Ehrenmitglieder, also bedeutende Künstler oder sonst hervorragende Persönlichkeiten des In- und Auslandes, die sich durch die Förderung der Kunst oder der Ziele der Genossenschaft/Gesellschaft besondere Verdienste erwarben, hatten und haben im allgemeinen die Rechte der ordentlichen bzw. außerordentlichen Mitglieder, sind aber von jeder Zahlung befreit. Sie waren bis zur Hauptversammlung vom 29. September 1998 stimmberechtigt. Aufgenommen (ernannt) werden können sie nur in der Hauptversammlung über Vorschlag des Leitenden Ausschusses, bzw. des heutigen Vorstandes; trotzdem gab es auch Ernennungen auf Vorschlag des Präsidenten ohne Beschluss der Hauptversammlung, deren Zustimmung man vorwegnahm bzw. nachträglich einholte.
Im Allgemeinen war man mit den Ernennungen von Ehrenmitgliedern stets äußerst sparsam, ihre Anzahl betrug nur wenige Prozent der ordentlichen Mitglieder. Fast ausschließlich handelte es sich um verdiente Persönlichkeiten, die man auf diese Weise ehren und belohnen wollte. In einigen Fällen wurden allerdings Ehrenmitglieder aus politischen Überlegungen, ohne vorerst sichtbarer Verdienste ernannt, sozusagen im Voraus – das war hauptsächlich bei den Politikern der Neuzeit der Fall, wenn man sich von ihnen für die Zukunft etwas erwartete.
Bei der Aufnahme des Bürgermeisters Karl Seitz in der Hauptversammlung am 16. Oktober 1925 entstand im Plenum eine heftige Debatte, obwohl das eigentlich gar nicht zulässig war – bei der Abstimmung fragte man stets nur nach dem ja oder nein. Die Ernennung Seitz’ erfolgte dann nicht einstimmig. 1968 lehnten die vorgeschlagenen Bundespräsident Franz Jonas und der Bundesminister für Unterricht Dr. Theodor Piffl-Percevic die Annahme einer Ehrenmitgliedschaft von sich aus im Voraus ab, ähnlich auch der Bürgermeister Leopold Gratz im September 1984.1
Politische bzw. demonstrative Ernennungen kamen schon in der Monarchie vor, doch waren ihre Umstände wesentlich andere als heute. Im Jänner und Februar 1884 wurde in den Zeitungen der regierende Fürst Johann II. von und zu Liechtenstein heftig und eigentlich unbegründet durch den alternden Dr. Constant von Wurzbach angegriffen. Fürst Liechtenstein entschloss sich daraufhin seine private, bis dahin öffentlich zugängliche Gemäldegalerie für das Publikum zu schließen. Obwohl dies für die Wiener Kunstwelt ein bedeutender Verlust war, nahm die Genossenschaft Partei für Liechtenstein. In der Ausschusssitzung am 14. Februar 1884 wurde einstimmig Liechtensteins Ernennung zum Ehrenmitglied als Zeichen der Anerkennung seiner Verdienste um die bildende Kunst beschlossen. Die daraufhin für den 6. März 1884 einberufene außerordentliche Hauptversammlung bestätigte diesen Vorschlag und das einstimmig, sogar unter Beifall und spontaner Erhebung von den Sitzen. Natürlich blieb jedem Genossenschaftsmitglied auch weiterhin jederzeit Zutritt in die Liechtenstein-Galerie offen.
Ähnlich demonstrativ motiviert war die Ernennung des Architekten Carl Freiherr von Hasenauer zum Ehrenmitglied am 28. November 1889. Auch Hasenauer wurde von der Presse wegen seines “missglückten” Burgtheaters angegriffen. Die Ernennung zum Ehrenmitglied sollte Hasenauers Position vor den Medien stärken.
Im Gründungsjahr der Genossenschaft 1861 gab es 17 Ehrenmitglieder. Diese Zahl ist später nur geringfügig gestiegen, um dann wieder zurückzufallen: 1865 21, 1868 23, 1869 28, 1870 27, 1880 26, 1890 29, 1900 19, 1910 14, 1913 17, 1918 16, 1919 15, 1922 13, 1927 12. Der Abgang wurde durch Todesfälle verursacht. Austritte oder Streichungen gab es bis auf eine einzige Ausnahme nicht: am 24. Mai 1897 trat der greise Rudolf von Alt aus der Genossenschaft unter dem massiven Druck der Secessionisten aus, wodurch auch seine Ehrenmitgliedschaft erlosch.
Aus politischen Gründen mussten am 22. März 1938 drei Ehrenmitglieder in den Büchern der Genossenschaft gestrichen werden: der ehemalige Bundesminister für Unterricht Dr. Hans Pernter, der ehemalige Bürgermeister Richard Schmitz und der ehemalige Bundeskanzler Dr. Kurt Schuschnigg – keinem wurde dies jedoch schriftlich mitgeteilt. Alle drei Ernennungen erfolgten seinerzeit aus rein opportunistischen Überlegungen der Genossenschaft; nur Schmitz und Pernter zeigten am Künstlerhaus zeitweise etwas Interesse, Schuschnigg ließ sich prinzipiell auf alle Einladungen entschuldigen. Nach dem Krieg bekam Pernter wieder eine Ausweiskarte; Schuschnigg war abwesend, Schmitz zwar in Wien, sogar Direktor des Heroldverlags, zeigte sich aber am Künstlerhaus völlig desinteressiert.
