 1998 angenommenen Statuten wurde festgestellt, dass sie über keinerlei Stimmrecht verfügen, was man am 12.12.2005 wieder korrigierte.

Abbildung 398a,b. Ernennungsdiplome eines korrespondierenden Mitglieds in französisch und englisch, 1900.