Ähnlich verhielten sich auch Politiker der zweiten Republik: wirklich an Kunst persönlich interessiert war kaum einer, ihre Ernennungen zu Ehrenmitgliedern erfolgten und erfolgen hauptsächlich aus egoistisch-politischen Motiven, in Erwartung von Subventionen und ähnlichen Begünstigungen, selten als Zeichen persönlicher Anerkennung und persönlicher Wertschätzung. Einige wenige Male spielte das erreichte hohe Alter des/der Geehrten die entscheidende Rolle, nachdem es keine Verdienste des/der Betreffenden schon früher zu feiern gab.
Während des nationalsozialistischen Regimes kam es zu keiner einzigen politisch motivierten Ernennung, sodass man nach dem Krieg auch kein einziges Ehrenmitglied streichen musste. 1941 gab es 5 lebende Ehrenmitglieder, 1950 3 (Fritz Lahr und Rudolf Zyka waren inzwischen verstorben).
Zur ersten Nachkriegsernennung kam es 1951, weitere sporadische Aufnahmen folgten. Gehäuft haben sich die Ernennungen erst in den sechziger Jahren, zu einer wahren Inflation der Ehrenmitglieder kam es in der Ära Hans Mayr: 1975 gab es 21 lebende Ehrenmitglieder, 1988 schon 37. Präsident Kodera bremste die Ernennungen wieder stark ein. 1995 waren im Künstlerhaus 31 Ehrenmitglieder.
Im Gegensatz zur Praxis der früheren Jahre ließ Präsident Hans Mayr die Ernennungen von Nichtkünstlern zu Ehrenmitgliedern in den Mitgliederverzeichnissen nicht anführen bzw. später nur eine Auswahl; anscheinend hatte er doch eine gewisse Scheu vor dem Bekanntwerden ihrer hohen Anzahl. So wurden auch eventuelle Fragen nach den tatsächlichen Verdiensten der Geehrten von vornherein vermieden. Diese in den Mitgliederverzeichnissen veröffentlichte Auswahl blieb auch unter den Präsidenten Peter Kodera und Manfred Nehrer weiter bestehen; nachdem aber nur die wenigsten Mitglieder die diese Listen zu Gesicht bekamen, spielte dies keine Rolle. Im Jahresbericht 2007 (S. 46) wurden die Ehrenmitglieder in Künstler („ordentliche Ehrenmitglieder“) und Nichtkünstler („außerordentliche Ehrenmitglieder“) getrennt, wodurch ihre Anzahl optisch halbiert wurde.
Alle Ehrenmitglieder erhielten in der Regel als Bestätigung ihrer Ernennung eine Urkunde ausgehändigt, oft handschriftlich ausgefertigt, mal prunkvoller, mal bescheidener. Im April 1914 schlug Bildhauer Ludwig Hujer vor, den Ehrenmitgliedern eigene Plaketten zu widmen, was seiner Meinung nach würdiger wäre. Der Ausschuss sowie die darauffolgende Monatsversammlung waren einverstanden und die Ausschreibung eines Wettbewerbs wurde beschlossen. Der Kriegsausbruch verhinderte dieses Vorhaben, obwohl schon einige Bildhauer von sich aus entsprechende Plaketten entworfen hatten. Heute bekommen die neuen Ehrenmitglieder nur Diplome im gebräuchlichen A4-Format, in der letzten Zeit sogar nur noch als schmucklose Computerausdrucke.2
Abbildung 397. Ernennungsdiplom eines Ehrenmitgliedes, 1896. Gedruckt, nur die Initiale wurde gemalt. Auch die Unterschriften fehlen noch (im Archiv erhalten gebliebene Dublette des übergebenen Originals).
Der Ehrenpräsident
In der Hauptversammlung am 10. Februar 1975 wurde der am 16. Dezember 1974 zurückgetretene Präsident Karl Kupsky vom Architekten Walter Jaksch im Namen des Leitenden Ausschusses zum “Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit” vorgeschlagen. Kupsky hat sich stets für das Künstlerhaus und seine Mitglieder in selbstloser Weise eingesetzt, er war noch ein „Gentleman der alten Schule“, den man nun demonstrativ ehren wollte.
Da es eine solche Ehrung in den Statuten nicht gab, wurde gleichzeitig ein Unterausschuss zur Statutenänderung gewählt, der daneben auch noch andere Anpassungen vorschlagen sollte. Die neuen Statuten wurden dann am 22. Dezember 1976 von der Behörde bewilligt; der Titel des Ehrenpräsidenten wurde darin im § 10 aufgenommen.
Zehn Jahre später hatten die Statuten vom 30. Dezember 1986 die Stelle der Ehrenpräsidenten gefestigt. Handelte es sich ursprünglich um einen reinen Ehrentitel ohne besondere Rechte, so wurde dem Ehrenpräsidenten ab 1986 ein Sitz im Vorstand auf Lebenszeit zugestanden. Dieser war eine Vorbereitung des Präsidenten Hans Mayr, der die Ernennung zum Ehrenpräsidenten auch für sich erwartete.
Architekt Karl Kupsky wurde die Urkunde über seine Ernennung in der Hauptversammlung am 28. März 1979 übergeben; er starb am 14. April 1984. Sein Nachfolger Präsident Hans Mayr erlebte seine Ernennung nicht; er starb noch während seiner aktiven Zeit im Februar 1993. In der Hauptversammlung am 29. September 1998 wurde der Ehrenpräsident aus den Statuten wieder entfernt.